Siegen. Hohes Armutsrisiko, Familien in schwierigen Lebenslagen: Ein Kinder- und Jugendhilfezentrum soll Menschen am Siegener Lindenberg unterstützen.
Die Stadt möchte ein Kinder- und Jugendhilfezentrum im Wohngebiet Lindenberg einrichten. Die Lebenssituation sei dort für viele Menschen ähnlich wie am Fischbacherberg oder in Geisweid – aber mit dem Unterschied, dass es dort deutlich weniger Angebote für Freizeitgestaltung, Beratung und Unterstützung gebe, wie einer Verwaltungsvorlage zu entnehmen ist. Als erstes politisches Gremium befasst sich am Donnerstag, 16. September, der Jugendhilfeausschuss mit dem Vorhaben. Entstehen soll das neue Zentrum im derzeitigen Gemeindehaus der evangelischen Erlöser-Kirchengemeinde.
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Der Siegener Lindenberg sei in allen Sozialberichten, die die Stadt seit 2013 regelmäßig veröffentlicht, als Quartier identifiziert worden, „in welchem viele Menschen leben, die einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetztsind“, heißt es in der Vorlage. In dem Bereich leben rund 3800 Menschen. Die SGB II-Quote („Hartz IV“) liegt mit 16,5 Prozent doppelt so hoch wie im gesamtstädtischen Schnitt. Der sogenannte Altenquotient und der Jugendquotient fallen mit 36,1 beziehungsweise 26 Prozent ebenfalls höher aus. 34,4 Prozent der am Lindenberg wohnenden Menschen haben laut den Daten einen Migrationshintergrund.
Siegen: Situation am Lindenberg vergleichbar mit Fischbacherberg und Geisweid
Während Fischbacherberg und Geisweid über eine Vielzahl an Angeboten verfügen, um Menschen aller Altersgruppen in angespannten Lebenslagen zu unterstützen, konzentriert sich dererlei am Lindenberg vor allem auf das „Familienzentrum am Lindenberg“ – in Kooperation der Montessorischule Siegen, des Kindertreffs Lindenberg und der Evangelischen Kindertagesstätte „Unterm Sternenzelt“. Davon profitieren aber laut Verwaltung in erster Linie Kinder – und deren Eltern –, die diese Einrichtungen besuchen. Umfangreiche und wohnortnahe Strukturen wie in anderen Stadtteilen mit entsprechender Bevölkerung hätten sich „am Lindenberg bisher nicht etabliert, trotz des ausgewiesenen Bedarfes“.
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Die Chance, dass Gemeindehaus in der Gießener Straße als Stadtteilzentrum herzurichten, ergibt sich, da es im Zuge der Gemeindereform aufgegeben und entwidmet wird. Die Stadt könnte es ab Januar 2022 anmieten, um dort eine „niedrigschwellige und attraktive Anlaufstelle“ für verschiedenste Nutzergruppen und Belange zu schaffen, wie die Verwaltung erläutert. Die Angebote sollen besonders drei Bausteinen folgen:
- Offene Kinder- und Jugendarbeit/-förderung. Der Kindertreff, seit mehr als 15 Jahren in der Montessori-Schule und vorher in der Fludersbach untergebracht, „ist seit Jahrzehnten eine etablierte Institution auf dem Lindenberg“, eröffne Kindern und Eltern Beratung, Begleitung, schulische Förderung sowie Bildungs- und Freizeitangebote. Täglich ab 15 Uhr steht der Treff Kindern im Grundschulalter offen, an drei Tagen gibt es von 17 bis 19 Uhr auch Zeitfenster für Jugendliche. Die Angebote sollen gerade im Hinblick auf Jugendliche ausgebaut werden, wofür eine halbe Stelle für eine sozialpädagogische Fachkraft und 20 Wochenstunden für Honorarkräfte vorgesehen sind – etwa Mittagstisch, Koch- und Backrunden, ein Elterncafé, Sprachkurse für Elternteile, Erziehungsberatung oder Feste und Verstaltungen „mit sozialem und kulturellem Schwerpunkt“.
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- Frühe Hilfen für Familien. In dieser Sparte entwickelt das Jugendamt Angebote, um „frühzeitig die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern zu verbessern und Eltern in ihrer Erziehungs- und Beziehungskompetenz zu stärken“, wie in der Vorlage erläutert ist. Zielgruppe sind Eltern von der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr des Kindes. Dabei wird eine Zusammenarbeit des Familienzentrums am Lindenberg mit dem Familienbüro der Stadt Siegen angestrebt. Zusätzlich zu der im Quartier bekannten Fachkraft der Frühen Hilfen, die die Willkommensbesuche macht, soll eine feste Ansprechperson mit einer halben Stelle eingestellt werden.
Schwierige Situationen
Seit Jahren sei deutlich, „dass viele Familien im Stadtteil Orte der Begegnung brauchen“, so die Verwaltung in der Vorlage zum Stadtteilzentrum Lindenberg. Dies habe sich während der Pandemie wegen fehlender Kontaktmöglichkeiten verstärkt.Zudem täten sich viele Menschen im Stadtteil schwer, Vereinsangebote wahrzunehmen. Es bedürfe deshalb „vorbereitender Kontakträume“. Ziel: „Das Finden von Interessen, das Zutrauen, sich in fremde Gruppen zu begeben“.
- Erzieherische Hilfen/Soziale Dienste. „Aus Sicht des Allgemeinen Sozialdienstes (ASD) fehlen am Lindenberg wohnortnahe Unterstützungsmöglichkeiten für Kinder, die einen erhöhten Bedarf an tagesstrukturierenden Maßnahmen haben“, heißt es in der Vorlage. Das Stadtteilzentrum soll deshalb eine „EJA“-Gruppe (EJA = Erziehungshilfe und Jugendarbeit) bekommen, dank der Familien ohne bürokratischen Aufwand Beratung, Begleitung und Unterstützung in Anspruch nehmen können.
Siegen: Kosten für Kinder- und Jugendhilfezentrum Lindenberg ca. 270.000 Euro im Jahr
Für Herrichtung und Ausstattung der Räume geht die Stadt von einmalig 30.000 Euro aus. Personalkosten, Honorarmittel, die Kosten für die EJA-Gruppe, Sachkosten, Miet- und Nebenkosten werden mit fast 270.000 Euro für das Jahr 2022 angegeben – wobei 65.000 Euro davon Miet- und Nebenkosten sind. „Die Kostendeckung erfolgt durch vorhandene Haushaltsmittel und durch zusätzlich zur Verfügung stehende Mittel aus dem Programm ,Frühe Hilfen’, ,Kinderstark NRW’, ,Aufholen nach Corona’“, wie abschließend vermerkt ist.
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