Netphen. Empörung ist auch in Netphen groß. Politik rät zu drastischen Reaktionen. Nur noch ein Zentralort.
Die Empörung über den Entwurf des Regionalplans erfasst auch die Stadt Netphen. Der Stadtentwicklungsausschuss hat Bürgermeister Paul Wagener darin bestärkt, gerichtlich gegen das Planwerk vorzugehen – falls der Regionalrat es denn in Kraft setzt. Zunächst will die Stadt eine erneute Offenlegung fordern, nachdem die Frist zur Bürgerbeteiligung zum Monatsende ohne Verlängerung ablaufen wird.
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
Grundsätzliches
Beigeordneter Andreas Fresen sprach von „deutlicheren Restriktionen“, Bürgermeister Paul Wagener formulierte schärfer: Mit den geplanten Festlegungen zu Gewerbe-, Wohnbau- und Windenergieflächen werde „das Ende der kommunalen Selbstverwaltung eingeleitet“, „das gibt uns einen Vorgeschmack auf grüne Landesentwicklungsplanung“. Die Ziele und Grundsätze des Regionalplanentwurfs „nehmen uns die Luft zum Atmen“. Die Beteiligung der Kommunen daran sei „lediglich simuliert“ gewesen. Wagener berichtete, dass die Bürgermeisterkonferenz bereits anwaltliche Beratung in Anspruch nimmt. „Das muss dann eine Verfassungsklage werden“, sagte Manfred Heinz (SPD). Verletzt werde das in der Verfassung gesetzte Recht auf kommunale Selbstverwaltung.
+++Lesen Sie auch: Siegen-Wittgenstein für Neustart bei Regionalplan +++
Alfred Oehm (CDU) ging mit der Arnsberger Planungsbehörde hart ins Gericht: „Meines Erachtens sollten diese Mitarbeiter woanders beschäftigt werden, wo sie weniger Schaden anrichten.“ „Ich rege mich selten auf“, schloss sich Annette Scholl (SPD) an, „aber das kann alles nicht sein. Auch die Mitglieder des Regionalrates tragen Verantwortung.“ „Undemokratisches Verhalten“ sah Rüdiger Bradtka (CDU) in der Weigerung der Bezirksregierung, die durch Corona beschränkten Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung zu verlängern. „Schickt Stellungnahmen mit großen Transportern nach Arnsberg, damit die was zu kauen haben.“ Ähnlich drastisch Paul Legge (CDU) – sein Ratschlag an die Bürgermeister: „Nehmt den Krempel und schmeißt ihn den zuständigen Leuten vor die Füße. Diese Behörde gehört abgeschafft.“
Im Entwurf des Regionalplans werde „ländliches Entwicklungspotenzial zum großen Teil ignoriert“, stellte Tobias Glomski (Grüne) fest. Dass das, wie von Bürgermeister Wagener formuliert, Ausdruck grüner Politik sei, sei aber „unhaltbarer Unfug“. Markus Sting (Grüne) riet gegenüber der Bezirksregierung nicht zu einem allzu moderaten Tonfall: „Man sollte das vielleicht ein bisschen drastischer formulieren.“ „Was nützen uns Heimatpreise, wenn die Heimat kaputt gemacht wird?“, fragte Manfred Heinz (SPD, „wenn man uns die Entwicklung der Dörfer nimmt, kann der ganze Rat nach Hause gehen.“ Manfred Heinz (SPD) erinnerte daran, dass Regionalratsvorsitzender Hermann-Josef Droege (CDU), auch Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion, die andere Seite kennt: „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ein ehemaliger Bürgermeister von Burbach so ein Produkt lobend erwähnt.“
Kommentar: Kommunale Demokratie mit Regionalplan ausgehebelt +++
Windkraft-Standorte sind bereits durchgefallen
