Siegen. Im Verfahren gegen den Siegerländer Arzt, der 331.000 Euro Steuern hinterzogen haben soll, geht es am Donnerstag um eine Immobilie in Greifswald.

Das potenzielle arbeitsmedizinische Institut des Angeklagten in Greifswald steht im Mittelpunkt des fünften Verhandlungstages gegen einen Siegerländer Arzt, der wegen umfangreicher Steuerverkürzungen vor der Wirtschaftskammer sitzt. Verteidiger Dr. Ingo Flore hatte am Montag eine längere Erklärung seines Mandanten verlesen und anschließend dessen Bereitschaft angekündigt, Fragen der Beteiligten zu beantworten. Davon wird am Donnerstag reichlich Gebrauch gemacht.

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Problematisch für den Angeklagten wird sein Vorbringen, er habe das Gebäude mit der festen Absicht errichtet, dort einen Ableger seines Siegerländer Instituts einzurichten. Anfangs sei es auf Anraten des langjährigen Steuerberaters im Betriebsvermögen gelaufen und später nicht umgewidmet worden. Nach zwei oder drei Jahren habe er gemerkt, dass es nichts wird im anfangs erhofften Umfang, stellte der Verteidiger für den Angeklagten fest.

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Das hat ziemlich überzeugend geklungen, lässt sich allerdings mit den Jahreszahlen nicht so recht überein bringen. Danach hat sich der Angeklagte bereits vor der Fertigstellung des Gebäudes – ein Doppelhaus, dessen zweite Hälfte seinem ebenfalls als Mediziner arbeitenden Sohn gehört – von einem Kollegen beraten lassen, mit einem Institut vor Ort zusammenzuarbeiten. Danach habe er die ursprünglichen Pläne nicht weiter verfolgt und sei an vier oder fünf Tagen im Monat für diesen Auftraggeber „zwischen Rostock und der polnischen Grenze“ unterwegs gewesen.

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Worauf er immer wieder besteht: Anders als im Siegerland sei es nicht nötig gewesen, vor Ort größere Gerätschaften bereitzuhalten. Er habe dort nur Tauglichkeitsuntersuchungen für Bus- oder Taxifahrer vorgenommen. Alles Nötige sei in einem Koffer gewesen, den er schon seit Jahren besitze: „Ich bin der ältestes Arbeitsmediziner, schon seit 1976!“ Der Koffer sei meistens im kleinen Arbeitszimmer im ersten Stock abgestellt gewesen. Die Finanzbeamten hätten ihn seinerzeit aber nicht gesehen, weil er im Auto für die Heimfahrt verstaut gewesen sei.

Siegen: Angeklagter Arzt erhebt erneut Vorwürfe gegen ehemalige Steuerberater

Der Mediziner besteht darauf, dass er seine Belege bei seinem 2011 verstorbenen Steuerberater immer pünktlich abgegeben habe. Nach dessen Tod sei dessen Wohnung sehr zügig aufgelöst worden, was möglicherweise zum Verlust wichtiger Akten geführt habe. Mit der Nachfolgefirma sei er gar nicht zufrieden gewesen: „Ich habe die Belege im Februar eingereicht und im November war die Erklärung immer noch nicht fertig. Die Banken machten immer mehr Druck.“ Irgendwann habe er seinem Sohn („Dessen Erklärung hatten sie ganz vergessen!“) gesagt, das gehe einfach nicht mehr.

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Danach sei 2015 der erneute Wechsel zum heutigen Büro erfolgt. An frühere Betriebsprüfungen will der Mann keine Erinnerungen haben. Ein Vertreter des aktuellen Steuerbüros betont im Zeugenstand die gute Zusammenarbeit mit dem Angeklagten. Es habe seither weitere Prüfungen durch die Finanzbehörden gegeben, alle ohne Probleme. Dagegen wisse er vom Vorgänger-Büro von mehreren Problemfällen größerer Art.

Siegen: Verteidiger weist Zeugen auf Schweigepflicht hin – und warnt vor Verstößen

„Die Mandanten vertrauen mir. Ich gehe nicht davon aus, dass die ihre Erklärungen noch einmal prüfen, wenn wir fertig sind“, sagt der Zeuge. Passierten also Fehler, „müsste eigentlich ich die Verantwortung tragen“. Tatsächlich aber lande die Schuld beim Mandanten. Das sei beim Mitbewerber einige Male vorgekommen. Als einstiger Finanzbeamter kenne er beide Seiten, unterstreicht der Zeuge. Früher habe er auch „die Schuld immer beim bösen Steuerpflichtigen gesucht“, wisse aber heute sehr gut, dass es auch anders aussehen könne.

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Weitere Zeugen kommen für die kritisierten Unternehmen, berufen sich zunächst vage auf anderswo liegende Verantwortungen und anschließend auf ihre Schweigepflicht. Nachdem die Vorsitzende Richterin Sabine Metz-Horst darauf bestand, keine Verpflichtung des Gerichts zu sehen, die Zeugen auf etwaige Strafbarkeit hinzuweisen, warnt Verteidiger Dr. Flore ausdrücklich vor entsprechender Weitergabe von Informationen: „Sie sind nicht von der Schweigepflicht befreit!“ Und er werde nicht zögern, sofort zu intervenieren. Worauf beide Steuerberater die Hände heben und den Raum schnellstens verlassen. Zum sichtbaren Ärger von Gericht und Anklägern. „Aber das ist natürlich ihr gutes Recht“, stellt die Vorsitzende fest.

Bis zum nächsten Verhandlungstag am kommenden Montag muss die Kammer noch über einen Beweisantrag des Verteidigers entscheiden. Der möchte nähere Infos über das Haus in Mecklenburg-Vorpommern über Akten des dortigen Finanzamts einholen lassen und eine Mitarbeiterin laden, die Jahre vor den Hagener Fahndern im Haus gewesen ist.

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