Netphen. Gastronomen im Siegerland haben weiter Probleme, Mitarbeiter zu finden. In der Pizzeria „franco“ in Netphen hat ein Einsatz das „Lokal gerettet“.

Für viele Menschen sind die Corona-Beschränkungen weitgehend aufgehoben – lange schöne Abende mit gutem Freunden und gutem Essen im Restaurant sind wieder möglich. In der Gastronomie fehlt es aber immer noch an Personal. „Überall in den Betrieben werden händeringend Mitarbeiter gesucht“, sagt Lars Martin, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) Westfalen. Die Lage sei nach wie vor dramatisch – das berichten auch zwei Gastronomen aus Netphen.

Personalmangel in Hotels: So geht es dem Hotel „Ewerts“ in Netphen

Das Hotels „Ewerts“ hat eine belastende Zeit hinter sich. „Lange durften wir nur Geschäftsreisende empfangen“, erinnert sich Inhaberin Andrea Dielmann (47). Dadurch seien Umsatzeinbußen entstanden, weshalb das Hotel einige geplante Investitionen erst mal auf Eis gelegt habe.

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Ein akuter Personalmangel bestünde zwar nicht, doch die letzte Suche nach einer geeigneten Mitarbeiterin nach dem Lockdown habe sich ziemlich lange hingezogen. „Wir merken aber, dass die Leute wieder bei uns übernachten wollen. Das macht uns Mut, nach vorne zu schauen“, erzählt sie. Der Umgang mit den Gästen habe dem Personal gefehlt.

Netphen: Neustart nach Corona-Lockdown – so geht es der Pizzeria „franco“ in Netphen

Der Neustart nach dem zweiten Lockdown war auch für Francesco Patitucci (60), Inhaber von „franco – Ristorante und Pizzeria Riviera” in Dreis-Tiefenbach, eine schwierige Zeit. Der provisorische Pizza-Lieferdienst habe geholfen, das Restaurant über Wasser zu halten, könne den Betriebsumsatz aber nicht ersetzen. Die Gäste bräuchten nicht nur gutes Essen, sondern das Flair und Restaurantambiente.

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„Wenn jemand hier zum Essen kommt, verzehrt er vielleicht eine Vorspeise, dann das Hauptgericht und auch schon mal ein Dessert”, erzählt Francesco Patitucci. Daher freut sich der Inhaber, dass er seine Gäste unter Einhaltung der 3G-Regel wieder willkommen heißen darf. „Wir leben für unsere Gäste”, sagt er. „Sie bringen die Freude an unserem Beruf zurück und geben uns viel Bestätigung nach der sehr schwierigen Zeit.”

Siegerland: Das sind die aktuelle Probleme in der Gastronomie

Die Grundursache für den massiven Personalmangel sieht Lars Martin darin, dass es aktuell zu wenig Arbeitskräfte in Deutschland gäbe. Das sei ein generelles Problem bundesweit, aber Corona habe es weiter verschärft und in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die Politik müsse sich für dieses Problem schnell etwas einfallen lassen. „Wir entwickeln uns gerade weg vom Industrieland. Der Dienstleistungssektor wird immer wichtiger in unserer Gesellschaft.“ Es mangele vor allem an Köchen und Service-Aushilfskräften auf 450-Euro-Basis, so der Branchenexperte. Viele der Beschäftigten in der Gastronomie hätten sich während der Corona-Zwangspause beruflich umgestellt und andere Branchen für sich entdeckt. Die Unsicherheit sei nach den Erfahrungen im letzten Lockdown bei vielen ehemaligen Arbeitskräften der Gastronomie nach wie vor sehr hoch, so Martin.

Großteil hat Verständnis

Die 3G-Kontrollen gestalten sich manchmal schwierig, berichten die befragten Gastronomen. Die Mehrzahl der Gäste habe Verständnis für die Maßnahmen und zeige gerne ihren Nachweis vor. Aber bei manchen führe die Kontrolle zu unangenehmen Diskussionen. „Tut weh, wenn man Leute abweisen muss, die dann woanders Essen gehen”, sagt Francesco Patitucci.

Während der Pandemie sind auch zwei Mitarbeiter aus der Küche in Francesco Patituccis Restaurant abgesprungen, die bis jetzt nicht ersetzt werden konnten. Die Aushilfskräfte im Service konnte die Pizzeria aus finanziellen Gründen nicht weiter beschäftigen. Jetzt findet Francesco Patitucci kein Personal mehr. „Vor der Pandemie haben bei uns immer drei bis vier Studierende im Service oder als Barkeeper gearbeitet”, erzählt der Inhaber. In der Küche ist vorerst seine Frau als gelernte Köchin eingesprungen. „Damit hat sie unser Lokal gerettet”, betont Francesco Patitucci. Er ist überwiegend für den Service verantwortlich. „Irgendwie läuft es zwar mit viel Stress und mehr Schmerzen, aber es funktioniert.” Die Pizzeria ist dringend auf der Suche nach Helfern für die Küche und nach Restaurantfachkräften.

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Francesco Patitucci geht davon aus, dass die Arbeitskräfte, die sich während der Pandemie umorientierten, nicht wieder zurückkommen werden. Die Stundenlöhne in der Gastronomie seien zu gering und auch an die Arbeitszeiten müsse man sich gewöhnen. „Wir müssen arbeiten, wenn andere Feiern wollen. Egal, ob am Wochenende oder an Feiertagen”, erwähnt er. Das Berufsfeld müsse vor allem für Jüngere finanziell attraktiver gemacht werden. „Es handelt sich um ein spannendes, schönes und abwechslungsreiches Berufsfeld”, betont Andrea Dielmann. Die Gäste müssten nur bereit dazu sein, das Personal ausreichend für seine Arbeit zu honorieren.

Siegerland: Personalmangel in der Gastronomie – die Lösungen

Lars Martin betont, dass es an der Zeit für ein Umdenken in der Branche sei. Man brauche flexiblere Arbeitszeiten und verlässlichere Löhne. Er fordert deshalb ähnlich wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Verhandlungen für neue Tarifverträge und ein flexibleres Arbeitszeitengesetz, das den Wünschen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer entgegenkomme.

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Aber das Grundproblem – zu wenig Arbeitskräfte – werde dadurch nicht gelöst. Lars Martin ist sich sicher, dass der Mangel erstmal anhalten wird, da der Bedarf so hoch sei. Hinzu kämen die allgemein schwierigen Rahmenbedingungen in der Gastronomie. „Die Unternehmen müssen in Zukunft die Arbeit attraktiver gestalten“, appelliert er. Ohne mehr Anreize und Lösung der Politik wird sich diese Auswirkung der Pandemie langfristig in der Branche bemerkbar machen. Francesco Patitucci und Andrea Dielmann hoffen darauf, dass es im Winter nicht wieder zum Lockdown kommt. Die Freude über den mittlerweile fast „normalen” Betrieb ist bei beiden groß.