Kredenbach. Keiner weiß was kommt, die Flüchtlingszahlen aus der Ukraine steigen in Siegen-Wittgenstein – Krankenhaus Kredenbach dafür „unglaublich wichtig“.

Der Staat weiß nicht wie es weitergeht; Kreis und Kommunen bereiten sich aber vor, tun ihr Möglichstes, um sich auf viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine vorzubereiten. Zur Entlastung der Städte und Gemeinden bei der Unterbringung und Versorgung der Menschen hat der Kreis auf Bitten der Bürgermeisterkonferenz das ehemalige Krankenhaus in Kredenbach erneut aktiviert. Noch in dieser Woche dürften die ersten Ukrainer hier unterkommen.

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Rund 2000 Menschen aus der Ukraine halten sich aktuell im Kreis auf, es werden jeden Tag mehr. Das Land rechnet mit bis zu 500.000 Geflüchteten in NRW; für Siegen-Wittgenstein bedeutet das etwa 8000 Personen. „Eine Kommune von der Größenordnung Erndtebrücks“, sagt Landrat Andreas Müller. „Eine riesige Herausforderung.“ Allein für Siegen, rechnet Bürgermeister Steffen Mues, macht das rund 3000 Menschen: „Das spitzt die Wohnungssituation zu, ein Puffer wie Kredenbach ist für die Kommunen unglaublich wichtig.“ Sollten es 3000 werden, „habe ich im Moment keine Fantasie, wie das funktionieren soll“.

Kommunen in Siegen-Wittgenstein seit zwei Jahren im Krisenmodus

„Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ist groß“, sagt Kreuztals Bürgermeister Walter Kiß, täglich erhalte man neue Angebote für Wohnraum. Er appelliert, wie alle seine Amtskollegen, weiterhin etwa Einliegerwohnungen an die Behörden zu melden – etwa an . Die Stadt Siegen leistet derzeit den Großteil der Koordinierungsarbeit für den ganzen Kreis.

Erst im Herbst 2020 hatte der Kreis Siegen-Wittgenstein das Kredenbacher Krankenhaus an die Diakonie zurückgegeben.
Erst im Herbst 2020 hatte der Kreis Siegen-Wittgenstein das Kredenbacher Krankenhaus an die Diakonie zurückgegeben. © Hendrik Schulz

Geeigneten Wohnraum zu finden und herzurichten binde derzeit enorme Kapazitäten in den Verwaltungen – dazu Fragen wie Kita, Schule, Gesundheitssystem. Alles in einer Situation, in der das Grundsystem nicht gerade entspannt ist, betont der Landrat: „Die Verwaltungen arbeiten seit zwei Jahren hoch belastet im Krisenmodus.“ „Das braucht Leute, die über das normale Maß hinaus engagiert sind“, lobt Kreuztals Bürgermeister Walter Kiß. Die Belastungen sind dabei durch die zur Zeit meist selbst organisierte Anreise der Geflüchteten sehr unterschiedlich verteilt, das dürfte sich durch die offiziellen Zuweisungen ändern. In Siegen etwa kommen aktuell überproportional viele Ukrainer an.

Diakonie und Kirchenkreis Siegen: Kredenbach ein „bescheidener Beitrag“

Im Herbst 2020 erst hatte der Kreis die ehemalige Klinik in Kredenbach zurück an die Diakonie als Eigentümerin übergeben – als Corona-Ausweichklinik wurde sie nicht benötigt. Im Hauruck-Verfahren wurde sie nun zur Flüchtlingsherberge: Die Bürgermeisterkonferenz hatte den Kreis um Hilfe gebeten bei der Suche nach einem Puffer, wenn die Unterbringung vor Ort nicht ad hoc klappt. „Das macht Siegen-Wittgenstein aus“, sagt Siegens Bürgermeister Steffen Mues – sachorientierte Zusammenarbeit in einer solchen Lage, „das ist sonst nicht immer so.“

Der Kreis wandte sich an die Diakonie, die umgehend – binnen Stunden – ihre Hilfe zusicherte. Ohne Vertrag, per Handschlag, auf Vertrauensbasis, loben die Verwaltungschefs. „Ein bescheidener Beitrag“, sagt Peter-Thomas Stuberg, Superintendent des Kirchenkreises, für die Diakonie. Er hoffe, dass das ehemalige Krankenhaus für die Geflüchteten ein Ort der Genesung, Erholung und womöglich auch ein Stück Gesundung sein könne; dass hier Ruhe, Sicherheit und Geborgenheit für die vielfach traumatisierten und erschöpften Menschen geboten werden könne.

Ehrenamtliche betreuen ukrainische Flüchtlinge in Kredenbach rund um die Uhr

Platz für 270 Menschen in unterschiedlichen Zimmergrößen bietet das ehemalige Krankenhaus im Regelbetrieb, im Notfall könnten weitere 50 Betten aufgestellt werden, sagt Kreisbrandmeister Bernd Schneider. 2780 Quadratmeter auf drei Etagen stehen zur Verfügung.

Im Grunde funktioniert der Betrieb wie eine Jugendherberge: Die Menschen aus der Ukraine werden versorgt, wenn sie etwas benötigen, können sie alles Lebensnotwendige an Depots erhalten.
Im Grunde funktioniert der Betrieb wie eine Jugendherberge: Die Menschen aus der Ukraine werden versorgt, wenn sie etwas benötigen, können sie alles Lebensnotwendige an Depots erhalten. © Hendrik Schulz

Feuerwehr, THW, DRK und Malteser übernahmen die Herrichtung des Gebäudes und stellen auch in den ersten Tagen den Betrieb rund um die Uhr sicher, bis eine hauptamtliche Struktur etabliert ist. Ehrenamtlich, zusätzlich zur Arbeit, betonen die Verantwortlichen. „Das Ehrenamt hat in Gänze gezeigt, wie unverzichtbar und verlässlich es ist“, lobt der Landrat. Auch hier.

Siegen nimmt Puffer-Unterkunft in Kredenbach wohl als erste Stadt in Anspruch

Siegen dürfte die erste Kommune sein, die die „Pufferunterkunft“ in Anspruch nimmt – eigentlich war das schon für Dienstag geplant, für die Menschen konnte aber doch kurzfristig Wohnraum gefunden werden. Gelingt das nicht, werden die Menschen nun nach Kredenbach gebracht. Nach einem Corona-Schnelltest werden die Neuankömmlinge registriert, verpflegt und erhalten ein Zimmer, es folgen medizinische Grunduntersuchungen, Masernimpfung, Tuberkulose-Check.

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Im Grunde funktioniert der Betrieb wie eine Jugendherberge – alles inklusive. Pro Zimmer gibt es bis zu sechs Betten, Dusche und WC, Getränke, Hygieneartikel und Verpflegung werden gestellt und an zentralen Depots bei Bedarf ausgegeben. Die Internetanbindung wurde verbessert – mit das Wichtigste für die Geflüchteten ist der Kontakt zu den Angehörigen zuhause. Gesundheits-, Jugend-, Veterinäramt haben eigene Räume; Spielzimmer, Hundezwinger, Corona-Isolierzimmer. Die Menschen können bleiben, so lange es dauert, Wohnraum für sie zu finden. „Wir rechnen mit häufigen Wechseln“, sagt Bernd Schneider. Und die Suche geht weiter. Keiner weiß, was kommt.