Siegen. Familie Masiullah hat es mit der letzten Maschine der Bundeswehr geschafft, von Afghanistan nach Deutschland zu fliegen. Nun lebt sie in Siegen.

Einige Ortskräfte aus Afghanistan haben es bereits mit ihren Familien nach Siegen geschafft. So auch die Familie Masiullah. In Afghanistan hat Hafizi Masiullah neun Jahre bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Bereich Technik als Ortskraft für Deutschland gearbeitet und Generatoren aufbereitet. „Man merkte der Familie sofort an, dass sie Schlimmes erlebt hat. Das konnte man aus ihren Gesichtern ablesen“, sagt Zohra Soor-Nurzad vom Verein „Stitching for School and Life“. Sie unterstützt die Familie seit ihrer Ankunft als Dolmetscherin bei Behördengängen und anderen Dingen.

Afghanistan: Familie Masiullah lebte lange Zeit in Kabul

Die Familie Masiullah besteht aus Hafizi (29) und Laila Masiullah (28) und den zwei Töchtern Mayram (7) und Marwa (8). Laila Masiullah ist aktuell im neunten Monat schwanger, bald gibt es also ein fünftes Familienmitglied. Lange lebten die Masiullahs in Kabul. Ursprünglich kommt sie aus Dschalalabad in der Nähe von Pakistan.

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Aufgrund Hafizi Masiullahs Anstellung in einem westlichen Unternehmen hat die Familie ihre Heimatregion in den letzten Jahren nicht mehr besuchen können, da die Taliban dort bereits zu stark vertreten waren, erklärt sie. Seit längerem hätte die Familie daher im eigenen Land nur in Kabul in Sicherheit leben können.

Siegen: Flucht mit der letzten Bundeswehr-Maschine nach Deutschland

Etwa fünf Tage nach der Machtübernahme der Taliban, am Tag des Anschlages auf die US-Soldaten, sind die Masiullahs mit der letzten Maschine der Bundeswehr ausgeflogen worden. „An Bord waren lediglich 160 Ortskräfte“, berichtet Hafizi Masiullah. Bevor sie ausreisen durften, harte die Familie zwei Nächte vor den Toren des Flughafens in Kabul aus.

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Dort haben sie traumatische Szenen erlebt. Nach Angaben von Laila Masiullah wurden einigen Menschen von den Taliban erschossen. Die Situation am Flughafen hat die Familie als „unglaublich schlimm“ empfunden. Das Gedränge durch 1000 von Menschen, begleitet von Schüssen der Taliban, mit einer Hochschwangeren und zwei kleinen Kindern, nur mit dem, was man am Leibe trägt, um in ein rettendes Flugzeug zu gelangen, sei für die Familie kaum zu ertragen gewesen, berichtet Hafizi Masiullah.

Afghanistan nach Machtergreifung: „Eine nicht enden wollende Schweigeminute“

Anschläge, Entführungen und andere Straftaten hätten schon vor der Machtübernahme der Taliban an der Tagesordnung in Afghanistan gestanden. Daher hätten viele Afghanen bei ihrer Arbeit mit internationalen Firmen ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Sie wollten ihr Land dadurch stabilisieren.

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Eine wirkliche Modernisierung des Landes konnte nach der Meinung vieler Afghanen nur mit dem Know-how und in Zusammenarbeit mit den ausländischen Militärkräften stattfinden. Nach der Machtergreifung der Taliban änderte sich dann alles, so Hafizi Masiullah. „Es war wie eine nicht enden wollende Schweigeminute, wir hatten das Gefühl, dass auf einmal alles still war in Kabul“, beschreibt er die Situation.

Nach der Flucht aus Afghanistan lebt die Familie nun in Siegen

Die Eltern möchten nun für ihre Kinder mit den traumatischen Erfahrungen ihrer Flucht abschließen und nach vorne blicken. Sie konzentrieren sich jetzt darauf, ihren Mädchen die bestmögliche Zukunft bieten zu können. Aktuell ist die Familie in einer Notunterkunft in Siegen untergekommen. Die Eltern berichten, dass sie „wirklich herzlich“ in Deutschland sowohl von den Deutschen als auch der afghanischen Community aufgenommen worden seien. Eine solche Herzlichkeit seien sie nicht gewohnt, berichtet Laila Masiullah.

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Seit dem ersten Moment in Deutschland genießen sie ihre neu erlangte Freiheit. „Es ist so, als wäre die ganze Last von unseren Schultern gefallen“, erzählt Laila Masiullah. Sie und ihr Mann sind sehr erleichtert und glücklich, jetzt in Sicherheit zu sein und in Freiheit leben zu können. Für sie sei es eine ganz neue Lebenserfahrung, auf der Straße nicht belästigt oder angegangen zu werden. Weiterhin seien sie sehr dankbar, dass es in Siegen Menschen gebe, wie Zohra Soor-Nurzad, die sich sofort um sie kümmern und für ihr Wohl sorgen würden.

Siegen: Familie aus Afghanistan ist dankbar für die Hilfe

Laut Zohra Soor-Nurzad brauche die Familie im Moment vor allem Hilfe bei der Wohnungssuche. Die Masiullahs hoffen, schnell ein neues Zuhause zu finden. Auch Möbel und andere Dingen werden dringend benötigt. Aus Afghanistan fehle der Familie besonders ihre Verwandtschaft. Viele Angehörige, darunter auch junge Frauen, sind noch in ihrer Heimat.

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Sorgen bereitet ihnen auch das ungewisse Schicksal der Kollegen von Hafizi Masiullah. Sie konnten noch nicht aus Deutschland ausgeflogen werden und hätten vor Ort auch keine Möglichkeit, sich an jemanden zu wenden, da es in Afghanistan keine Botschaften oder Anlaufstellen für diese Menschen mehr gebe. Ohne Sprachrohr in Deutschland seien diese Menschen verloren, glaubt Zohra Soor-Nurzad.

Wer Familie Masiullah bei der Wohnungssuche helfen möchte, kann sich beim Verein „Stitching for School and Life“ per E-Mail an kontakt@ssl-project.org melden. Und zwar mit dem Betreff „Biete Hilfe für Familie Masiullah“.

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