Siegen. „Laternchens Weinliebe“ in der Siegener Oberstadt kämpft mit dem Personalmangel nach Corona. Gäste wären genug da, aber jemand muss sie bedienen.

  • In der Corona-Pandemie orientieren sich viele Aushilfs-Kräfte aus der Gastronomie neu
  • Für Denise Weingarten wird es immer schwieriger, Schichten zu besetzen
  • Veränderungen in der Siegener Restaurantlandschaft werden spürbar

Viele Arbeitstage beginnen um 9 Uhr. Bestellen, organisieren, Aushilfen anfragen, Essen vorbereiten, kochen, Theke und Toiletten fertig machen, Reservierungen entgegennehmen. Abends dann öffnen. Das braucht eigentlich mehr als nur zwei Arbeitskräfte, oft genug hatte Denise Weingarten aber nur ihre Auszubildende zur Verfügung, um „Laternchens Weinliebe“ zu öffnen. Wenn Corona sie ließ.

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Über zu wenig Gäste kann sich die Gastronomin eigentlich nicht beschweren, Pandemie hin oder her. Sie kann trotzdem nur vier Tage die Woche öffnen. „Wo soll ich denn die Leute hernehmen?“, fragt Weingarten und hat nicht wirklich eine Antwort darauf. Ihre Auszubildende ist fertig, wird bald Mutter. Der Personalmangel trifft die Gastronomie inzwischen mit voller Wucht. So gut wie alle Restaurants, Bars, Kneipen, Imbisse, suchen händeringend Personal.

Corona-Lockdowns treiben Personal von der Gastronomie weg in andere Branchen

Seit zehn Jahren zeichnet sich der Fachkräftemangel in der Gastrobranche ab; dass es immer weniger gelernte Kräfte, immer weniger Aushilfen gibt, sagt Denise Weingarten. Der Job war zu unattraktiv – die Arbeitszeiten, die Bezahlung. Beim Geld ist Besserung in Sicht, die Ausbildungsvergütung soll perspektivisch deutlich steigen, aber die Corona-Zwangspausen haben viele Beschäftigte von der Gastronomie weg und in andere Branchen getrieben. Gerade Aushilfen zu bekommen ist für Restaurantchefs wie Denise Weingarten ein täglicher Kampf. Vor Corona hatte sie noch ein festes Team, während der Lockdowns wanderten viele ab, suchten sich etwas anderes.

„Laternchens Weinliebe“ befindet sich in einem der ältesten und schönsten Häuser der Siegener Altstadt..
„Laternchens Weinliebe“ befindet sich in einem der ältesten und schönsten Häuser der Siegener Altstadt.. © Florian Adam

Gastronomie muss man wollen, das war immer schon so. „Man braucht wirklich Bock drauf“, sagt Weingarten, „es ist wie eine Sucht“. Lange waren Studierende zuverlässige Aushilfs-Kräfte für die Gastronomie, aber das hat sich geändert. Nicht nur, weil wegen Corona auch die Uni lange zu war und viele Studis gar nicht erst nach Siegen zogen. Viele fahren an den Wochenenden lieber nach Hause, hat Denise Weingarten beobachtet, oder sind nicht mehr angewiesen auf einen Nebenjob für den Lebensunterhalt. Wenn sie beim Dienstplanschreiben ihre Leute fragt, wer Zeit hat, eine offene Schicht zu übernehmen, komme da manchmal gar nichts. Die Prioritäten liegen wohl woanders, seufzt sie.

Zwei Azubis und eine feste, eingearbeitete Aushilfe für ein paar Abende in der Woche – das wäre aktuell Weingartens Wunsch. „Nicht alle paar Wochen mal einen Samstag.“

Für entspannten Betrieb bräuchte „Laternchens Weinliebe“ in Siegen 3 Leute – Minimum

„Laternchens Weinliebe“ ist ein Ausbildungsbetrieb, Denise Weingarten arbeitet seit Langem gut mit der DAA (Deutsche Angestellten-Akademie) zusammen. Gerade erst hat sie über die Bildungseinrichtung einen neuen Auszubildenden bekommen, der die Lehre nach seinem Praktikum beginnt. Einarbeitung muss sein: „Es liegt an mir, ihnen den Weg zu zeigen, wie sie gute Gastronomen werden können“, findet sie. Jeder ist anders, völlig klar, „wir gucken gemeinsam, wie wir das schaffen. Wir sind ein Team, wir funktionieren nur zusammen.“

Das „Laternchen“

Die Wein- und Tapas-Bar und -Restaurant im historischen Ambiente des mehr als 200 Jahre alten, denkmalgeschützten Gebäudes an der Löhrstraße 37 ist derzeit mittwochs bis samstags ab 18 Uhr geöffnet.

