Kaan-Marienborn. Bis zuletzt hatte die Belegschaft von Dometic gehofft und für die Arbeitsplätze in Siegen gekämpft. Jetzt verkündet der Konzern das Aus.

Der Siegener Standort der Dometic GmbH wird geschlossen. Die Produktion im Käner Industriegebiet Weißtal wird im Juni 2023 komplett geschlossen, die Aufträge werden in das Werk nach Jászberény in Ungarn verlagert. Das hat die Geschäftsführung der Belegschaft am Mittwoch, 6. Juli, im Rahmen einer Betriebsversammlung mitgeteilt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigten sich maßlos enttäuscht und traurig. Es flossen Tränen.

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Bis zuletzt habe man gehofft und gekämpft, sagte Betriebsratsvorsitzende Anke Maritsch dieser Zeitung im Anschluss an die Betriebsversammlung. Ein Großteil der Kolleginnen und Kollegen sei aufgestanden und gegangen, als das Aus für den Standort verkündet war, berichtete sie – zu groß sei die Enttäuschung über das aus Sicht der Arbeitnehmervertreter „hausgemachte“ Problem: Denn Dometic habe die Produktion von Wohnmobil- und Caravan-Kühlschränken immer weiter aus Siegen abgezogen oder für auslaufende Modelle nicht ersetzt, so dass das Produktionsvolumen am Standort sank. „Es war seit zwei Jahren erkennbar, dass dieser Tag kommen könnte und wir haben alles gegeben, um den Standort zu erhalten.“ Das Unternehmen habe diesen Schritt begründet mit zwei nicht voll ausgelasteten Werken für die Kühlschrankproduktion in Europa.

Dometic geht es gut: Die Branche boomt, Konzern ist globaler Marktführer

Dabei gehe es dem Konzern keineswegs schlecht; im Gegenteil: Die Wohnmobil- und Campingbranche boomt nach wie vor, Dometic ist eigenen Angaben zufolge globaler Marktführer im sogenannten „mobile living“-Sektor.

In Siegen werden Kühlschränke für Wohnmobile und Caravans hergestellt.
In Siegen werden Kühlschränke für Wohnmobile und Caravans hergestellt. © Hendrik Schulz

Die Produktionskosten in Ungarn aber seien eben günstiger für den Konzern, mit den dortigen Lohnstrukturen könne man in Siegen nicht mithalten. „Es geht um mehr Profit“, so Maritschs Einschätzung – und der sei am Standort Siegen wohl nicht mehr groß genug gewesen. Je geringer die Stückzahl, desto weniger Ertrag.

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210 weitere Beschäftigte im Angestelltenbereich – vorwiegend Vertrieb, Service, Produktentwicklung – sind zunächst laut der Betriebsratsvorsitzenden nicht betroffen; ihre Jobs bleiben in Siegen – zunächst, wie der Betriebsrat fürchtet. „Wir denken, dass da auch noch etwas passieren wird.“

Beschäftigte von Dometic in Siegen zum Großteil seit Jahrzehnten im Unternehmen

Das Durchschnittsalter der Beschäftigten sei bei Dometic in Siegen vergleichsweise hoch – die meisten sind 20 Jahre und länger im Unternehmen, ein Kollege habe erst kürzlich 40-jährige Betriebszugehörigkeit gefeiert, berichtet eine Arbeiterin. Viele seien Un- und Angelernte, „für sie wird es sehr schwer, eine neue Arbeit zu finden“, so Anke Maritsch – gerade eine Beschäftigung, die in Zeiten steigender Preise und Inflation auch ein vergleichbares Auskommen ermöglicht.

Die Bereiche Vertrieb, Service und Produktentwicklung von Dometic sollen in Siegen bleiben.
Die Bereiche Vertrieb, Service und Produktentwicklung von Dometic sollen in Siegen bleiben. © Hendrik Schulz

Der erst im Juni geschlossene Sozialtarifvertrag für den Standort Siegen, der bis 31. Dezember 2025 für alle betriebsbedingten Kündigungen gilt, sei ein durchaus hoher Abschluss, so die Betriebsrätin: 1,2 Bruttomonatslöhne pro Jahr der Beschäftigung, pro Kind 2000 Euro, mit Schwerbehinderung 5000 Euro, eine hervorragende Rentenbrücke. „Aber kein Geld der Welt ersetzt einen guten Arbeitsplatz.“ Auch Andree Jorgella, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Siegen hatte genau diesen Fall befürchtet – „darüber muss man enttäuscht sein“, sagt der Gewerkschafter über die Entwicklung. Die Qualität aus Siegen sei die beste im Konzern – ob man wirklich den letzten Euro herausholen müsse… „Ich bin froh, dass wir die Leute zumindest abgesichert haben“, sagte er.

Hintergrund der Verhandlungen waren von der schwedischen Dometic GmbH vorgesehene Umstrukturierungen hinsichtlich einer globalen Strategie, die sich auf Maßnahmen zur Kosten- und Effizienzsteigerung konzentriert, wie es nun in einer Dometic-Mitteilung zur Schließung des Siegener Standorts heißt, „um in einem sich wandelnden Markt wettbewerbsfähig zu bleiben“.

Dometic bietet Siegener Beschäftigten „Möglichkeiten an anderen lokalen Standorten“

„Heute ist ein schwieriger Tag für unsere Mitarbeiter in der Fertigung in Siegen“, teilt Henrik Fagrenius, EMEA-Präsident bei Dometic mit. „Wir sind uns den Auswirkungen bewusst, die diese auf unsere Mitarbeiter und ihre Familien haben werden, aber leider ist dies ein notwendiger Schritt, um die Zukunft von Dometic und seinen Mitarbeitern zu sichern, indem wir unsere Wettbewerbsfähigkeit steigern.“

Die betroffenen Mitarbeiter seien ermutigt worden, Möglichkeiten an anderen lokalen Dometic-Standorten in Erwägung zu ziehen, sofern diese verfügbar seien. Darüber hinaus werd Dometic eng mit einer Transfergesellschaft zusammenarbeiten, um Dienstleistungen zu koordinieren, die den betroffenen Arbeitnehmern bei der Arbeitssuche sowie bei Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten helfen sollen.

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Dometic, Hauptsitz in der schwedischen Hauptstadt Stockholm, beschäftigt weltweit rund 9000 Mitarbeiter und erzielte 2021 einen Nettoumsatz von umgerechnet 2,1 Milliarden Euro.