Siegen. Friseurmeisterin Silvia Loos schneidet Armen im Siegener Café Patchwork kostenlos die Haare. Viele sind so dankbar, dass sie kaum Worte finden.

Die gelernte Friseurmeisterin Silvia Loos (35) besuchte jetzt zum zweiten Mal das „Café Patchwork“, um den Gästen die Haare zu schneiden. „Wir haben uns überlegt, den Menschen einfach mal ein bisschen Wellness für ihre Seelen anbieten“, erzählt Dr. Tabea Stoffers von der Diakonie in Südwestfalen. „Das ist ein Herzensprojekt von uns für die Menschen, die das Café Patchwork regelmäßig besuchen.“

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Silvia Loos ist selbstständige mobile Friseurin. Sie kommt in Siegen-Wittgenstein und Olpe zu den Menschen nach Hause. Vor fast einem Jahr wurde sie vom Café Patchwork angesprochen, ob sie sich vorstellen könnte, auch dort Menschen zu frisieren. „Von der Idee war ich direkt begeistert“, berichtet Silvia Loos. Berührungsängste habe die Friseurin keine – „Ich möchte eine Vertrauensperson für die Besucher sein.“ Vor dem neuen Haarschnitt haben die Menschen die Möglichkeit ihre Haare waschen zu lassen. Danach geht es weiter zur Friseurin, zum Schneiden und Föhnen. Individuelle Wünsche zu Haarlänge und Schnitt erfüllt Silvia Loos gerne. „Alle gehen hier glücklich und zufrieden mit einem neuen Haarschnitt raus.“

Siegen: kostenlose Haarschnitte im Café Patchwork – die Dankbarkeit ist groß

Das direkte Feedback ist etwas Besonderes für die Friseurin. Ihre Kunden im Café Patchwork seien durchweg dankbar. „Ich finde es einfach wirklich schön, die Freude in den Augen der Leute zu sehen und die hohe Wertschätzung für meine Arbeit zu spüren“, sagt Loos.

+++ Lesen Sie hier: Corona in Siegen: Wohnungslosenhilfe mit offenem Impftag +++

Tabea Stoffers ist sehr froh darüber, dass sich dieses Angebot etablieren konnte. Es werde sehr gut von den Besuchern angenommen. „Das gibt uns das schöne Gefühl, dass wir mit dem neuen Service alles richtig gemacht haben und damit ein dringendes Bedürfnis der Menschen stillen.“ Beim ersten Besuch der Friseurin vor acht Wochen standen viele bereits neugierig vor der Tür und schauten durch die Fenster, was da passiert. „Als wir bekannt gegeben haben, dass es so was hier geben wird, haben die Leute ihr Glück zunächst gar nicht fassen können“, erzählt Tabea Stoffers. Die Besucher konnten es kaum erwarten, die Haare geschnitten zu bekommen. Nach dem ersten Termin seien die Menschen unheimlich dankbar und stolz auf ihre neuen Frisuren gewesen.

Siegen: Friseur-Service im Café Patchwork kommt gerade bei weiblichen Gästen gut an

Viele seien schon sehr lange nicht mehr beim Friseur gewesen und würden es gar nicht mehr richtig kennen, dass man sich um sie kümmert. Die Mehrzahl der Kunden genieße den Service richtig. Gerade für die weiblichen Gäste sei dieses Pflegeangebot etwas ganz Wichtiges. „Gerade die Frauen sind sehr glücklich über den Service, viele von ihnen können ihre Dankbarkeit gar nicht in Worte fassen“, sagt Silvia Loos. „Denn sie sind es überhaupt nicht mehr gewohnt, dass sich mal jemand um sie und ihre Schönheit kümmert.“ Für die Kunden sei das wie eine kleine Wellness-Auszeit.

Wohnungslosenhilfe

Das Café Patchwork ist eine Initiative des Vereins „Gegen Armut Siegen“, ein ehrenamtlicher, lokaler Förderverein, und wird von der Diakonischen Wohnungslosenhilfe gefördert. Die Einrichtung steht in enger Zusammenarbeit mit Beratungsstellen.

Die Angebote des Begegnungsorts: warmes Mittagessen und der Verkauf von Getränken oder Snacks. Kostenloser Internetzugang über Freifunk. Telefongespräche zur Wohnungs- und Arbeitssuche. Besucher können Fernsehen schauen, Radio hören, Zeitung lesen, Gesellschaftsspiele spielen oder andere Freizeitangebote wahrnehmen. Es gibt eine warme Dusche und ein WC. Auch Wäsche kann gewaschen und getrocknet werden. Besucher haben die Möglichkeit, ihre Mahlzeiten selbst zubereiten und Lebensmittel in einem Kühlschrank aufzubewahren.

Es gelten Maskenpflicht und Abstandsregeln.

