Kreuztal. Mehr als nur das Dach über dem Kopf: Kriegsflüchtlinge brauchen viel Unterstützung – bei der Kinderbetreuung hapert es noch.

Edelgard Blümel erzählt von einem alten Ehepaar: Er 92, sie in den 80ern, vertrieben aus der Ukraine. Sie habe ihnen eine kleine, eingerichtete Wohnung angeboten, berichtet die Sozialdezernentin, doch die alten Leute wollten sich weiter mit dem Zimmer in der städtischen Unterkunft begnügen. Sie kehrten ja bald in die Heimat zurück. „Ich fürchte, das wird für sie ein längerer Aufenthalt, als sie denken.“

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Im Sozialausschuss berichten Stadträtin Edelgard Blümel und Jessica Pretsch, Leiterin des Sachgebiets Flüchtlinge und Integration, über die Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine. „Das Leid der Menschen bekommt man hautnah mit, das schüttelt man nicht einfach so weg“, berichtet Edelgard Blümel über den Alltag ihres Teams. „Sobald eine Akte ein Gesicht bekommt, nimmt man das mit nach Hause“. sagt Philipp Krause (CDU). Er kann das auch als Lehrer nachvollziehen: „Wir erleben das auch an der Schule. Die Kinder haben viel erleben müssen.“

Ehrenamtliche werden in Kreuztal gebraucht

Unterstützen: Jessica Pretsch macht „Leistungssachbearbeitung“: So heißt das in der Verwaltung, wenn für die Hilfesuchenden Unterstützungsmöglichkeiten gesucht und gefunden werden, bis hin zum „Schulbedarfspaket“ von 150 Euro, um die Schulkinder mit Ranzen, Schreib- und Lernmaterial auszustatten. Dass die Geflüchteten mehr als Geld brauchen, weiß Jessica Pretsch sozusagen schon von Amts wegen: „Das Ehrenamt ist wieder besonders wichtig“ – wieder seit der Fluchtbewegung aus dem Nahen Osten über den Balkan 2015. „Viele bieten ihre Unterstützung an.“ Da ist der Lions Club, da ist die Kleiderstube der Caritas, da sind die Stadtspaziergänge für die neu Angekommenen, die der Integrationsbeirat organisiert … – jede weitere Initiative ist gerade sehr willkommen.

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Geflüchtete aus anderen Ländern nicht vergessen

Zahlen: Eine Mutter mit zwei Kindern und acht Einzelpersonen: Edelgard Blümel weiß noch genau, wie Kreuztal vor zwei Monaten die ersten Geflüchteten aus der Ukraine in Empfang nahm. Inzwischen sind 214 in der Stadt. Oder, anders gerechnet, 97 „Bedarfsgemeinschaften“ , in der Regel Mütter mit Kindern. Unter der Gesamtzahl von derzeit 379 Geflüchteten und Asylsuchenden stellen die Ukrainer jetzt die größte Gruppe, gefolgt von Menschen aus Nigeria und dem Irak. Die „anderen“ sind auch noch da, erinnert die Stadträtin. Vor allem auch die rund 1300 Menschen aus Südosteuropa, die als EU-Bürger in dieser Statistik gar nicht auftauchen, obwohl ihre Lage ausgesprochen prekär ist: „Sie brauchen weiter Betreuung. Das ist eine sehr große Herausforderung.“ Ausschussvorsitzende Simone Farr (Grüne) bekräftigt: „Natürlich darf man die anderen nicht vergessen.“

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Turnhallen sollen nicht Notunterkünfte werden

