Siegen. Weniger Infoangebote und Praktikumsplätze, viel Unsicherheit: Die Corona-Krise legt Jugendlichen in Siegen und Umgebung Steine in den Berufsweg.

Die Coronakrise erschwert jungen Menschen den Einstieg in die Arbeitswelt. Unternehmen bieten weniger Praktikumsplätze an, viele Angebote der Berufsorientierung entfallen – und bei einigen Jugendlichen führt die allgemeine Unsicherheit zu Resignation.

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„Viele Jugendliche haben sich aus der Berufsorientierung zurückgezogen“, sagt Nina Appel, Sprecherin der Agentur für Arbeit Siegen. Dies zeige sich vor allem an einem Rückgang der Bewerberinnen und Bewerber, der deutlich stärker ausfalle, als es der Trend der vergangenen Jahre habe vermuten lassen. Seit Oktober sind im Agenturbezirk, der die Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe umfasst, laut jüngstem Arbeitsmarktbericht 2956 Ausbildungsstellen gemeldet worden. Dem stehen nur 1588 Bewerber im selben Zeitraum gegenüber. Zurzeit sind noch rund 880 junge Leute unversorgt und etwa 1730 Stellen unbesetzt.

Siegen und Umgebung: Unsicherheit lässt Jugendliche bei Berufsentscheidung zögern

Die Unsicherheit „bekommen wir auch von den Kollegen in der Berufsberatung gemeldet“, sagt Nina Appel. Viele Jugendliche würden die Absicht äußern, erst einmal ein Jahr überbrücken und abwarten zu wollen, bis sich wieder (mehr) Vor-Pandemie-Normalität eingestellt hat. Einige planten ein weiteres Jahr Schule, andere schlicht nichts. Gerade Letzteres, selbst wenn manche junge Leute darin sogar von ihren Eltern bestärkt würden, sei nicht ratsam. „Es gibt ja eine Zeit nach Corona, es wird weitergehen“, betont die Agentursprecherin.

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Äußerst erschwerend komme hinzu, „dass viele Jugendliche sich gar nicht sicher sind, was sie machen wollen“. Oft würden sie nur die Berufe der Menschen aus ihrem Umfeld kennen, hätten viele Optionen folglich nicht auf dem Schirm oder davon veraltete Vorstellungen, etwa was Bau oder Handwerk betrifft. Praktika seien hier ein idealer Weg gewesen, neue Erfahrungen zu sammeln und den Horizont zu erweitern, „einer der wichtigsten Bausteine der Berufsorientierung“.

Viele Betriebe im Siegerland bieten derzeit keine Praktikumsplätze an

Doch in der aktuellen Situation böten viele Betriebe keine Plätze an, obwohl dies sonst vor dem Hintergrund der Nachwuchssicherung angesichts des Fachkräftemangels auch für die Unternehmen ein wesentliches Instrument sei, mit dem sie sich potenziellen Auszubildenden vorstellen und sich umgekehrt von diesen ein Bild machen können. Für den Schulbereich erfasst die Arbeitsagentur keine Zahlen, „aber es ist davon auszugehen: Der größte Teil ist weggefallen“. Was Praktikums- und Probearbeitsplätze für Arbeitslose betrifft, geht Nina Appel derzeit von bis zu 80 Prozent Rückgang aus.

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Jugendliche sollten sich von der Unsicherheit nicht lähmen lassen. „Erstmal bei uns melden und schauen, was möglich ist“, rät Nina Appel. Zwar könnten die Berufsberater derzeit nicht an die Schulen gehen, „und viele Schüler finden den Weg nicht zu uns“; gerade deshalb sei aber Initiative gefragt. Im Gespräch mit den Fachleuten, das natürlich derzeit möglich sei – wenn auch auf Distanz – kämen für die weitere Planung „vielleicht Berufe heraus, die den Jugendlichen vorher gar nicht bekannt waren“ und die dennoch perfekt zu ihren Interessen und Begabungen passten.

IHK Siegen: Berufsorientierung muss in Corona-Krise auf viele Angebote verzichten

Die wenigen Möglichkeiten, die man hat, Nischenberufe zu präsentieren, sind uns aus der Hand geschlagen worden“, sagt Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen. Die Berufsorientierung in den Schulen finde nicht statt, die Ausbildungs- und Berufsmessen entfallen oder laufen allenfalls virtuell. Und was Praktikumsplätze angeht, ergebe sich zudem ein differenziertes Bild – je nachdem, wie stark eine Branche von den Corona-Einschränkungen betroffen sei

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Das Infektionsgeschehen überlagert alles“, sagt Klaus Gräbener. Die Unsicherheit sei in vielen Branchen derart groß, dass etliche Unternehmen sich mit der Praktikumsfrage gerade nicht beschäftigen würden, „da haben die wenigsten einen Kopf für“. Vor allem die Bereiche, die weitgehend oder komplett geschlossen seien – etwa Einzelhandel und Gastronomie – „haben im Moment andere Sorgen“. Und wo derzeit Homeoffice der Standard sei, ließen sich Praktikanten natürlich kaum betreuen.

Jugendliche aus Siegen und Umgebung sollten auf jeden Fall die Initiative ergreifen

Entmutigen lassen sollten sich junge Menschen aber nicht, sondern unbedingt den Kontakt zu Betrieben suchen, auch wenn sie vielleicht bereits einige coronabedingte Absagen bekommen hätten. Ein Unternehmen, das Leute für die betriebliche Erstausbildung suche – und die gibt es reichlich – werde durchaus Wege finden, mit potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern Lösungen zu finden. Abwarten sei auch momentan keine gute Wahl. Jeder junge Mensch sei „besser beraten, die Dinge jetzt in Angriff zu nehmen“.

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Generell sieht der IHK-Hauptgeschäftsführer derzeit ein Ungleichgewicht in der Arbeitsmarktpolitik. Es werde zu Recht sehr viel getan, um die Arbeitsplätze von Beschäftigten zu schützen – Stichwort Kurzarbeit. „Man müsste aber auch denen Brücken bauen, die ins Berufsleben rein möchten“, unterstreicht Klaus Gräbener – wobei die Maxime sein müsse „das eine zu tun, ohne das andere zu lassen“.