Siegen/Olpe. Die Lehrstellenbilanz 2020 der IHK Siegen fällt historisch schlecht aus. Junge Leute wählen in der Corona-Pandemie nicht die Ausbildung.
Die IHK-zugehörigen Unternehmen in Siegen-Wittgenstein und Olpe schlossen im Jahr 2020 insgesamt 1821 Lehrverträge ab – 415 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der Rückgang beträgt 18,6 Prozent. „Seit über 31 Jahren befasse ich mich mit dem regionalen Lehrstellenmarkt. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in dieser Zeit einmal einen derartigen Einbruch an Verträgen hinnehmen mussten“, sagt dazu IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener.
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Die Corona-Pandemie habe sich dabei deutlich negativer auf der Nachfrageseite als beim betrieblichen Angebot von Ausbildungsplätzen bemerkbar gemacht. Die wirtschaftlichen Hiobsbotschaften im Frühjahr motivierten nach IHK-Einschätzung zahlreiche Eltern, ihren Kindern eher zu einer schulischen oder hochschulischen Ausbildung statt zu einem betrieblichen Ausbildungsplatz zu raten. Hier lägen die wesentlichen Ursachen der jetzigen Entwicklung.
IHK Siegen: Kurzarbeit und Co. machen Ausbildung nicht gerade schmackhaft
Bis zuletzt hätten die Unternehmen zahlreiche offene Lehrstellen nicht besetzen können. Klaus Gräbener: „Wie will man junge Leute auch für eine betriebliche Lehre begeistern, wenn weit verbreitete Kurzarbeit ihnen die Botschaft vermittelt, größere Teile von Industrie und Handel seien angezählt und böten keine Perspektive?"
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Die Rückgänge im Lehrstellenvolumen vollzogen sich in beiden Kreisen nahezu gleichgewichtig. Die IHK-zugehörigen Unternehmen im Kreis Olpe schlossen 2020 insgesamt 611 Lehrverträge ab. Dort fiel das Minus mit 21,6 Prozent nur unwesentlich stärker aus als im Kreis Siegen-Wittgenstein, wo der Rückgang mit 1210 eingetragenen Lehrverträgen „lediglich“ bei 17 Prozent lag.
Sorge um die Berufskollegs in Siegen-Wittgenstein
Naturgemäß war eine erhebliche Spreizung in den unterschiedlichen Berufen zu beobachten. IHK-Geschäftsführerin Sabine Bechheim: „In den industriellen Metallberufen fiel mehr als jeder fünfte Ausbildungsplatz weg. Bei den Industriekaufleuten war es sogar jede vierte Lehrstelle. Hier betrug das Minus 25,6 Prozent. Das ist schon sehr heftig ausgefallen.“
Es habe aber durchaus auch Lichtblicke gegeben. So sei die Zahl der Lehrverträge im gesamten Handel lediglich um 8,9 Prozent gefallen, in den Lagerberufen habe der Rückgang sogar nur bei 4,2 Prozent gelegen.
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Sorgen bereitet der IHK, dass sich die schwachen Eintragungszahlen mittelfristig auf die ortsnahe Beschulung in den Berufskollegs auswirken könnten. Sabine Bechheim: „Bei den Bankkaufleuten wurden in beiden Kreisen lediglich 43 Lehrverträge geschlossen, im gesamten Hotel- und Gaststättengewerbe waren es nur 50. Hält dieser Trend an, erhöht sich die Gefahr, dass mittelfristig immer mehr junge Menschen aus Siegen-Wittgenstein und Olpe weit entfernte Berufskollegs besuchen müssen, weil vor Ort keine Klassen mehr gebildet werden können.“
Im Siegerland deutlichste Rückgänge in Neunkirchen und Wilnsdorf
Erhebliche Unterschiede verzeichnete die IHK auch zwischen den einzelnen Städten und Gemeinden. In keiner einzigen der 18 Kommunen gelang es den Unternehmen auch nur annähernd, die im Jahr 2019 erzielte Anzahl der Lehrverträge zu erreichen.
Im Kreis Olpe waren die „niedrigsten“ Rückgänge in Attendorn (-15,9 %) und Wenden (-16,5 %) zu verzeichnen. Am schlechtesten sah es in Kirchhundem (-28,2 %) und Lennestadt (-27,5 %) aus.
Im Altkreis Siegen sanken die Lehrverträge in Netphen (-7,4 %), Freudenberg (-9,9 %) und Hilchenbach (-11,6 %) noch halbwegs moderat. Am deutlichsten waren hier die Rückgänge in Neunkirchen (-30 %) und Wilnsdorf (-26,8 %).
IHK Siegen hofft auf wieder anziehende Konjunkur
In den drei Wittgensteiner Kommunen schlossen die Unternehmen 141 Ausbildungsverträge, 2019 waren es noch 186. „Spitzenreiter“ bei den Rückgängen war hier Erndtebrück mit einem Minus von 34,2 %. Nur wenig besser sah es in Bad Laasphe (-25 %) und in Bad Berleburg (-20 %) aus.
Klaus Gräbener: „Zuletzt zog in einigen Wirtschaftsbereichen jedoch die Konjunktur wieder an. Setzt sich dieser Trend fort, besteht berechtigte Hoffnung, dass sich 2021 auch der Lehrstellenmarkt kräftig erholt. Wir bewegen uns momentan zwar in schwierigem Fahrwasser, sollten aber dennoch mit Zuversicht ins neue Jahr starten. Angst ist schließlich immer ein schlechter Ratgeber.“
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