Siegen. Die Stadt Siegen erhält mehr Mittel, um Familien in der Corona-Situation zu helfen – denn die setzt viele Menschen unter zusätzlichen Druck.
Um Eltern und Kinder in der Pandemie-Situation besser unterstützen zu können, erhält die Stadt Siegen für 2022 rund 43.000 Euro zusätzlich für die „Frühen Hilfen“ – deren Budget damit gegenüber dem Vorjahr auf 101.429 Euro aufgestockt wird. Darüber hinaus stehen 77.411 Euro aus dem Landesprogramm „kinderstark – NRW schafft Chancen“ zur Verfügung. Verwendung gibt es für das Geld genügend – denn vor allem die Lockdowns haben den Druck auf viele Familien erhöht.
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Die Corona-Krise sei „eine ausgesprochen schwierige Phase“, sagt Steffen Mues, vor seinem Amt als Bürgermeister Sozial- und Jugenddezernent der Stadt. Gerade Kindern aus finanziell oder sozial schlechter gestellten Haushalten würden Kontakteinschränkungen oder Homeschooling zu schaffen machen – und „viele dieser Kinder leiden im Stillen“.
„Frühe Hilfen“ in Siegen: Über Willkommensbesuche Kontakt zu Familien aufbauen
Ziel der „Frühen Hilfen“ sei es, „niedrigschwellige Zugänge zu Familien zu finden, um frühzeitig Unterstützungsbedarf festzustellen“, erklärt Susanne Wüst-Dahlhausen, Leiterin des städtischen Familienbüros. Ein bedeutender Baustein dabei seien die Willkommenbesuche, die allen Eltern neugeborener Babys oder Zugezogenen mit Kindern im Alter bis drei Jahre angeboten werden. Die Inanspruchnahme ist freiwillig, doch 85 bis 90 Prozent würden zustimmen, sagt Susanne Wüst-Dahlhausen.
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Seit 2008 – Siegen führte das Konzept sehr früh ein – seien rund 13.500 solche Besuche durchgeführt worden. Dabei gehe es ausdrücklich nicht darum, die Eltern zu kontrollieren, wie die Chefin des Familienbüros betont. Den Müttern und Vätern solle in angenehmer Atmosphäre ein Überblick gegeben werden, welche Bildungs-, Freizeit-, Unterstützungsmöglichkeiten es in der Stadt gibt, wo sie weitere Informationen bekommen und wo sie bei Fragen Hilfe finden.
Siegen: Willkommensbesuche stoßen bei Eltern auf positive Resonanz
Mit der hohen Resonanz und viel positivem Feedback der Eltern würden die Willkommensbesuche dazu beitragen, ein positives Bild von der Arbeit des Jugendamts zu zeichnen, erläutert Susanne Wüst-Dahlhausen. Dem Familienbüro gehe es seit seiner Einrichtung im Jahr 2000 auch darum, „das Image ,Jugendamt ist gleich Inobhutnahme’ realistisch zurechtzurücken. Inobhutnahme ist nämlich der kleinste Teil der Arbeit“. Tatsächlich wolle das Team, „Eltern bei ihren Aufgaben unterstützen“. Die offizielle Bezeichnung sei zwar „präventiver Kinderschutz“ – „doch es geht in erster Linie darum, Kinder und für sie gute Rahmenbedingungen im Blick zu haben“, und das ohne irgendeine Stigmatisierung.
Bundesprogramm
Die zusätzlichen Mittel für die „Frühen Hilfen“ stammen aus dem Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.Mehr Informationen zu Angeboten der Stadt gibt es online auf dem Siegener Familien-Portal: familie-siegen.de
Derzeit könnten die Willkommensbesuche wieder persönlich stattfinden, sagt Birgit Schmidt von der Servicestelle „Willkommen im Leben“. 2021 hätten Eltern oft nur angeschrieben werden können und hätten dabei Ordner mit Info-Material erhalten. Die Möglichkeit zu Telefonaten oder Zoom-Meetings hingegen „ist nicht so gut angenommen worden“. Der direkte Kontakt sei aber überaus wichtig, denn „persönliche Ansprache ist immer das, was Eltern die Hemmschwelle nimmt“, sich bei Fragen oder Problemen an die Stadt zu wenden.
Siegen: Kinderärzte können Eltern über „Lotsendienst“ Unterstützung vermitteln
Birgit Schmidt ist seit 2021 außerdem im neuen „Lotsendienst“, der über das NRW-Landesprogramm „kinderstark“ finanziert wird. Sie arbeitet dafür mit der Kinderarzt-Gemeinschaftspraxis Dr. Christoph Sondermann und Philipp Wolf sowie der Kinderzahnarztpraxis „Milchzahn“ zusammen, die beide in der Koblenzer Straße 109 sitzen.
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Das Prinzip: Wenn den Ärzten über die rein gesundheitlichen Probleme der Kinder hinaus etwas auffällt, können sie den Eltern einen Termin bei Birgit Schmidt empfehlen – der gleich über die Praxis vereinbart werden kann. So können die Mediziner eine Anlaufstelle nennen, falls sie Hilfs- oder Gesprächsbedarf über die unmittelbare Behandlung hinaus vermuten. Birgit Schmidt findet dann im persönlichen Gespräch heraus, ob weitere Unterstützung erforderlich ist, und lotst die Familie zum entsprechenden Angebot – denn das Familienbüro ist in ein großes Netzwerk eingebunden. Manchmal, sagt Birgit Schmidt, ist es aber mit einem guten Gespräch getan: „Manche Mütter brauchen einfach mal Fürsprache, dass sie alles richtig machen.“
Siegen: Eltern sind in der Pandemie zunehmend auf sich allein gestellt
Ein einschneidender Faktor in der Pandemie ist nämlich, dass viele Spiel-, Still-, Krabbel- oder Selbsthilfegruppen sich nicht mehr getroffen haben und das auch viele andere Kontakte außerhalb der Kernfamilie entfallen sind. Der Austausch, den Eltern üblicherweise mit anderen pflegen, hat sich damit stark reduziert – die Fragen bleiben aber dieselben. Einerseits steigt damit der punktuelle Info- und Beratungsbedarf, andererseits gibt es mehr für die sogenannten Familienhebammen zu tun. Diese unterstützen Familien, beispielsweise minderjährige Mütter, Mütter mit psychischen Erkrankungen oder Haushalte mit geringem Einkommen.
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Bereits 2021 mussten die Familienhebammen – ebenso wie eine Familiengesundheits- und Kinderkrankenpflegerin – häufiger eingesetzt werden. 2022 dürfte sich da fortsetzen, wie Susanne Wüst-Dahlhausen sagt, und auch dafür soll das zusätzliche Geld genutzt werden. Wegen der eingeschränkten Möglichkeiten fehle in der Pandemie gerade „denjenigen Familien etwas, die sich ohnehin schwertun. Da ist eine Familienhebamme eine ganz wichtige Partnerin.“
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