Weidenau. Digitaler und grüner will das Kreisklinikum Siegen werden, erweitert medizinisches Spektrum, investiert in die Psychiatrie, die Patienten-E-Akte.

Das Kreisklinikum Siegen ist auf Expansionskurs. „Wir könnten mehr Betten gebrauchten“, sagt Geschäftsführer Ingo Fölsing. Das Krankenhaus erweitert seine medizinischen Tätigkeitsfelder und modernisiert interne Strukturen und Prozesse.

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Forschung, Technik, Innovation entwickeln sich mit hohem Tempo, das Kreisklinikum, akademisches Lehrkrankenhaus für die Universitäten Marburg und Bonn, will seinem Anspruch, die medizinische Versorgung für die Zukunft bestmöglich zu sichern, gerecht werden.

Medizinisches Spektrum am Kreisklinikum Siegen für Patientenwohl erweitern

Nach jahrelanger vergeblicher Suche wurde nun die Klinik für Thoraxchirurgie um Chefarzt Dr. Khaled Mardanzai auf- und ausgebaut. Neu im Versorgungsspektrum ist die Adipositas-Abteilung um Dr. Sebastian Dango, laut Prof. Martin Grond, Ärztlicher Direktor, konkurrenzlos in der Region – die Nachfrage sei hoch. Die frisch zertifizierte und erweiterte „Stroke Unit“, die Schlaganfall-Spezialstation, biete ebenfalls weiteres Wachstumspotenzial, das neue Herzkatheterlabor ist jüngst in Betrieb gegangen.

Hier soll das „Bauteil 21“ entstehen, den Spatenstich plant das Kreisklinikum Siegen für 2023.
Hier soll das „Bauteil 21“ entstehen, den Spatenstich plant das Kreisklinikum Siegen für 2023. © Hendrik Schulz

Eine psychiatrische Tagesklinik mit 37 Plätzen im Bereich Grube Neue Haardt soll in Kürze entstehen, „ein Meilenstein“, sagt Landrat Andreas Müller als Vorsitzender der Gesellschafterversammlung. Seit Jahren gebe es einen deutlich erhöhten Bedarf an ambulanten Plätzen in der Psychiatrie, mit entsprechend langen Wartezeiten. Die Versorgungsmöglichkeiten zu erweitern, „wird der Region sehr guttun, so Müller. Das „Zentrum für seelische Gesundheit“ ist gedacht für Patienten, bei denen eine ambulante Behandlung nicht ausreicht, eine vollstationäre Behandlung aber nicht nötig ist. „Unfassbar komplex“, sagt Fölsing über die Vorgeschichte. Das Projektteam kämpfe schon lange gegen Windmühlen und Bürokratie; man hoffe, nun endlich auf der Zielgeraden zu sein.

Kreisklinikum Siegen baut Weaning-Zentrum zur Entwöhnung von Beatmung auf

Ein „Weaning“-Zentrum mit interdisziplinärem Team für sechs Plätze, die erste in der Region, kümmert sich um die Entwöhnung von der Beatmungsmaschine. Bei ansonsten stabilen Patienten, die lange künstlich beatmet wurden, haben sich etwa Muskulatur oder Reflexe zurückgebildet, wie von einer Droge kommen sie nicht weg von der Maschine, erklärt Prof. Grond. Beatmete Langzeitpatienten sind lukrativ, brauchen rund um die Uhr Betreuung, kosten die Kasse rund 350.000 Euro im Jahr. Die Kompetenz rund um die Lunge aus der Corona-Zeit könne hier in ein auch gesellschaftlich relevantes Stück Medizin überführt werden.

Der Platz des Siegener Kreisklinikums auf dem Gelände an der Weidenauer Straße ist begrenzt.
Der Platz des Siegener Kreisklinikums auf dem Gelände an der Weidenauer Straße ist begrenzt. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Das Medizinzentrum als Facharzt-Gemeinschaftspraxis soll weiter aufgestockt werden, Kassensitze sollen gezielt angesiedelt werden, erklärt Ingo Fölsing: Dahinter stehe der Campus-Gedanke, nach dem Motto „Egal was Sie haben, kommen Sie nach Weidenau, wir finden den richtigen Arzt für Sie“.

