Kreuztal. Als ein Rupprecht Geiger noch 30 Mark kostet: So beginnt Frank Wieland Frischs Weg zum Kurator der Kreuztaler Kunstsammlung.

Als Frank Wieland Frisch sein erstes Bild von Rupprecht Geiger kaufte, stand der noch lange nicht im Zenit seiner Karriere. 30 Mark hat der Student für die Arbeit des Malers und Bildhauers hingeblättert, der 1992 mit dem Rubenspreis der Stadt Siegen ausgezeichnet wurde. „Was man sich damals so leisten konnte“, sagt Frank Wieland Frisch, als er im Empfangszimmer der Gelben Villa in Dreslers Park zu erzählen beginnt. Hier hat die Kunstsammlung der Stadt Kreuztal ihr erstes Zuhause gefunden – die es so nicht gäbe, wenn Frank Wieland Frisch, der heute 76-Jährige, nicht fast ein ganzes Leben lang dafür gearbeitet hätte.

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Empfangszimmer

Das Empfangszimmer: Im Moment sind dort Bilder von Annette Besgen und Ulrich Langenbach ausgestellt, die beide ihre Ateliers im Kreuztaler Kulturbahnhof haben, und von Heidemarie und Jürgen Königs, dem Künstlerehepaar aus Eichen. Als er im Auftrag der Stadt erste Arbeiten von ihnen gekauft habe, „waren sie noch nicht so berühmt“, berichtet Frank Frisch. Inzwischen aber doch: „Im Laufe der Zeit haben sie sich in ganz Europa etabliert.“

Nicht nur sie. Der Kurator hat eine ganze Liste prominenter Namen, die mit Arbeiten im Depot vertreten sind, das die Stadt in der benachbarten Weißen Villa eingerichtet hat und mittlerweile mehr als 200 Werke umfasst– mitsamt einem Arbeitsplatz für Frank Frisch, der dort bei Bedarf rahmt und entrahmt oder Rahmen repariert. Das Restaurieren überlässt Frisch den Fachleuten. Gerade Arbeiten in Öl und Tempera müssen in die Werkstatt, bevor sie in die Sammlung aufgenommen werden. Die Bilder hingen vorher in Privathaushalten, dort natürlich meist nicht unter konservatorischen Bedingungen.

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Salon

Also: Langenbach, Besgen, Königs – und weiter Eberhard Stroot, Reinhard Hanke, Joachim Voihsel, Joachim Rodepeter, Vera Becker, Herb Schwarz. Und. Und. Und. „Das ist ein Versuch, eine neue Sammlung aufzubauen.“ Titel: „Zeitgenössische Kunst.“ Es ist der dritte Katalog, den Frank Frisch erstellt hat. Man sollte deshalb besser von vorn beginnen. Nicht im Empfangszimmer, sondern im Salon. Dort werden derzeit neun Bilder von Künstlerinnen aus Kreuztal ausgestellt. Sie kommen aus der Sammlung mit dem nüchternen Namen „Ankauf Kunstobjekte seit 1988“. Mit ihr hat alles angefangen.

Der junge Frank Frisch hat nicht nur gekauft, was das Studentenbudget hergab. Was er so sah, damals noch in der Galerie von Ruth Nohl in Siegen in der Kölner Straße, und viel später, mit dem Einkommen als Architekt, auch Arbeiten von Hanna Achenbach oder Adolf Saenger. Er hat nicht nur gekauft, sondern auch selbst gemalt, ausgestellt, zum Beispiel im Dahlbrucher Busch-Theater, einmal sogar bei der Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler. „Das fand nicht so besonderen Anklang.“

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Als er 1975 erstmals in den Rat gewählt wurde, hörte er endgültig auf. Mit dem Malen. Nicht mit der Kultur. Dass Kreuztal eine Bibliothek und ein Stadtarchiv bekommen sollte, „war ein großes Thema für mich.“ Nur die bildende Kunst blieb in Kreuztal, bei allem Aufbruch, ein weißer Fleck. 1987 holte er sich den Auftrag, in jedem Jahr für 2000 Mark – der Betrag ist inzwischen auf 500 Euro geschrumpft – „Kunstobjekte“ für eine städtische Sammlung anzukaufen: Arbeiten mit einem Bezug zu Kreuztal, die bereits ausgestellt waren.

In der Sparkasse, im Alten Feuerwehrhaus, aber auch in Siegen sah sich Frank Frisch seitdem um – den Szenenwechsel im Kulturbahnhof, wo Frisch auch einer von sechs Kuratoren ist, gab es noch lange nicht, und auch der Dreslersche Park mit seinen Villen war längst noch nicht in städtischem Besitz. „Ich gebe mich nicht zu erkennen“, sagt er,. „und wenn mir nichts gefällt, kaufe ich auch nichts.“ Der Sinn der Initiative: „Die Künstler hinter dem Ofen hervorholen, sie bekannt machen.“ Bedingung ist der Mut, sich in einer Ausstellung dem Publikum zu stellen. Denn: ohne Ausstellung kein Ankauf.

