Siegen. ZWS-Geschäftsführer Günter Padt geht in Pension. Er war der Erste in diesem Job. Ein Blick zurück, einer vor, einer auf seine Modelleisenbahn.

Bis in die 1990er Jahre hinein war alles ziemlich klar: Die Deutsche Bahn bestimmte, wo sie Züge fahren ließ und welche Strecken sie stilllegte. Und die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd, die dem Kreis Siegen-Wittgenstein gehörten, legten Fahrpläne und Linien für ihre Busse fest. Die örtliche Politik hatte nichts zu sagen, die Fahrgäste schon gar nicht. 1996 wurde das anders: Die Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe gründeten ihren Zweckverband Personennahverkehr Westfalen-Süd und nahmen – so, wie es das Land NRW wollte – ihren Nahverkehr auf Straße und Schiene selbst in die Hand. Manager des Ganzen wurde Günter Padt - und der verabschiedet sich nun, in seinem 65. Lebensjahr, in den Ruhestand.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Auf den Kabelkanälen in seinem Büro im Siegener Lyz hat Günter Padt Miniatur-Busse abgestellt. Modelle, die gut auf die Modelleisenbahn passen würden, die zu Hause in Saalhausen auf dem Dachboden schlummert – dazu später mehr. Die Kursbücher mit Silberrand sind ein Souvenir, das die Bahn AG einmal verschenkt hat – die dicken Wälzer mit den Fahrplantabellen werden schon seit 2009 nicht mehr gedruckt. Die Kreiskarten von Siegen-Wittgenstein und Olpe sind schon etwas verblasst – „die sind immer mitgewandert.“ Denn in den ersten Jahren des ZWS hing die Politik daran, dass die Geschäftsstelle immer beim Verbandsvorsteher war. Und das ist, im Wechsel von fünf Jahren, mal der Landrat in Siegen, mal der in Olpe.

+++ Lesen Sie auch: Busse und Bahnen in Siegen und Umgebung: zu oft zu spät +++

Von der Bahn ins Kreishaus

Günter Padt erinnert sich daran, wie er Ende 1995 ein halbes Büro im längst abgerissenen Kreishaus-Seitenflügel bezog. Oberkreisdirektor Karlheinz Forster hatte es eilig, in die Zukunft zu starten: Zu allererst sollte, sozusagen als Versuchsballon, die zwischen Dillenburg und Betzdorf fahrende Hellertalbahn der Deutschen Bahn AG entrissen werden: Im Wettbewerb setzten sich Siegener Kreisbahn und Westerwaldbahn gegen das Staatsunternehmen durch. Für Günter Padt kam dieser erste große Auftrag wie gerufen: Der Verkauf der Bahnstrecke Betzdorf-Daaden an eben diese Westerwaldbahn war eine seiner letzten Taten im Dienste der Deutschen Bahn AG. „Die hatten gut verhandelt.“ Günter Padt empfiehlt, nicht nur auf den Personenverkehr zu schauen, wenn über eine Bahnstrecke befunden wird: „Das sind auch Verkehrswege für Güter.“ Die Hellertalbahn für Dynamit Nobel, die Rothaarbahn für die Erndtebrücker Eisenwerke, zum Beispiel.

Das war 2008: Günter Padt (3. von rechts) ist bei der Taufe des Abellio-Zuges „Kreuztal“ in Kreuztal dabei.
Das war 2008: Günter Padt (3. von rechts) ist bei der Taufe des Abellio-Zuges „Kreuztal“ in Kreuztal dabei. © Steffen Schwab

+++ Lesen Sie auch: Siegen bereitet den Neustart für den Nahverkehr vor +++

Günter Padt ist Diplom-Verwaltungsbetriebswirt. Dass er an der Fachhochschule des Bundes studierte und nicht irgendwo in der Wirtschaft landete, sondern 1979 als Inspektor bei der Bundesbahn anfing, ist eher Zufall. Eigentlich, so sagt er im Rückblick, habe er sich „nur aus Jux und Dollerei“ beworben. Er kam zur DB-Direktion Essen, wurde Strecken- und Linienmanager für den südwestfälischen Raum, zu dem für die Bahn auch noch Altenkirchen und Dillenburg zählten. Nach der deutschen Vereinigung wurde aus der Bundesbahn eine Aktiengesellschaft, Padts neuer Dienstort wurde Münster. „Das war schon eine Gurkerei, obwohl damals der Interregio noch fuhr.“ Die Regionalisierung des Nahverkehrs und die Ausschreibung der Geschäftsführer-Stelle bei dem neu gegründeten Zweckverband kamen jedenfalls gerade richtig.

Von Niederschelden nach Siegen

Flächenzonentarif, integraler Taktfahrplan, Schulzeitenstaffelung, Linienbündel, Höchsttarif, Mobiltätscard: Wer will, kann mit Günter Padt stundenlang in einer Fachsprache baden, die nicht nur Fahrgästen fremd ist, sondern die auch die Politik in Verbandsversammlung und Beirat neu lernen musste. Viel schöner erzählen lässt sich dieser Ausflug in die Niederungen des öffentlichen Nahverkehrs: Durch den Bahnhof von Niederschelden verläuft eine Grenze: die zwischen dem Verkehrsverbund Rhein-Sieg, kurz: VRS, und dem südwestfälischen ZWS. Kundige Berufspendler aus Richtung Köln nach Siegen (oder umgekehrt), statten sich mit zwei Tickets aus, einem vom VRS und einem vom ZWS. Beide zusammen sind billiger als die Fahrkarte der DB. Nur: Der ZWS beginnt erst in Niederschelden-Nord. Was die Fahrgäste zwischen beiden Stationen zu Schwarzfahrern macht.