Wind: „Die im Regionalplan vorgeschlagenen Windenergiebereiche sehen aus, als ob jemand mit Wurfpfeilen auf eine Karte geworfen hat“, sagte Alfred Oehm (CDU). Die meisten Flächen habe die Stadt schon in einem früheren Verfahren untersuchen lassen und als nicht geeignet verworfen. „Die Hoheit für die Planung von Windkraftanlagen muss bei den Kommunen liegen“, forderte Rüdiger Bradtka (CDU). Höhenbegrenzungen für neue Windräder könne die Stadt nicht im Regionalplan durchsetzen, sagte Fachbereichsleiter Bernd Wiezorek – und sonst eigentlich auch nicht: Das 100-Meter-Limit für die drei Windräder in Salchendorf stand im alten, außer Kraft gesetzten Flächennutzungsplan. Neue Anlagen seien mindestens 150 Meter hoch, sagte Beigeordneter Andreas Fresen. Ein Bebauungsplan für ein Sondergebiet – so wie ihn die Gemeinde Wilnsdorf gerade für die Gernsbacher/Tiefenrother Höhe bearbeitet – wäre aber noch eine Alternative da, wo es keine Vorrangzonen für Windkraftanlagen mehr gibt: „Damit kann man das steuern.“
Lesen Sie auch: Kreuztal bereit zur Klage gegen Arnsberg +++
Baugebiete in Netphen und Deuz
Baugebiete: „Gerade jetzt in Zeiten von Corona wollen viele wieder aufs Land ziehen“, sagte Alfred Oehm (CDU) und betonte die Notwendigkeit der neuen Baugebiete Burggraben in Netphen, Sterndill und Dahlborn in Deuz. Allein für die acht Bauplätze am Mannsberg in Herzhausen füllten die Namen der Interessenten eine ganze DIN-A-4-Seite. Die Stadt müsse die Bebauungspläne rechtskräftig werden lassen, bevor der Regionalplan in Kraft treten könne. „Sonst droht der Wegzug junger Menschen und der Niedergang der Dörfer“, folgerte Rüdiger Bradtka (CDU). Manfred Heinz (SPD) erinnerte daran, dass die Stadt erst 2016 in ihrem neuen Flächennutzungsplan „Wohnbauflächen in großem Stil“ habe aufgeben müssen.
Photovoltaik: Die CDU-Fraktion regt an, Flächen für Freiflächenphotovoltaik vorzusehen. Irgendwo müsse der Strom für E-Autos schließlich erzeugt werden, sagte Wolfgang Grebe (UWG), „es kann kann ja nicht sein, dass wir den aus Kohlekraftwerken beziehen.“ Paul Legge (CDU) sah die Wiesen im Werthetal zwischen Salchendorf und Deuz als „ideale Hanglage“ für die Module: „Untendrunter bleibt es ja grün.“
Dreis-Tiefenbach verliert mögliches Wohngebiet
Nur noch Netphen-Mitte erscheint im Regionalplan als „zentralörtlicher allgemeiner Siedlungsbereich“, Dreis-Tiefenbach und Deuz werden zu „allgemeinen Siedlungsbereichen“ herabgestuft. Werthenbach, Irmgarteichen und Hainchen als bisheriger weiterer Siedlungsschwerpunkt spielen keine Rolle mehr.
Dreis-Tiefenbach: Ins Blickfeld rückt der Grimberg. Der Hang zwischen dem Bruch und dem Dreisbacher Berg war nie Thema politischer Diskussionen, aber immer schon im Flächennutzungsplan als Wohngebiet eingetragen. Die Stadt hatte eine Planung dort nicht weiter verfolgt, weil ein Gutachten zu viel Lärmbelastung durch die B 62 und das Industriegebiet in der Tallage voraussagte. Im Regionalplan ist das Gebiet oberhalb von Storchennest und Grundschule gestrichen. Dem sollte die Stadt widersprechen, forderte Alfred Oehm (CDU). Er sei „enttäuscht und wütend“, pflichtete Heinz Voss (CDU) bei. Es handele sich um einen „Sonnenhang erster Güte“, sagte Manfred Heinz (SPD), „den sollten wir nicht einfach aus der Hand geben.“ Hinzu kommt, dass Dreis-Tiefenbachs einziges künftiges Neubaugebiet, die Alte Burg, ebenfalls reduziert werden soll, stellte Bernd Wiezorek, Fachbereichsleiter Stadtplanung, fest: „Eine wirtschaftliche Erschließung ist nicht mehr möglich.“ Als Wohngebiet durfte die Stadt die Hardt in Dreis-Tiefenbach, den Hang oberhalb der Austraße, in ihrem Flächennutzungsplan nicht ausweisen – der Bezirksplanungsbehörde hatte die Anbindung des Gebiets, das an die K 5 in Höhe des Reichspfads angebunden würde, an die Ortslage gefehlt. Als Gewerbegebiet, wie von der IHK vorgeschlagen, wollte die Stadt die Hardt nicht. Als Gewerbegebiet steht der Bereich nun im Regionalplan. „Glücklich sind wir damit nicht“, formulierte Annette Scholl (SPD) vorsichtig.
Hainchen: Um die 100 Bauplätze wären in einem Baugebiet In den Haincher Eichen oberhalb des Sportplatzes möglich gewesen, sagte Paul Legge (CDU).
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++