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Kaminzimmer

Die Stadtbibliothek hat hier Lesungen veranstaltet, als sie noch ihr Domizil in der Gelben Villa hatte. Erst nach ihrem Umzug auf den Roten Platz wurden die Räume frei, in denen seit 2019 die Kunstsammlung zu Hause ist, mit – so ist es geplant – jährlich wechselnden Präsentationen. Hier hängt unter anderem Adolf Saengers Bild von der Kreuztaler Hütte. „Das ist natürlich was Besonderes“, sagt Frank Frisch. Ein Geschenk aus einem Nachlass, das Bild gehörte ursprünglich der Kreuztaler Blefa. Das ist das Typische für diese viel größere Sammlung, die Frisch „Kunstobjekte 20. Jahrhundert“ nennt: Bilder und auch wenige Skulpturen, die der Stadt geschenkt wurden oder deren Ankauf Spender und Sponsoren ermöglicht haben. Darunter sind auch Leihgaben aus der privaten Sammlung der Eheleute Frisch, die später einmal ebenfalls in städtischen Besitz übergehen soll.

Frank Wieland Frisch ist seit 1987 im Auftrag der Stadt Kreuztal unterwegs, um Kunstwerke mit Kreuztaler Bezug anzukaufen. Seine eigene Geschichte mit bildender Kunst ist viel länger.
Frank Wieland Frisch ist seit 1987 im Auftrag der Stadt Kreuztal unterwegs, um Kunstwerke mit Kreuztaler Bezug anzukaufen. Seine eigene Geschichte mit bildender Kunst ist viel länger. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Wintergarten

Hier ist die eigentliche Präsentation des 20. Jahrhunderts – denn das Kaminzimmer bleibt in der Regel verschlossen, wenn es nicht für eine Trauung im benachbarten Trauzimmer benötigt wird. Für den „Ersten Blick“, wie Frank Frisch seine erste Präsentation nennt, hat er Bilder von Hanna und Hans Achenbach ausgewählt, dazu gestellt sind zwei Skulpturen von Hermann Kuhmichel, eine in Bronze, eine in Holz. „Wunderschön“, stellt Frisch einen Holzschnitt von Hans Achenbach vor. Die „Putzfrauen“ von Hanna Achenbach erinnern an Käthe Kollwitz.

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Walter Helsper, Werner Brach, Robert Knipp, Reinhold Koehler, Hermann Manskopf, Theo Meier-Lipe, Uwe Pieper: Wer in der Siegerländer Kunstszene einen Namen hat, ist hier vertreten. „Die tauchen so allmählich auf“, erzählt Frank Frisch, oft sind es Hinterbliebene, die aus dem Nachlass die Stadt bedenken. Aber auch die Spenden an die Stadt fließen: „Es ist toll, was ich gerade an Spendengeld zur Verfügung habe.“ Für „Nebel Wald“ des gebürtigen Dahlbruchers Friedrich Wilhelm Stein ist übrigens kein Geld geflossen – das hat Frisch mit dem Künstler gegen ein eigenes Bild getauscht.

Frank Frisch hat am Anfang gezielt gesucht: In Fellinghausen, so war ihm aufgefallen, sind vier Straßen nach Siegerländer Künstlern benannt: der Adolf-Saenger-Weg, der Hanna-Achenbach-Weg, der Hermann-Kuhmichel-Weg und der Hermann-Manskopf-Weg. Niemand weiß, wie die Namensgebung zustande kam, Frisch fand auch keine Werke dieser Künstler in städtischem Besitz. Das hat er geändert. „Natürlich gibt es Wichtigeres, wenn man Corona und die Flut sieht, zum Beispiel.“ Das hier aber soll bleiben, „den Bürgern zugute kommen“. Und deshalb ist Frisch auch Öffentlichkeit wichtig. „Kreuztal zeigt, was wir haben.“ Längst nicht alle Kommunen tun das, nicht jede.

Sonntag geöffnet

Im Rahmen der Open-Air-Veranstaltungen von Kreuztalsommer in Dreslers Park ist auch die Kunstsammlung in der Gelben Villa zur Besichtigung geöffnet. Am Sonntag, 15. August, 14 bis 17 Uhr, übernimmt Frank Frisch selbst die Führungen.

Atelier

Die erste Werkschau widmet Frank Frisch dem 1989 im Alter von 65 Jahren in Siegen verstorbenen Bildhauer Wolfgang Kreutter. Von ihm stammt das Relief der 1967 im heutigen Schulzentrum eröffneten Realschule, in deren Vorgängerbau in der Roonstraße Frisch selbst zur Schule gegangen ist. Kreutters Tochter Angelika hat, als sie das Atelier ihres Vaters im Bad Berleburger Stadtteil Dödesberg auflöste, der Kreuztaler Kunstsammlung mehr als 30 Arbeiten geschenkt: Linolschnitte, Collagen, Holzschnitte. „Die sind gar nicht so bekannt“, sagt Frisch – nicht so bekannt auf jeden Fall wie die Kühe und der Brunnen in der Siegener Poststraße. Auch eines der Vari-Tabilos ist in der Werkschau ausgestellt, eine Blechtafel mit magnetischen Rechtecken und Halbkreisen – hier, so hat Wolfgang Kreutter sich das gedacht, soll das Publikum, gern auch das ganz junge, einmal selbst ausprobieren.

Der Rundgang durch die Kreuztaler Kunstsammlung ist zu Ende. Irgendwann in den nächsten Monaten wird die Ausstellung ganz anders aussehen, wenn der „Erste Blick“ Platz für die nächste, die zweite Präsentation gemacht hat. Zwischendurch arbeitet Frank Wieland Frisch an seinem Buch über Kunst am Bau in Kreuztal: „Da gibt es mehr, als man denkt.“ Sofern die Kommunalpolitik ihm dafür Zeit lässt Der FDP-Fraktionschef ist mittlerweile dienst- und lebensältester Stadtverordneter Kreuztals.

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