Das wussten auch die Schaffner – nur einer von ihnen nutzte das aus, um auf den paar hundert Metern kräftig zu kontrollieren und abzukassieren. „Der hat gnadenlos zugeschlagen“, erzählt Günter Padt. Heute gibt es längst kein Niemandsland mehr zwischen Niederschelden und Niederschelden-Nord. Das hat Günter Padt mit seinem Kollegen aus Köln hinbekommen. Das Tarifwirrwarr im Dreiländereck indes bleibt ansonsten unversehrt erhalten. Eine Klamotte ähnlicher Art lieferte das erste elektronische Auskunftssystem, das in der Vor-Internet-Zeit auf CD gekauft werden konnte. Die Deutsche Bahn zog eine unsichtbare Grenze zwischen Nord und Süd, die zwischen Siegen und Burbach verlief: „Wenn man darüber fahren wollte, passten die Auskünfte nicht mehr.“

+++ Lesen Sie auch: Siegen: ÖPNV soll besser werden – Bürger sollen sagen, wie +++

Auch das wurde gelöst. Der gemeinsame Fahrschein für Bus und Bahn, der Fahrplan im Taktverkehr, die Privatisierung der Bahnlinien: Das Angebot im Nahverkehr wurde im Laufe der Jahre besser denn je zuvor. Auf Widerstand traf der inzwischen schon zehn Jahre alte ZWS, als er den Bus-Nahverkehr wirtschaftlicher machen wollte, indem er den Einsatz von Schulbussen aufeinander abstimmen wollte – die Schulen in Nachbarstädten sollten zeitlich versetzt beginnen. „Leider war da gerade Kommunalwahlkampf. Da sind wir krachend gescheitert.“ Im zweiten Anlauf gelang allerdings dann auch die Verständigung mit Kreuztal und Hilchenbach.

Das war 2019: Günter Padt (Mitte) stellt in Wilnsdorf mit Bürgermeisterin Christa Schuppler barrierefreie Haltestellen vor.
Das war 2019: Günter Padt (Mitte) stellt in Wilnsdorf mit Bürgermeisterin Christa Schuppler barrierefreie Haltestellen vor. © Gemeinde Wilnsdorf

Von SAM zur Verkehrswende

Den neuen Bahnhaltepunkt Niederlaasphe gibt es inzwischen - Niederdielfen und Buschhütten noch nicht, ebenso wenig den Ausbau der Sieg- und der Ruhr-Sieg-Strecke. Damit herumschlagen muss sich aber inzwischen vor allem der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), der Dach-Zweckverband, an den die regionalen Zweckverbände ihre Schienen-Zuständigkeit weitgehend abgegeben haben. Was nicht heißt, dass die Zukunft auf der Straße einfacher zu gestalten ist. Günter Padt erinnert an das Experiment mit SAM, den Selbstfahr-Bus in Drolshagen: Da insistierte die Bezirksregierung auf einem Sicherheitskonzept, Vorlage wurde schließlich die Regelung für den Karnevalsumzug.

Zu tun gibt es noch viel im Nahverkehr, weiß Günter Padt: „Ein wirklich moderner Tarif muss her“ – einer, der den Fahrpreis automatisch errechnet, so wie die Eezy-App, die nur leider ausgerechnet auf der Kölner Strecke nicht funktioniert. Auf dem Wunschzettel steht die Anbindung an den Rhein-Ruhr-Express (RRX) mit einer Linie von Siegen zu den Flughäfen Köln und Düsseldorf: „Wir waren bisher zu schwach, um das durchzusetzen – mal abwarten, was mit dem Intercity passiert.“

Dann eine Neuorientierung im Busverkehr: „Absolut verlässlich“ mit Zehn-Minuten-Takt im Kernraum, aber umgestellt auf Bedarfsverkehr („On Demand“) für die Zubringer aus den vielen Dörfern. „Die Infrastruktur muss passen“, fordert Günter Padt – wissend, dass er sich auch unbeliebt machen kann: Busspuren, nicht noch mehr neue und dafür teurere Auto-Parkplätze in Siegen-Mitte. „Ziel ist es, die Verkehrswende zu schaffen.“

Vom Kreishaus ins Ehrenamt

Die ZWS-Verbandsversammlung am 15. Juni ab 17 Uhr im Kreishaus in OIpe ist seine letzte, dann wird sein Nachfolger Stefan Wied das neunköpfige Team in Siegen übernehmen. Die Modelleisenbahn wird Günter Padt wohl auch im Ruhestand auf dem Speicher lassen. „Ich bin kein Pufferknutscher.“ Der Betriebswirt schaut einer neuen ehrenamtlichen Aufgabe entgegen: Im Kirchenvorstand seiner Gemeinde wird er die Verantwortung für dei Friedhofsverwaltung übernehmen.

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++