Wohnen: Für die Unterbringung von Geflüchteten hat die Stadt derzeit insgesamt 79 Unterkünfte: 22 stadteigene Unterkünfte, 30 durch die Stadt angemietete Wohnungen und 27 Unterkünfte, die von den Geflüchteten selbst angemietet wurden. Darüber hinaus gibt es 31 Adressen, bei denen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine selbstorganisiert vorerst untergekommen sind. Bei der Flüchtlingszuwanderung 2015 habe die Stadt keine Turnhallen belege müssen, sagt Edelgard Blümel: „Das bekommen wir auch jetzt wieder hin. Wir haben gut vorgesorgt.“ Die Sozialdezernentin verweist auf die mit Hilfe der Feuerwehr eingerichtete ehemalige Eichener Grundschule: „Die hat einen wirklich guten Aufenthaltscharakter, die Menschen werden sich dort wohlfühlen können.“ Knapp 100 Plätze gibt es dort. Allerdings hat die Bezirksregierung für Kreuztal auch ein Aufnahmesoll von weiterhin 77 Personen festgestellt, im Mai werden der Stadt also vermehrt Menschen zugewiesen. Edelgard Blümel: „Wir sind vorbereitet.“ Insgesamt leben derzeit 228 Erwachsene und 151 Kinder in Unterkünften, die von der Stadt bezahlt werden.

In Kitas werden noch Plätze gebraucht

Kinder: Für insgesamt 27 Kinder in Kreuztal sucht das Kreisjugendamt aktuell noch einen Betreuungsplatz. „Wir werden schauen, wo zusätzliche Infrastruktur geschaffen werden muss“, sagt Ralf Pohlmann, Sachgebietsleiter im Jugendamt. Das Provisorium auf dem Buschhüttener Sportplatz, das im neuen Kindergartenjahr durch den Neubau beim Hofgut Langenau ersetzt wird, komme dafür nicht in Frage, stellt Edelgard Blümel fest: „Die Container sind schon weg, es ist nichts mehr auf dem Markt,“ Und der Standplatz auch: Dort entsteht nun das Wohnviertel mit Dorfplatz, Buschhüttens neue Mitte. Ralf Pohlmann weiß, dass kirchliche Träger gelegentlich Räume anbieten: Die Gemeinden verkleinern sich.

Fast die Hälfte wohnt privat

Von den – am 22. April – 217 ukrainischen Kriegsflüchtlingen leben 110 in städtischen Unterkünften, 107 haben privaten Wohnraum gefunden. Die Verwaltung weist den Sozialausschuss hin, dass einige private Unterkünfte nicht dauerhaft zur Verfügung stehen. Für deren Bewohner wird die Stadt Kreuztal ebenfalls noch Wohnraum beschaffen müssen.91 Kinder sind aus der Ukraine nach Kreuztal gekommen: 18 unter sechs Jahre, 31 im Grundschulalter bis zehn Jahre, 42 sind elf bis 18 Jahre alt. Unter den 126 Erwachsenen sind fünf zwischen 65 und 70, vier 71 bis 75 und fünf 76 Jahre alt und älter.

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Ukrainische Fachkräfte – bürokratische Hürden

In Kreuztal sind 19 Kinder aus der Ukraine im Kita-Alter, darunter sechs Vorschulkinder, von denen erst eins einen Kita-Platz bekommen hat. „Schade, dass die Kinder noch nicht versorgt werden konnten“, sagt Stadträtin Blümel – den Einrichtungen fehlt auch das Personal. Tibor Zachar (FDP) fragt, ob ukrainische Fachkräfte in den Kitas eingesetzt werden können. Nicht ohne den Nachweis der Qualifikation, antwortet Ralf Pohlmann. Die Kita-Träger würde die Verstärkung gern annehmen, das Landesjugendamt werde dann aber die Kosten nicht übernehmen. „Das ist ernüchternd.“ Edelgard Blümel teilt diese Einschätzung: Auch hier würden schwer überwindbare bürokratische Hürden aufgestellt. „Wir sind in Deutschland sehr unbeweglich."

An den Grundschulen bisher 17 Kinder untergebracht, acht werden demnächst eingeschult. 22 Kinder durchlaufen gerade die Willkommensklasse an der Gesamtschule..

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