Neue Gebäude für Kreisklinikum Siegen: Psychiatrie kann nicht saniert werden

Das alles braucht Platz und Geld; das Kreisklinikum ist in sich verwinkelt und verschachtelt. Mittelfristig soll dieser gordische Knoten durchschlagen werden zugunsten besserer räumlicher Aufteilung und optimierter Wegebeziehungen. Nächste große Bausteine:

Psychiatrie: Die hat 140 Plätze, laut Förderbescheid stehen dem Kreisklinikum 160 zu, der Bedarf ist groß. Nach aktuellem Stand ist eine Sanierung des Bestandsgebäudes wirtschaftlich nicht machbar, Abriss und Neubau im laufenden Betrieb ebenfalls nicht ohne weiteres. Zudem ist in einem Flügel die Technik-Zentrale für Energie, Strom, Heizung untergebracht. An einer Lösung arbeitet die Geschäftsführung mit Hochdruck: „Der bauliche Zustand ist Patienten und Beschäftigten nur noch schwer zumutbar“, sagt Ingo Fölsing. Das Land NRW habe über Jahrzehnte die Krankenhäuser, auch in sensiblen Bereichen wie hier, „verrotten lassen“.

So soll das „Bauteil 21“ des Kreisklinikums Siegen von der Weidenauer Straße aus aussehen.
So soll das „Bauteil 21“ des Kreisklinikums Siegen von der Weidenauer Straße aus aussehen. © Kreisklinikum Siegen

Bauteil 21: Der Spatenstich für den Neubau an der Weidenauer Straße ist für 2023 geplant. Das Konzept wurde mit externer Unterstützung nachgeschärft: Kernstück des 24 bis 27 Millionen Euro teuren Vorhabens sind nach wie vor eine Demenzstation sowie ein ambulantes OP-Zentrum. Neben Tiefgarage und weiteren Stellplätzen soll Raum entstehen für ein Restaurant, Ladenzeile, Terrasse und Patientengarten, auch die Ansiedlung weiterer Praxen ist angedacht. Flächen werden vor dem Hintergrund des Projekts „Medizin neu denken“ an die Universität Siegen vermietet, die unter anderem mit ihrem Institut für Gerontologie einziehen und praktische Versorgung und Forschung verknüpfen will.

Müllmengen im Kreisklinikum Siegen sind in der Corona-Zeit explodiert

Digitalisierung und Nachhaltigkeit nehmen breiten Raum der Entwicklung ein: Ökologie soll vor allem bei Neubauten, aber auch energetischer und technischer Sanierung eine wichtige Rolle spielen. Aber auch im medizinischen Alltag. „Die Müllmengen sind in der Corona-Zeit explodiert“, sagt Ingo Fölsing. Das Kreisklinikum will „Green Hospital“ werden, positive Effekten für Klima und Patientenwohl erzielen: Es gibt bereits ein Blockheizkraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung, LED-Beleuchtung, E-Firmenfahrzeuge. Potenziale sieht die Geschäftsführung unter anderem im Abfall- und Abwassermanagement und in der Entsiegelung und Begrünung von Flächen.

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Ein kaufmännischer Direktor ist für die gesamte IT zuständig, nach dem OP-Videomanagementsystem, das Patientendaten und Krankenhausinformationssystem verknüpft, und der digitalen Patientenaufklärung wird im März die elektronische Patientenakte eingeführt. Alle Patienten ab Stichtag werden dann elektronisch aufgenommen. Damit sollen wichtige Daten im Haus überall da verfügbar sein, wo sie benötigt werden, statt umständlich Befunde durchs Haus zu verschicken. Ärzte könnten, das ist der nächste geplante Schritt, etwa auch eine Medikamentierung in der E-Akte anordnen, was dann direkt an die Apotheke im Haus geht. Das spart Zeit und Bürokratie.