Siegen. Angeklagte ein kleines Rädchen im Getriebe des Siegener Amphetaminöl-Handels.

Es geht um Beihilfe zu mehreren Drogendelikten. Unerlaubter Besitz, verbotenes Handeltreiben, Einfuhr in die Bundesrepublik. Fünf Vorwürfe hat sich die 24-jährige Angeklagte eingefangen, in einem Zeitraum von knapp vier Wochen, vom 6. Januar bis 4. Februar 2018. Einer wird eingestellt, für die anderen verhängt das Schöffengericht nach knapp zwei Stunden eine Bewährungsstrafe über zwei Jahre.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Die junge Siegenerin ist vorher nicht bestraft gewesen. Seither hat sich auch nichts getan. Das kommt ihr zu Gute beim Antrag der Staatsanwältin und beim späteren Urteil, das sie im Sitzen entgegennehmen muss. Amtsrichter Matthias Witte bittet die Frau, aufzustehen und ist überzeugt, dass es auch geht. „Nicht ohne Hilfe“, sagt sie mit dünner Stimme. Und darf schließlich in ihrem Rollstuhl sitzenbleiben.

Ampethaminöl in der Wohnung in Siegen aufbewahrt

Der Verteidiger hat sie in den Saal geschoben. Der Anwalt gibt auch in ihrem Namen alle Vorwürfe zu. Die junge Frau soll damals – schon mit Schmerzen, aber nicht im Rollstuhl – Amphetaminöl in ihrer Wohnung aufbewahrt und einem bereits verurteilten Mittäter auf Zuruf in seine Wohnung in Engelskirchen gebracht haben. Sie gibt auch zu, mit einer Bekannten mit in Holland gewesen zu sein. Die Frauen fuhren voraus und spähten nach Polizei oder anderen Gefahren für ihre Komplizen.

Fünf Männer wurden im Herbst 2018 für einen weitaus umfangreicheren Drogenhandel zu Gefängnisstrafen verurteilt. Der Haupttäter, für den auch die jetzige Angeklagte tätig war, bekam sechs Jahre. Sie habe ihn mit 13 erstmals getroffen, „über eine Freundin, die mit ihm zusammen war“. Er habe sie an Drogen gebracht. Einmal will sie mit ihm gemeinsam aus dem Öl gebrauchsfertiges Amphetamin angerührt haben. Genaue Erinnerungen habe seine Mandantin nicht, erklärt der Anwalt.

Gutachter: Schmerzen der Siegenerin gehen auf psychogene Ursachen zurück

Die Frau wirkt klein, blass und zerbrechlich in ihrem Rollstuhl. Wenn sie spricht, klingt die Stimme dünn und müde, sie gähnt immer wieder. Sie leide an einer unerforschten Krankheit, „mein Körper ist zu schwach, um zu laufen“. Die Angeklagte ist reizempfindlich und hat ständig Schmerzen, beschreibt sich selbst als launisch und sehr emotional, sie hasst ihren kranken Körper. Nach dem Gutachten von Psychiater Dr. Thomas Schlömer sind die Schmerzen nicht körperlich, sondern gehen auf psychogene Ursachen zurück.

+++Lesen Sie auch: Amphetamin-Dealer müssen jahrelang ins Gefängnis+++

Der Gutachter hat bei der Angeklagten eine somatoforme Störung diagnostiziert, dazu eine depressive Störung, ein erhebliches Drogenproblem und schließlich noch eine Borderline-Erkrankung. Für die Verhandlung bedeute das regelmäßige Pausen.

Damaliger Haupttäter im Siegener Amphetamin-Fall ein „sehr großer Manipulator“

Die Schuldfähigkeit sei jedoch nicht beeinträchtigt. Schon als Kind sei die Angeklagte kränklich gewesen, habe ihre Mutter früh verloren, berichtet der Mediziner. Sie habe mit 13 einen Suizidversuch unternommen, sei in jungen Jahren in psychiatrischer Behandlung gewesen. Solche Menschen seien anfällig für Beeinflussung, nickt er auf Frage des Verteidigers. Der betont danach die entsprechende Beeinträchtigung der Mandantin. „Ich kenne die anderen Täter. Zumindest einen“, sagt der Anwalt. Der sei ein sehr großer Manipulator gewesen.

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++

Mit dem Urteil sind beide zufrieden und nehmen es an. Sie müsse sich darüber klar sein, dass es sich um ernste Taten gehandelt habe, warnt Richter Matthias Witte die Frau, die sich gewünscht hat, Cannabis gegen ihre Schmerzen verschrieben zu bekommen. Offensichtlich habe sie eine kleine und nicht entscheidende Rolle in einem deutlich größeren Komplex gespielt, das müsse berücksichtigt werden. Sie solle aber vorsichtig sein, auch nur kleine illegale Mengen von Drogen in der Wohnung zu haben. Dann müsse sie die zwei Jahre womöglich doch noch absitzen. „Ich bin froh, wenn ich in zwei Jahren wieder ohne Hilfe Duschen oder mein Frühstück machen kann“, hat sie in ihrem letzten Wort gesagt.