Siegen. Der wegen Steuerhinterziehung angeklagte Arzt lässt in Siegen von seinem Anwalt eine Einlassung vortragen: Er sieht die Hauptschuld bei anderen.

Anwalt Dr. Ingo Flore trägt am vierten Verhandlungstag vor der 2. Großen Strafkammer des Siegener Landgerichts eine Einlassung seines Mandanten vor; des wegen Steuerhinterziehung angeklagten Arztes. Erwartungsgemäß zeichnet er ein anderes Bild in der Sache.

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Anwalt und Angeklagter wuchern mit der Reputation des Mediziners. Der habe die Nachzahlungen seinerzeit akzeptiert und beglichen, übernehme auch jetzt im Strafverfahren die Verantwortung für alles, was in der Anklage stehe und zu möglichen Fehlern und Steuerverkürzungen geführt hat. Immer wieder betont der Verteidiger: „Selbstverständlich“. Aber die Finanzbeamten hätten auch falsche Ansätze gewählt. Vor allem aber beruft sich der Angeklagte darauf, dass er unschuldig sei, keinesfalls vorsätzlich versucht habe, Steuern zu hinterziehen – auch nicht fahrlässig. Er habe sich immer auf seine Steuerberater verlassen, ein lange geübtes gemeinsames Vorgehen bis zur für ihn problematischen Betriebsprüfung 2015beibehalten. Er sei nie auf irgendwelche Probleme oder Defizite hingewiesen worden.

Siegen: Angeklagter Arzt will sich uneingeschränkt auf Steuerberater verlassen haben

Er sei ein vielbeschäftigter Mediziner, habe sehr viele Patienten im Rahmen des Arbeitsschutzes untersucht, auch im höheren Alter noch, daneben keine weiteren Tätigkeiten. Das habe wenig Zeit für Steuerdinge gelassen, unbedingtes Verlassen auf die Steuerberater notwendig gemacht. Belege seien wie verlangt weitergeschickt worden – auch private, nach der Devise „alles über den Zaun werfen“. Die Steuerberater hätten Verwertbares filtern wollen. Klagen habe es nie gegeben.

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Von den Finanzbeamten behauptete Hinweise auf unkorrektes Handeln bei früheren Prüfungen habe es nie gegeben. Alle Unterlagen seien im Nachhinein gefunden worden, sein Mandant habe nichts unternommen, irgendetwas zu verschleiern, betont Flore. Dass Steuererklärungen dennoch verspätet, unvollständig oder fehlerhaft eingereicht worden seien, sei nicht die Schuld des Arztes.

Gericht in Siegen: Wegen Steuerhinterziehung angeklagter Arzt hatte Haus in Greiswald

Zur mehrfach erwähnten Immobilie in Greifswald stellt der Anwalt fest, dass sein Mandant dort ein arbeitsmedizinisches Institut einrichten wollte, auf Rat des Steuerberaters sogar nachteilig entschieden, das Gebäude betriebswirtschaftlich anzumelden. Später, als er gemerkt habe, dass es zu wenig Patienten gab und er das Haus quasi nur noch privat nutzte, habe er es aber versäumt, das Finanzamt zu informieren. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erkenne Absichten an, wenn Betriebskosten geltend gemacht werden sollen, nicht nur die tatsächlichen Umstände.

Bitte um Gespräch

Anwalt und Angeklagter bitten die Vorsitzende Richterin um ein weiteres Rechtsgespräch. Die stimmt zu.

Kritisch wird die Schlussbesprechung am Ende des Steuerverfahrens gesehen: Von Einigkeit in strittigen Punkten, wie die Finanzbeamten als Zeugen formuliert hätten, will der Angeklagte nur eingeschränkt sprechen. Ihm sei verdeutlicht worden, dass an den Entscheidungen nicht mehr viel zu ändern sei, er habe sich schließlich darauf eingelassen. Sein Steuerberater habe ihm vorher Hintergründe und Möglichkeiten nicht ausreichend erklärt. Und: Es habe bereits 2010 eine Änderung in der gemeinsamen Praxis mit seinem Sohn gegeben: Statt 50-prozentiger Beteiligung sollten ihm monatlich nur noch 4000 Euro ausgezahlt werden, das verringere den zu versteuernden Gewinn deutlich. Im Gegensatz zu den Behauptungen der Fahnder sei dies auch so geschehen. Dass es nicht in den Steuererklärungen auftauche, sei wiederum bei den Beratern zu verorten.

Sachbearbeiterin sagt in Siegen aus: „Kein Vorsatz“ beim Angeklagten

Die damalige Sachbearbeiterin eines Steuerberaters berichtet von einer jahrelangen guten Zusammenarbeit mit dem Arzt, sie glaube nicht, das er vorsätzlich Steuern hinterzogen habe. Die „große Härte“ der Finanzbeamten habe sie überrascht. Offensichtlich sei, nach dem Tod des vorigen Beraters und dem Umzug in ihr Büro, kaum nachgefragt worden. Sie habe sich alles belegen lassen, mit dem Angeklagten eine gute Basis gefunden.

Am Donnerstag, 9. September 2021, geht es weiter.

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