Siegen. Toxische Mischung: Multiple Krisen beschäftigen Wirtschaft – Ukraine, Corona in China, Materialknappheit, Lieferengpässe, explodierende Preise.

„Seit Monaten bremsen Preissteigerungen und Lieferengpässe bei Rohstoffen, Energie sowie Vorprodukten die wirtschaftliche Entwicklung. Der Krieg in der Ukraine verschärft diese Probleme nun deutlich. Hinzu kommen die Risiken eines vollständigen Energieembargos sowie die Null-Covid-Strategie in China: Alles in allem eine toxische Mischung. Die Unsicherheiten waren selten größer!“

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IHK-Präsident Felix G. Hensel blickt nach der neuesten Konjunkturumfrage, an der sich 499 Unternehmen mit mehr als 37.000 Beschäftigten aus Siegen-Wittgenstein und Olpe nicht allzu optimistisch in die Zukunft.

Kaum ein Unternehmen in Siegen-Wittgenstein und Olpe ist optimistisch

Der Konjunkturklimaindex (Lagebeurteilung und Erwartung) – fällt um 24 Punkte auf 96, erstmals seit einem Jahr wieder unter dem Mittelwert der letzten 20 Jahre (105). Dabei bewerten weite Teile der regionalen Wirtschaft die aktuelle Geschäftslage noch als passabel – die Zukunftserwartungen hingegen brechen auf breiter Front ein, sogar stärker als zu Beginn der Corona-Pandemie. Besonders düster, so Hensel, fallen die Prognosen im Baugewerbe, im Großhandel und in Teilen der Industrie aus.

Nur 11 Prozent der Unternehmen aus Siegen-Wittgenstein und Olpe blicken derzeit noch optimistisch in die Zukunft, 37 % sind zum Teil äußerst pessimistisch. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Wir hatten gehofft, dass wir die lange Corona-Durststrecke langsam hinter uns hätten.“ Klar sei mittlerweile aber, dass man vom Regen in die Traufe komme. „Schlimmer geht eben immer.“ Die Probleme nähmen durch den gewaltigen Container-Stau in Shanghai deutlich zu. Ein Ende der Preisspirale und Materialknappheit sei nicht in Sicht. Die Unternehmen würden zudem deutlich zurückhaltender bei Beschäftigung und Investitionen.

IHK Siegen fordert schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien

84 % der Unternehmen sind von den Folgen des Ukraine-Kriegs betroffen, besonders die Industrie. Dennoch befürwortet die überwältigende Mehrheit die Sanktionen gegen Russland, unterstützt dabei ein Vorgehen mit Augenmaß. Gräbener: „Es kann keine Sanktionen zum Nulltarif geben. Allerdings ist es auch nicht besonders klug, sich selbst stärker zu schwächen als den Gegner.“ 86 % der Betriebe unterstützten das eher behutsame Vorgehen der Bundesregierung, sich nur schrittweise von der russischen Energie-Abhängigkeit zu lösen. Nun gelte es, mit aller Kraft sämtliche Bremsklötze beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu lösen, den Netzausbau voranzutreiben und alternative Bezugsquellen zu sichern, um schnell eine von russischer Energie unabhängige Grundlastsicherung zu gewährleisten.

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In Teilen der Industrie überwiegt derzeit indes noch eine positive Lagebeurteilung: 38 % beurteilen ihre Geschäftslage als gut, jeder zweite Industriebetrieb meldet eine Produktionsauslastung zwischen 85 und 100 %. Jedes dritte Unternehmen berichte aber inzwischen von geringeren Auftragseingängen, so Felix G. Hensel, erwartet werden Umsatzrückgänge. Zudem breche die Ertragslage förmlich ein: 41 % berichten von einer schlechteren Ertragslage. 39 %, und somit mehr als doppelt so viele Industriebetriebe wie noch zu Jahresanfang, blicken pessimistisch in die Zukunft, vor allem im Kreis Siegen-Wittgenstein.

Bauwirtschaft in Siegen-Wittgenstein hat mit hohen Materialpreisen zu kämpfen

War die Bauwirtschaft bislang noch ein wichtiger konjunktureller Stabilisator, schlügen Engpässe und exorbitant hohe Preise bei fast allen Materialien nun voll durch, so Stephan Häger, Leiter Referat Konjunktur, Arbeitsmarkt und Statistik: Der Auftragsbestand sei noch ordentlich. Aber viele berichteten von gestoppten oder verschobenen Bauprojekten, aufgrund der Preise. Inzwischen habe zudem jeder fünfte Betrieb mit Forderungsausfällen zu kämpfen, was zu Liquiditätsengpässen führe.

Ähnlich im Großhandel: Die aktuelle Lage werden weiter positiv bewertet, die Zukunft nicht. 41 % sind pessimistisch – zu Jahresbeginn waren es nur 7 %. Schlechtere Geschäfte erwartet vor allem der produktionsnahe Großhandel.

Im Einzelhandel hellt sich die Stimmung auf – der Autohandel spürt die Krisen

Im Einzelhandel ist die Stimmung besser als zu Jahresbeginn: 28 % bewerten ihre Geschäftslage als gut, 18 % als schlecht. Ein Viertel konnte in den vergangenen Monaten die Umsätze steigern. Trotz Aufhebung der „Corona-Zugangsbeschränkungen“ sei der Aufholprozess noch nicht richtig in Gang gekommen, so Stephan Häger. „Steigende Lebenshaltungskosten, gepaart mit großer Unsicherheit der Verbraucher, belasten immer stärker das Konsumverhalten.“

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Das spüre vor allem der Kfz-Einzelhandel (62 %), den zudem starke Lieferverzögerungen bei Neuwagen sowie ein Mangel an Gebrauchtwagen belasten. 22 % der regionalen Gastronomen hingegen bewerten ihre Lage als gut, noch 18 % melden schlechte Geschäfte. 42 % konnten in den vergangenen Monaten eine Umsatzsteigerung verbuchen. Allerdings ist wegen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Hoffnung auf eine Erholungsphase verhalten.