Kontakt unter 0271/67346790.

Mehr Informationen und die aktuelle Speisekarte gibt es auf laternchens-weinliebe.de.

So wie ihre bisherige Auszubildende und sie – „wir sind Maschinen“, sagt Weingarten und grinst kurz. Ein eingespieltes Team, das den Laden im Zweifel eben auch mal zu zweit stemmte. 80 Essen, dazu die Theke und Service – „das klappt nur dann“, sagt sie, weil sie schnell ist, ihr eigenes System verinnerlicht hat. Vernünftig und entspannt arbeiten, ohne permanenten Vollstress: „Minimum drei Leute“, sagt Weingarten. In Unterbesetzung hängt man sonst permanent drei Schritte hinterher. Die Gäste sollen Stress ja vor allem auch nicht mitbekommen. Sonst gibt’s hinterher noch negative Bewertungen bei Google. Alles vorgekommen.

Arbeit soll Spaß machen und nicht Stress. „Ich will den Azubis etwas beibringen – zwei Schritte vorneweg sein.“ Wenn die Abläufe stimmen, die Arbeitsorganisation passt, dann entsteht kein Problem. Dann macht der Job Spaß; dann entsteht die Sucht, das Besondere am Arbeiten in der Gastronomie. Mit mehr Geld in der Tasche wird die Branche, hofft Denise Weingarten, auch wieder attraktiver. Sie muss dann selbst tiefer in die Tasche greifen. „Aber am Ende des Tages werden wir nur so Leute in den Beruf bekommen.“

Hoffen auf den Uni-Umzug nach Siegen – Mensa verhagelt derzeit das Mittagsgeschäft

Wie gesagt: Zu tun ist genug, die Gäste kommen. Seit 2G vor allem am Wochenende, da ist „Laternchens Weinliebe“ oft ausgebucht. Unter der Woche ist es ruhiger, viele Betriebe mussten die Öffnungszeiten anpassen, auch Denise Weingarten. Überall in der Siegener Innenstadt ist mittags zu, wurden Ruhetage ausgeweitet – weil kein Personal da ist. „Es lohnt einfach nicht für drei Tische mittags“, sagt sie. „Das Geschäft ist komplett eingebrochen.“ Wie viele Kolleginnen und Kollegen aus der Siegener Innenstadt setzt auch Denise Weingarten gewisse Hoffnungen in den weiteren Uni-Umzug, der in der Tat einigen Publikumsverkehr auch in die Oberstadt bringen dürfte. Bisher, so sehen es viele Gastronomen, verhagelt die neue Mensa den Betrieben eher das Mittagsgeschäft.

Für den Beruf werben: „Man kann sich in jeder Branche weiterbilden“, sagt Denise Weingarten mit Blick auf den nach wie vor steigenden Akademisierungsgrad in Deutschland. Betriebliche Ausbildungen haben es schwer, während Studiengänge verschiedenster Coleur nur so aus dem Boden sprießen. Gelernte Köche, die in Siegener Restaurants arbeiten, könne man an wenigen Fingern abzählen. Aber Karriere geht auch ohne Uni. Wer in der Gastronomie anfängt, muss nicht 30 Jahre im Service bleiben. „International sind gelernte Gastro-Fachkräfte aus Deutschland gern gesehen. Die Schweizer prügeln sich heute noch um die Deutschen. Wir haben eine gute Ausbildung“, sagt Weingarten und spricht aus Erfahrung. Fachkraft bleibt immer Fachkraft, das kann einem keiner mehr nehmen. Entsprechend ist auch die Bezahlung.

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Die Mehrwertsteuersenkung muss langfristig bleiben, fordert Denise Weingarten. „Das bringt am Ende des Tages effektiv etwas“, nämlich 12 Prozent. Dafür kämpft die Dehoga seit Jahren, „das muss so bleiben.“ Irgendwie müssen Nachwuchskräfte bezahlt werden, wenn sie sich denn finden.