Allenbach. Jost Hoffmann aus Allenbach ist als Bezirksschülersprecher in Siegen-Wittgenstein während der Pandemie sehr aktiv. Was treibt den 16-Jährigen an?
Wenn Jost Hoffmann spricht, klingt er wie ein Rhetorik-Profi – aber nicht wie einer dieser aalglatten Typen, sondern wie einer, mit dem man gerne redet. Jedes Wort sitzt, jeder Satz ist durchdacht, kein Fachbegriff des Gegenübers lässt ihn stutzen. Jost Hoffmann ist aber erst 16. Und Bezirksschülersprecher. Und derjenige Vertreter der Schülerinnen und Schüler in Siegen-Wittgenstein, der im vergangenen Jahr so viel öffentlich in Erscheinung getreten ist, wie wohl noch keiner zuvor.
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Klar: Es mag an der Pandemie liegen, in der ein gesteigerter Bedarf besteht, auf die Interessen und Nöte junger Menschen aufmerksam zu machen. Und klar: reden zu können ist Teil der Aufgabe, die Anforderung ist immerhin schon in der Amtsbezeichnung enthalten. Aber auch dann noch muss sich erst einmal jemand finden, der den Job a) machen will und b) machen kann. „Ich sehe es nicht gerne, wenn etwas Potenzial hat, das nicht genutzt wird“, sagt Jost Hoffmann. In der Bezirksschülervertretung (BSV) habe er das beobachtet, „und statt auf der Zuschauertribüne zu meckern, wollte ich die Dinge selbst in die Hand nehmen“.
Bezirksschülersprecher Jost Hoffmann: „Meine Motivation ist, anderen zu helfen“
Das bezieht sich zwar nicht nur auf die Situation in der Corona-Krise, sondern auf die Möglichkeiten generell; aber die Pandemie ist natürlich das Problem, gegen das sich die Potenziale besonders mobilisieren lassen. Die Bezirksschülervertretung verschickt inzwischen regelmäßig Pressemitteilungen zu allen Themen, in denen Schulbetrieb, Schülerleben und Corona-Belange kollidieren. Jost Hoffmann steht als Ansprechpartner bereit. Er macht es, „weil ich merke, dass viele andere Schülerinnen und Schüler das nicht können – und zwar deshalb nicht, weil die Pandemie sie belastet. Meine Motivation ist, anderen zu helfen.“
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Für einen Teenager hört sich das sehr erwachsen an – und ist es in diesem Fall wohl auch. Wobei Jost Hoffmann trotz der versierten Ausdrucksweise, trotz des selbstbewussten Auftretens und der gefestigten Ausstrahlung nichts von einem frühvergreisten Politik-Nerd hat, sondern als der sympathische 16-Jährige von nebenan rüberkommt. Er argumentiert mit Fakten.
Pandemie belastet viele Schülerinnen und Schüler in Siegen-Wittgenstein
70 Prozent der Schülerinnen und Schüler, sagt er, litten und leiden in der Pandemie an depressiven Verstimmungen. Viele seien überfordert damit, den Alltag auf die Reihe zu kriegen, Homeschooling, selbst organisiertes Lernen, gerade auch „weniger Privilegierte ohne Laptop zuhause“. Dass Leuten unter solchen Voraussetzungen die Energie und der Antrieb fehlen, sich ehrenamtlich in der BSV zu engagieren, sei nicht verwunderlich. „Ich aber muss mir keine Sorgen machen“, schätzte er die Lage realistisch ein. Er habe ein Ipad. Er habe ein Zuhause, wo er gute Bedingungen fürs Homeschooling hat. Und das Gymnasium Stift Keppel, das er besucht – er ist in Jahrgangsstufe 11, hat Deutsch und Englisch als Leistungskurse – sei bei der Digitalisierung gut aufgestellt. Auf die Mehrheit der Jugendlichen treffe all das allerdings nicht zu.