Silvia Loos schneidet unter anderem die Haare von Werner Roscher (52). Er kommt aus Kreuztal und besucht das Café Patchwork seit etwa drei Jahren regelmäßig. „Hier ist es warm und gemütlich, die Leute hier sind mittlerweile meine Freunde und Familie“, berichtet Werner Roscher. Das neue Friseurangebot im Café sei eine gute Sache, findet er. Denn sonst wäre ein regelmäßiger Friseurbesuch für den Kreuztaler nicht möglich. „Dank des kostenlosen Services kann man ein paar Mark sparen, die man dann sinnvoller, beispielsweise für etwas zu Essen ausgeben kann.“ Außerdem sei ein frisch frisierter Kopf ein angenehmes Gefühl, nach dem Friseurbesuch fühle er sich viel frischer und besser. Dafür ist Werner Roscher der Friseurin sehr dankbar. „Es ist sehr entspannend und schön, wenn sich mal jemand um einen kümmert, das habe ich nicht so oft.“

Siegen: Friseur-Service im Café Patchwork soll dauerhaftes Angebot werden

Diese Arbeit im Café Patchwork habe Silvia Loos sehr viel zum Nachdenken gegeben. „Da habe ich das erste Mal gemerkt, wie toll und wichtig mein Beruf ist und wie viel Gutes man damit Menschen tun kann.“ Die Wertschätzung ihrer Arbeit durch die Gäste des Cafés sei noch einmal viel höher als bei anderen Kunden. Für die Friseurin ist das eine schöne Abwechslung in ihrem Berufsalltag. Sie ist froh, dass sie solch eine Aktion unterstützen darf und ein Teil davon sein kann. Silvia Loos versucht mit ihrer Arbeit, das Schöne im Inneren der Menschen auch nach außen zum Vorschein zu bringen, sagt sie.

+++ Lesen Sie hier: Siegen: Housing First gibt wohnungslosen Frauen ein Zuhause +++

2020 habe das Café Patchwork den Fokus darauf gelegt, Menschen, die wenig haben, Lebensmittel und Lebensnotwendiges wie Hygieneartikel zur Verfügung zu stellen, um die Gäste während der schwierigen Corona-Zeit zu unterstützen. „Dann haben wir uns letztes Jahr gedacht, unseren Besuchern in dieser schlimmen Lebens-Phase auch mal etwas Schönes zugutekommen zu lassen, als angenehme Abwechslung in ihrem häufig tristen Alltag“, erzählt Tabea Stoffers. Daraus sei die Idee entstanden, das Angebot des Café Patchwork auszuweiten und die Friseurbesuche regelmäßig anzubieten. Dies sei kein einmaliger Service, sondern auf Nachhaltigkeit ausgelegt.

+++ Lesen Sie hier: Siegen: Wohnungslosenhilfe lobt hohe Spendenbereitschaft +++

Dafür hat das Café nach Sponsoren gesucht und ist mit der Sparkasse Siegen fündig geworden. Das Geldinstitut übernimmt die Kosten für den Service, zunächst für ein Jahr. „Alle acht Wochen kommt die Friseurin vorbei und dann ist sie für drei Stunden vor Ort, um den Besuchern die Haare zu schneiden und sich um sie zu kümmern“, sagt Tabea Stoffers.

Café Patchwork in Siegen: Anlaufstelle für Menschen in schwierigen Lebenslagen

Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, von Armut und Obdachlosigkeit bedroht sind, finden im Café Patchwork Hilfe. In den einladenden Räumen des niederschwelligen Begegnungsorts in der Herrenwiese 5 ist jeder willkommen. „Wer zu uns kommt, merkt sofort: Hier findet Begegnung auf Augenhöhe statt“, erklärt Dr. Tabea Stoffers. „Für viele unserer Gäste ist es mittlerweile ein zweites zu Hause und ein Stück Familie.“

+++ Lesen Sie hier: Wohnen in Siegen: Kaum Aussicht auf mehr günstige Wohnungen +++

Egal ob der Kaffee, der im Winter aufwärmt, das Mittagessen, das endlich mal wieder den Magen füllt, die seit langer Zeit erwartete Dusche oder frisch gewaschene Kleidung – „wir helfen den Besuchern des Café Patchwork, wo es nur geht.“ Für viele der Stammbesucher sei 2020 mit großen Ängsten verbunden gewesen, da das Café nur unter Beschränkungen öffnen konnte und die Essenausgabe beispielsweise nur zum Mitnehmen über die Fenster möglich war. „Wir haben alles gegeben, damit es weitergeht und den Menschen dieser sichere Hafen nicht auch noch wegbricht“, betont Tabea Stoffers.

Corona in Siegen: Viele Menschen in Armut gerutscht

Die Stadt war in dieser Zeit deutlich weniger belebt, viele Gäste des Cafés seien aber auf Pfandsammeln und Betteln angewiesen, um sich über Wasser zu halten. Das war während der ersten Coronawellen nicht mehr möglich. Deswegen hätten 2020 mehr Leute die Angebote des Café Patchwork in Anspruch genommen. „Wir haben deutlich gemerkt, dass mehr Menschen Hilfe brauchten“, sagt Tabea Stoffers. Aufgrund der Auswirkungen von Corona seien viele weitere Menschen in die Armut abgerutscht.

+++ Lesen Sie hier: Wo in der Stadt Siegen das Armutsrisiko besonders hoch ist +++

Auch bei Problemen mit der Unterkunft, Wohnung oder dem Sozialamt stehen den Gästen im Café Patchwork ausgebildete Sozialarbeiter zur Seite. Stoffers: „Anstatt nur Lebensmittel zu verteilen, bieten wir Hilfe zur Selbsthilfe.“

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++