Siegen. Der Ukrainekrieg verunsichert viele Menschen. In Siegen gibt es noch Bunker – aber biete die im Fall eines Angriffs Schutz? Das ist die Lage.

  • Bunker in Siegen: Viele Menschen sind durch den Ukrainekrieg verunsichert.
  • Gibt es in Siegen überhaupt noch funktionierende Bunker?
  • Viele Menschen in Siegen und Umgebung stellen auch die Frage nach Bunkern: Wie ist die Kommune auf einen - wenn auch hypothetischen - Angriff vorbereitet?

In Siegen gibt es nur noch einen einzigen Bunker mit Zivilschutzbindung – in der Höhstraße am Schlosspark mit Platz für lediglich 650 Menschen. Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine stellen sich allerdings auch in Siegen und Umgebung Menschen die Frage, ob und wie die Kommunen auf einen – wenn auch hypothetischen – Angriff vorbereitet sind. Ein Überblick.

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Siegen: Was wurde aus den Schutzräumen und Bunkern ...

… aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Kriegs?

„Öffentliche Schutzräume wie z. B. Luftschutzbunker gibt es nicht mehr“, heißt es dazu auf der Homepage des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), der zuständigen Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Bund und Länder hätten im Jahr 2007 gemeinsam beschlossen, die öffentlichen Schutzräume nicht weiter zu erhalten. Begründung: „Mit dem Fall der Mauer und der Beendigung des Ost-West-Konflikts schien das Szenario eines konventionellen Krieges mit großflächigen Bombardierungen und dem Einsatz chemischer und nuklearer Waffen nicht mehr zeitgemäß.“

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Die Objekte wurden für neue Nutzungen freigegeben. In Siegen etwa sind „bis auf die Höhstraße alle Bunker … veräußert worden und/oder werden größtenteils für private Zwecke genutzt“, wie die Stadt auf Anfrage mitteilt. Das betrifft zehn Hoch- und zwei Tiefbunker. In einigen Fällen – auch in den oberen Etagen an der Höhstraße – entstanden Wohnungen, andernorts auch Büro- oder Probenräume. Die beiden Hochbunker an der Burgstraße sind für die Erweiterung des Siegerlandmuseums vorgesehen. Ein Problem, dem sich Kommunen gegenübersahen: Der Unterhalt der zumeist riesigen Bunkeranlagen war kostspielig, der Abriss wäre angesichts der massiven Bausubstanz teuer geworden. Der Verkauf erschien also nach der allgemeinen Aufhebung der Zivilschutzbindung in vielen Fällen als höchst vernünftige Option. Abgesehen davon war und ist fraglich, ob die teils jahrzehntealten Gebäude im Falle eines Angriffs mit modernen Waffen überhaupt ausreichend Schutz geboten hätten.

Bunker in Siegen: In die beiden Hochbunker an der Burgstraße soll die Erweiterung des Siegerlandmuseums einziehen.
Bunker in Siegen: In die beiden Hochbunker an der Burgstraße soll die Erweiterung des Siegerlandmuseums einziehen. © WP | Florian Adam

Siegen: Seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine ist oft von einer Zeitenwende ...

… die Rede. Könnte damit nicht ein neuer Bedarf für Schutzräume verbunden sein?

„Dass Deutschland vor dem Hintergrund des bewaffneten Konflikts in der Ukraine einem Luftangriff ausgesetzt sein wird, ist unwahrscheinlich“, schreibt das BBK. „Dennoch stellt man sich natürlich die Frage nach Schutzräumen, sollte es soweit kommen“, heißt es im Nachsatz. „Ich glaube nicht, dass wir in eine Situation kommen, in der wir uns Bunker herbeisehnen“, sagt auch Thiemo Rosenthal, Dezernent für Gesundheit, Sicherheit und Bevölkerungsschutz beim Kreis Siegen-Wittgenstein.

