Siegen. Die Fissmer-Anlage in Siegen bekommt einen Infotext, in dem die Rolle Alfred Fissmers im Nationalsozialismus differenzierter betrachtet wird.

Der Rat hat einen Text für die Acryltafel beschlossen, die am Standort der Alfred-Fissmer-Anlage erklären soll, wer der Namensgeber der Anlage ist. Bei fünf Gegenstimmen und sechs Stimmenthaltungen entschied die Mehrheit für den Antrag von ursprünglich sechs Fraktionen, die Fissmers zwiespältige Rolle während des Nationalsozialismus stärker betonen sollte als der Text aus dem Stadtarchiv, den der Kulturausschuss im Februar beschlossen hatte.

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Keine Mehrheit fand der Antrag der FDP-Fraktion, die einen kürzeren Text gewünscht hatte – oder zumindest die erneute Befassung im Straßennamen-Arbeitskreis: Darin hätten sich Hinweise auf möglichen Einsatz Fissmers für Verfolgte und Auseinandersetzungen mit führenden Nationalsozialisten nicht wieder gefunden, ebenso wenig die Feststellung, dass Fissmer die „direkte Teilnahme“ an NS-Verbrechen nicht habe nachgewiesen werden können.

Siegen: Viele Persönlichkeiten, die gewürdigt werden, waren keine Demokraten

Henning Klein (Linke) zog die Beteiligung seiner Fraktion an dem Sechs-Fraktionen-Antrag zurück. Es gebe „zu viele offene Fragen“; der für Straßenbenennungen gebildete Arbeitskreis solle sich weiter damit befassen. Klaus Volker Walter (FDP) forderte „klare Kriterien“ für die Beurteilung von Leistungen und Versäumnissen der mit Straßennamen geehrten Persönlichkeiten. Fissmer, der von 1919 bis 1945 amtierte, habe sich „vermutlich schuldig gemacht“: „Er war kein Demokrat, wie wir ihn uns heute wünschen würden.“

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Martin Heilmann (Grüne) bedauerte den Rückzug der Linken: „Wir hatten einen Nenner gefunden, mit dem alle leben können.“ Über Fissmer gebe es auch innerhalb der Grünen-Fraktion unterschiedliche Ansichten. Dass er kein Demokrat gewesen sei, teile er mit anderen Persönlichkeiten, die in Siegen gewürdigt würden: dem heiligen Nikolaus, Patron der Nikolaikirche, und dem Fürsten Johann Moritz. Jürgen Schulz (Grüne) fand, im Mehrheitsantrag werde die „Ambivalenz der Person“ deutlicher als in der FDP-Variante. Zudem gebe es den veränderbaren, über QR-Code zugänglichen Langtext, der an künftige historische Erkenntnisse angepasst werden könne.

Siegen: Grüne würden die Fissmer-Anlage gerne umbenennen

Roland Steffe (AfD) sprach sich für den FDP-Text aus: Fissmer sei in einer „schrecklichen Diktatur in exponierter Stellung“ gewesen. Durch das Bunkerbauprogramm habe er „viele Leben gerettet“: „Wer will das heute verurteilen?“ Michael Schwarzer (AfD), der Steffe als Fraktionschef abgelöst hat, nannte dagegen den Sechs-Fraktionen-Antrag „differenziert“ und einen „sehr guten Kompromiss“. Die AfD sei „leider nicht gefragt worden“, den Antrag mitzuunterzeichnen.

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„Irgendwann sollte man damit auch mal aufhören“, forderte Hans Günter Bertelmann (UWG): „Mit der Diskussion kann man den Geehrten auch ein Stück weit entehren.“ Michael Groß (Grüne) warb für den Kompromiss: „Jeder Tag, an dem da keine Tafel ist, ist ein schlechter Tag.“ Groß machte auch deutlich, dass seine Fraktion in Sachen Fissmer weitergehen würde: „Wir als Grüne würden die Anlage umbenennen.“

Klaus Volker Walter (FDP) sprach sich dagegen aus, Annahmen und Vermutungen in den Tafel-Text aufzunehmen: „Wenn, dann sollte er auch der Geschichte entsprechen.“ Silke Schneider (Linke) pflichtete bei. Die Biografie Fissmers müsste „intensiv durchleuchtet“ werden: Sollte sich der neue Text als fehlerhaft erweisen, „stehen wir dumm da“. Alfred Fissmer sei für die Menschen da gewesen, er sei aber zugleich in das Regime verstrickt gewesen, sagte Joachim Pfeifer (SPD): „Die Ambivalenz dieser Geschichte wollen wir vermitteln.“

Alle Textvorschläge zu der Fissmer-Tafel können im Ratsinformationssystem der Stadt Siegen (Recherche: Fissmer) nachgelesen werden : www.siegen.de