Siegen-Wittgenstein. Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat die Generation 65+ und Pflegeanbieter nach Einschätzungen zur Pflege gefragt. Manche Ergebnisse überraschen.
Die über 65-Jährigen im Kreisgebiet möchten auch im Pflegefall in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben, sind ziemlich onlineaffin und wissen über die lokalen Beratungsmöglichkeiten für speziell ihre Altersgruppe oft kaum bescheid. Das geht aus der „Senioren- und Pflegeanbieterbefragung im Kreis Siegen-Wittgenstein 2021“ hervor, deren Ergebnisse sich der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Bevölkerungsschutz vorstellen ließ.
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Der Kreistag hatte die „qualitative und quantitative Befragung“ im September 2019 in Auftrag gegeben, „um für zukünftige Planungen über eine breitere Datenbasis zu verfügen“, wie die Verwaltung erläutert. Die Aufgabe wurde Anfang 2020 dem SOKO Institut aus Bielefeld übertragen. Wegen der Pandemie startete die Umsetzung im August 2021. Die Befragung ist in zwei Blöcke gegliedert: Teil 1 richtete sich an über 65-Jährige, Teil 2 an Pflegeanbieter.
Seniorenbefragung in Siegen und Umgebung: Wohnsituation und Barrierefreiheit
914 Fragebögen kamen ausgefüllt zurück. Das entspricht einem Rücklauf von 31,4 Prozent und sei ein „Hinweis auf die Relevanz des Themas für die Senioren im Kreis“, wie es in der Präsentation heißt. Etwas unterrepräsentiert seien Menschen mit Migrationshintergrund, die Generation Ü80 und „Pflegebedürftige mit hohem Pflegebedarf, da nur Personen in Privathaushalten befragt wurden“.
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77,6 Prozent der Befragten besitzen Wohneigentum oder wohnen mietfrei. Mehr als 80 Prozent „haben keinerlei Pläne, ihre Wohnsituation zu verändern“. Dabei werde die „Barrierefreiheit des eigenen Wohnraums… bei gleichzeitigen Informationsdefiziten systematisch überschätzt“, wie der Kreis anmerkt.
26 Prozent der Antwortenden leben allein.
Seniorenbefragung in Siegen und Umgebung: Kaum jemand will ins Pflegeheim
4,9 Prozent möchten laut Umfrageergebnis in einem Pflegeheim versorgt werden. 61,1 Prozent ziehen die Versorgung durch ambulante Pflegedienste vor, 38,3 Prozent durch die Familie. Zum Zeitpunkt der Befragung erhielten 34 Prozent Unterstützung durch Kinder oder Partnerinnen beziehungsweise Partner.
75 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen und Teilnehmer nutzen nach eigenen Angaben digitale Medien, etwa 66 Prozent das Internet. 30 Prozent schätzten ihre diesbezüglichen Kenntnisse als „mittelmäßig“ ein. Diejenigen, die keine digitalen Medien verwenden, geben „fehlendes Wissen“ (17,2 Prozent) und „komplizierte Bedienung“ (15,4 Prozent) als Gründe an.
Seniorenbefragung in Siegen und Umgebung: Beratungsstellen sind kaum bekannt
80 Prozent der über 65-Jährigen sind mit der ärztlichen Versorgung zufrieden, 78 Prozent mit Einkaufsmöglichkeiten vor Ort und 60 Prozent mit den Pflege- und Betreuungsangeboten. 65 Prozent „würden im Bedarfsfall kostenpflichtige Hilfeangebote (z.B. Haushaltshilfe) nutzen“, so die Verwaltung.
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27 Prozent gaben an, dass sie die Senioren-Service-Stellen kennen – was diese Einrichtungen trotz des eher niedrigen Ergebnisses zum Beratungsangebot mit dem höchsten Bekanntheitsgrad macht. Alle anderen Services und Anlaufstellen – Pflegeberatung, Wohnberatung, Teilhabe-Beratung – „sind mehrheitlich unbekannt“, wie es in der Präsentation heißt. 41 Prozent kennen keine Fördermöglichkeiten für barrierefreies Wohnen, 33 Prozent haben nach eigenem Bekunden Informationsbedarf zu Leistungen der Pflegeversicherung. Erste Anlaufstelle bei Fragen zur Pflege sind für Seniorinnen und Senioren Hausärzte und -ärztinnen (51,3 Prozent), „nur 16,4 Prozent nennen die Kreisverwaltung“. Und 9,1 Prozent kennen überhaupt keine Informationsquellen.
Pflegeanbieter in Siegen und Umland: Fachkräftemangel ist größte Herausforderung
10 Pflegeakteure wurden für die Befragung interviewt. Dies sei eine „hohe Teilnahmebereitschaft trotz starker zeitlicher/beruflicher Belastungen“, schreibt der Kreis. Dabei habe sich eine Diskrepanz gezeigt, denn die Anbieter berichteten von einer „Zuspitzung der Versorgungslage“, wie den Ausführungen zu entnehmen ist. Diese Einschätzung „steht im Kontrast zu positiven Rückmeldungen der Seniorenbefragung zur Versorgungssituation“. Aktuell werde die Lage zwar auch von den Profis als „gut, jedoch als zunehmend problematisch eingestuft“.
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100 Prozent der Interviewpartnerinnen und -partner nannten den Fachkräftemangel in der Branche als „die große Herausforderung“. Dabei ginge es nicht so sehr um Geld: „Schlechte Bezahlung spielt dabei immer eine geringere Rolle, ausschlaggebend sind die Arbeitsbedingungen.“
Pflegeanbieter in Siegen und Umland: Wartelisten werden länger
6 Befragte gingen von einer derzeit bedarfsdeckenden Versorgung in Bezug auf Pflegebedürftige mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen aus – die übrigen vier äußerten eine gegenteilige Einschätzung. Vor allem ging es bei diesem Punkt um Angebote für Menschen mit Demenz. Auf die Gesamtsituation bezogen sahen die an der Befragung teilnehmenden Anbieter die Bedarfe in der ambulanten und stationären Pflege nicht gedeckt; Wartelisten würden länger, Anfragen müssten abgelehnt werden, außerdem fehlten Kurzzeitpflegeplätze.
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Der Kreis prüft die Empfehlungen des SOKO-Instituts, die Ergebnisse beider Befragungsteile sollen in Planungsprozesse einfließen. Zentrale Themen seien „mehr Vernetzung mit Akteuren und Betroffenen vor Ort“ und der Abbau von Informationsdefiziten. Die Pflegeanbieter, die sich an der Befragung beteiligten, sehen „aktuell wenig Spielraum für den Kreis und eher die ,bislang wirkungslose Bundespolitik’ in der Verantwortung“, so die Verwaltung.
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