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Dazu komme noch etwas Anderes. „Das Gefühl, das viele während der Pandemie belastet hat: Ich darf nicht wählen, ich bin also eh nicht wichtig“, schildert er seinen Eindruck aus dem Kontakt mit Kindern und Jugendlichen. „Das ist doch ein fatales Zeichen an die Politik! Ich will da Lobby sein.“
Siegen-Wittgenstein: Bezirksschülervertretung auch auf Landesebene sichtbar machen
In Klasse 7 und 8 war er stellvertretender Klassensprecher, seit Klasse 9 ist er Schülersprecher am Stift. Mit 14 Jahren musste er diesen Posten auch älteren Jugendlichen gegenüber ausfüllen, und in dieser Phase sind zwei Jahre durchaus ein Altersunterschied. „Es war auf jeden Fall eine Aufgabe, den SV-Vorstand zusammenzuführen“, sagt Jost Hoffmann. Aber er bekam es hin. „Das Ziel, das Beste für die Schülerschaft herauszuschlagen, hat uns geeint.“
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Mit der Bezirksschülervertretung hatte er zunächst wenig zu tun, er war lediglich Ersatzdelegierter für Stift Keppel. „Die Arbeit der Bezirksschülervertretung habe ich insofern mitgekriegt, als dass ich zu wenig von dieser Arbeit mitgekriegt habe.“ Alles sei zu leise gewesen, auch auf Landesebene – er hatte andere Vorstellungen: „Das meine ich mit Potenzial.“
Mitten in der Pandemie zum Bezirksschülersprecher für Siegen-Wittgenstein gewählt
Gewählt wurde er erstmals im September, als die Pandemie gerade in einem ruhigeren Abschnitt war, sich die nächste Eskalationsstufe aber bereits abzeichnete. Ende Juni wurde er für ein Jahr wiedergewählt. „Wir müssen mit dem Kreis in Kontakt kommen und mit anderen Entscheidungsträgern. Und mit vielen Schülerinnen und Schülern, um ein differenziertes Meinungsbild zu bekommen“, beschreibt er das bevorstehende Programm.
Interessen wahrnehmen
Schülervertretungen werden von den Schülerinnen und Schüler gewählt, um ihre Interessen wahrzunehmen. Zunächst geschieht das auf Ebene der einzelnen Schulen intern. Darüber hinaus gibt es aber auch überregionale Organe wie die Bezirksschülervertretung oder die Landesschülervertretung.
Die Arbeit als Bezirksschülersprecher ist nicht das einzige Feld, auf dem Jost Hoffmann sich engagiert. Seit er 14 ist, ist er Mitglied der Jungen Union und derzeit Schriftführer im Kreisvorstand. Mit 16 trat er in die CDU ein und ist in Hilchenbach beratendes Mitglied der Ratsfraktion. „Das hilft natürlich, das ist Politik hautnah“, sagt er über die Verbindungen zu seiner Arbeit als Bezirksschülersprecher. „Wie muss man auftreten? Wie sind Strukturen? Wie muss man Dinge angehen?“ Vieles sei im vertraut, „weil ich ja einen Großteil meiner Freizeit dafür gebe“.
Jost Hoffmann aus Allenbach: Politik als Hobby
Politik nennt der 16-Jährige dann auch als sein Hobby. Neben Tennis spielen. „Ich mache Politik gerne, weil ich gerne Dinge verbessern möchte.“ Sein gleichaltriges Umfeld habe damit keine Probleme. „Für meinen Freundeskreis ist das normal. Viele sind selbst auch politisch engagiert.“ Allerdings nicht alle für dieselbe Partei. „Da kann man schon mal streiten“, sagt er und lächelt.
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Nach der Schule möchte Jost Hoffmann studieren, „Richtung Volkswirtschaftlehre und Politikwissenschaften“, währenddessen weiterhin politische Ämter bekleiden. Eine Laufbahn als Berufspolitiker käme natürlich in Frage; doch da bleibt er diplomatisch, legt sich nicht fest. „Die Berufswünsche sind noch nicht ganz ausgereift. Politik und Wirtschaft sollten aber eine Rolle spielen.“
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