Siegen-Wittgenstein. Im Fall der Familie Muradi stellt sich Siegen-Wittgensteins Landrat Andreas Müller vor die Mitarbeitenden der Ausländerbehörde.

Der Landrat hat das Vorgehen der Kreisausländerbehörde im Fall Muradi verteidigt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten auf Basis einer gerichtlich bestätigten Rechtslage handeln müssen, bekräftigte Andreas Müller im Kreisausschuss für Soziales, Gesundheit und Bevölkerungsschutz. Als ihr Dienstherr habe er zudem eine Fürsorgepflicht für die Beschäftigten, die sich teils heftiger Angriffe in den sozialen Netzwerken ausgesetzt gesehen hätten, Müller sprach von „online zur Hetzjagd freigegeben“.

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Ausländerbehörde: „Überwiegend sehr schöner Job“

Die Kreisausländerbehörde mache ihren Job, der überwiegend ein sehr schöner sei, wie der Landrat betonte: Menschen willkommen heißen, Einbürgerungen vollziehen, Duldungen aussprechen. Gleichzeitig sei die Behörde auch für 500 ausreisepflichtige Personen in Siegen-Wittgenstein zuständig – „das ist der nicht so schöne Teil des Jobs“. Auch wenn dieser Aspekt nur ein kleiner Teil der Arbeit sei, sei er doch maßgeblich mit dafür verantwortlich, dass Stellen in diesen Behörden nicht einfach zu besetzen seien, nicht nur in Siegen-Wittgenstein.

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Sevine Muradi im Kreishaus Siegen: „Ereigniskette in Gang gesetzt“

Müller bemühte sich einmal mehr, die Alternativlosigkeit der Vorgehensweise aufzuzeigen, als Sevine Muradi am Freitag, 11. Februar, im Siegener Kreishaus mit dem Ziel der Abschiebung in Gewahrsam genommen worden war. Zunächst einmal sei es keine Verhaftung gewesen, wie vielfach in der Öffentlichkeit, auch von politischer Seite, kolportiert; Sevine Muradi sei nie in einer Zelle bei der Kreispolizeibehörde oder auch nur in Handschellen gewesen. Ohnehin sei es nicht ihr Termin gewesen: Eigentlich sollte ihr Mann wegen einer Ausbildungsduldung im Kreishaus vorsprechen – stattdessen erschien seine Frau, begleitet von Äußerungen, dass man sich der Abschiebung entziehen wolle. „Da greift dann ein Automatismus“, so Andreas Müller. Es sei nicht geplant gewesen, Herrn Muradi bei dessen Termin festzusetzen, aber sein Nichterscheinen, begleitet von besagten Aussagen, habe die Ereigniskette in Gang gesetzt.

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Landrat entscheidet nicht über Abschiebungen

Verwaltungsgerichtlich überprüft und bestätigt sei gewesen, dass die Familie Muradi keine Legalisierungsperspektive für ihren Aufenthalt in Deutschland hatte; dieser Auffassung sei auch die NRW-Landesregierung gewesen, auch wenn mancher Minister seine öffentlichen Äußerungen übers Wochenende ändere. „Ich weigere mich, andere Maßstäbe als im Bundesgesetz festgehalten anzuwenden“, betonte Müller – über diesen Gesetzesrahmen könne man sicher streiten, aber zunächst einmal sei er geltendes Recht.

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Als Landrat und Behördenleiter habe er keine Möglichkeit, über Abschiebungen oder deren Aussetzungen zu entscheiden, die Zahl der Unterstützer, und wie laut diese sich äußern, dürfe keine Rolle spielen, „vor dem Gesetz sind alle gleich“. Der nun eingeschlagene Weg über die Härtefallkommission sei auch aus seiner und der Behördensicht der einzig gangbare Weg.

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Schon Bad Berleburg war ein Fehler

Da ihm mehrfach mangelnde Dialogbereitschaft vorgeworfen und Muradis Ingewahrsamnahme als unverhältnismäßig bezeichnet wurde, verwies Müller darauf, dass er noch in keinem anderen Fall so viele Gespräche geführt habe wie in diesem. Die humanitärste Lösung wäre eine freiwillige Ausreise der Familie gewesen, „die Muradis wissen seit 2019, dass sie das Land verlassen müssen. Das ist keine Neuigkeit der letzten Wochen.“ Das entsprechende Angebot sei ihnen mehrfach unterbreitet und nicht angenommen worden. Das schwerste Versäumnis des Staates sei es gewesen, dass die Muradis Bad Berleburg zugewiesen wurden, obwohl klar war, dass sie keine Bleibeperspektive hatten. Die Verhältnismäßigkeit der Ingewahrsamnahme wurde noch am gleichen Tag vom Amtsgericht Siegen juristisch bestätigt.

Härtefallkommission

Der Petitionsausschuss des Landtags hat sich in der vorigen Woche ein weiteres Mal mit dem Schicksal der Familie Muradi befasst.

Die Abschiebung ist vorerst ausgesetzt, damit die Familie einen Antrag bei der Härtefallkommission des Innenministeriums stellen kann. Sie kann die Ausländerbehörde „ersuchen“, dass die Familie bleiben darf. Folgt die Behörde nicht, muss das Ministerium unterrichtet werden.

Die Politik verwies unter anderem auf das Missverhältnis zwischen Fachkräftemangel und dieser Abschiebung – einerseits werde im Ausland Personal rekrutiert, andererseits gut integrierte, arbeitswillige Menschen abgeschoben. Diese Diskussion gelte es bis zu höchsten Ebenen zu führen, so Müller, wobei klar sein müsse, dass eine Grenze, wer bleiben darf und wer nicht, wohl irgendwo gezogen werden müsse.

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