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Zuständig für „Zivilschutz“ – also die nicht-militärischen Maßnahmen etwa bei Naturkatastrophen, technischen Unglücksfällen oder eben Angriffen – ist der Bund (während der „Katastrophenschutz“ in Friedenszeiten den Ländern obliegt). Damit ist auch die Bunkerfrage Bundesangelegenheit. Der Bau neuer Anlagen dürfte aber „nur ganz schwierig umsetzbar sein“, sagt Thiemo Rosenthal. Das fängt schon damit an, dass es gerade in hochverdichteten Bereichen wie Innenstädten kaum geeignete freie Grundstücke gibt. Allerdings gebe es Alternativen, wie der Dezernent anmerkt: in Skandinavien zum Beispiel würden beim Neubau öffentlicher Gebäude Schutzräume unter den Objekten angelegt. Bis auf diese Weise ein ausreichendes Kontingent an Plätzen für die Menschen in einer Region entsteht, vergeht aber naturgemäß eine lange Zeit.

Bunker in Siegen: Im Bunker an der Siegbergstraße sind heute Büros und Wohnungen.
Bunker in Siegen: Im Bunker an der Siegbergstraße sind heute Büros und Wohnungen. © WP | Florian Adam

Siegen: Keine Bunker in Betrieb. Und wo finden Menschen im Ernstfall Schutz?

„Guten Schutz bietet generell die vorhandene Bebauung, sowohl vor fliegenden Objekten als auch vor Kontamination mit chemischen oder nuklearen Stoffen“, schreibt das BBK. „Im Fall eines Angriffs gehen Sie am besten in einen innenliegenden Raum mit möglichst wenigen Außenwänden, Türen und Fenstern: Glasflächen können bei Explosionen durch die Druckwelle zersplittern und Verletzungen verursachen.“ Wer nicht zuhause ist, sollte in ein Gebäude gehen und Innenräume aufsuchen. Ideal sind laut Bundesamt unterirdische Gebäudeteile.

Wenn es in Siegen mit Schutzräumen schon mau aussieht: Lägen für den Fall ...

… eines Angriffs wenigstens andere Schutzkonzepte vor?

Kurz gesagt: Ja – auch wenn viele davon nicht für diese Situation erstellt wurden. „Wir beschäftigen uns nicht mit Krieg. Das ist auch nicht unsere Aufgabe“, sagt Thiemo Rosenthal. Aber „die Kreise sind zuständig für andere Katastrophenszenarien, die auch kriegsbedingt eintreten können: etwa einen Strom-Blackout.“ Es geht unter anderem um den Schutz sogenannter kritischer Infrastruktur, etwa in Krankenhäusern. Diese verfügten zwar über Notstromaggregate, doch damit deren Funktionieren in extremen Lagen gewährleistet werden kann, ist ein übergeordnetes Treibstoffmanagement erforderlich.

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„Es gibt viele Konzepte, die nicht auf Krieg ausgelegt sind, die wir aber nutzen könnten“, betont Thiemo Rosenthal. Dazu gehört auch, dass der Kreis ein Kontingent an Jod-Tabletten vorhält, inklusive einer Planung, wie diese an die Menschen verteilt werden. Dieser Vorrat besteht aber nicht, um auf einen nuklearen Angriff vorbereitet zu sein, sondern wegen des Risikos von Störfällen in Atomkraftwerken, vor allem dem relativ nah gelegenen Tihange in Belgien.

Auch der Bunker am Kampen in Siegen ist nicht mehr als Schutzraum vorgesehen.
Auch der Bunker am Kampen in Siegen ist nicht mehr als Schutzraum vorgesehen. © WP | Florian Adam

Sollten sich die Menschen in Siegen mit Vorräten eindecken …

… oder wäre das „Hamstern“?

Das BBK betont, dass „ein kluger Vorrat wirklich Sinn macht“, weil Katastrophen wie großflächige Stromausfälle, Hochwasser, heftige Stürme oder ähnliche Fälle eintreten können – und in Deutschland als wahrscheinlicher gelten als ein militärischer Angriff. Ein geplanter Notvorrat sei dabei nicht gleichzusetzen mit Hamstern – denn „,Hamsterkäufe’ sind impulsiv und wenig durchdacht“, so das BBK. Der angemessene Notvorrat sollte kontinuierlich stabil gehalten, in den täglichen Verbrauch integriert und nicht erst angelegt werden, wenn der Notfall eintritt. Das BBK empfiehlt, genügend haltbare Lebensmittel und vor allem Wasser im Haus zu haben, um zehn Tage überbrücken zu können.

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