Netphen. .

42 Jahre alt ist der Flächennutzungsplan der Stadt Netphen. Über 50 Mal ist er inzwischen in mehr als 150 Bereichen geändert worden. Am 11. Dezember 2003 hat der Rat beschlossen, den Plan komplett neu aufzustellen. Das Konzept stand 2005.

Vor gut einem Jahr hat der Plan offengelegen. 28 Behörden, Verbände und Kommunen haben dazu Stellung genommen, außerdem 24 Privatleute. Ihre Einwände führen dazu, dass der Entwurf noch einmal in 26 Bereichen geändert wird. In seiner nächsten Sitzung wird der Stadtentwicklungsausschuss über diesen geänderten Entwurf beraten, der ein weiteres Mal offengelegt wird. Am meisten umstritten ist die Ausweisung neuer Wohnbauflächen in Dreis-Tiefenbach. Vielleicht, meinte SPD-Fraktionschef Manfred Heinz im Verlauf der Debatte, geht dort ja gar nichts.

Alte Burg

Auf Widerspruch stößt das in Dreis-Tiefenbach geplante neue Baugebiet Alte Burg, das über die Reichspfad-Siedlung und die bisher dort in einem Wendehammer endende Weidenauer Straße erschlossen werden soll. Die Bewohner fürchten Verkehrslärm und Gefahren für spielende Kinder. „Es kann nicht angehen, die Planungsfehler, die die damalige Gemeinde Netphen mit der sehr engen Bebauung des Heckersbergs begangen hat, durch das geplante Wohngebiet Alte Burg noch gesteigert werden.“ In einer weiteren Einwendung heißt es: „Wird die Weidenauer Straße Durchgangsstraße, gibt es keinen Platz zum Spielen für die Kinder mehr, da auch kein Spielplatz vorhanden ist.“

UWG-Stadtverordneter Erhard Braas weist auf die Schäden für die Waldgenossenschaft hin: Bis zu 80 Hektar gingen ihr verloren, für die sie Jagdpacht einnehmen könnte, zudem der neu angelegte Holzabfuhrweg, der nun als Verlängerung der Weidenauer Straße Zufahrt zur Alten Burg werden soll. „Die Verwaltung gibt immer vor, bürgernah zu sein, doch die Bürger merken nichts davon“, meint Braas mit Blick auf die Vorlage von 147 Unterschriften aus dem Reichspfad-Wohngebiet. Auch der Landesbetrieb Wald und Holz tritt für den Erhalt des 2013 mit Laubholz aufgeforsteten Bestands ein, zudem werde „ein erheblich genutzter Naherholungsbereich eingeschränkt“.

Alternative: Hainschuss

Mehrfach ins Spiel gebracht wird der Hainschuss, das Hochplateau zwischen Dreis-Tiefenbach und Eckmannshausen, im Gegensatz zum Nordhang der Alten Burg die „Sonnenseite von Dreis-Tiefenbach“. Die Verwaltung erinnert an die Ende der 1990er Jahre darüber geführte Debatte: Der Rat wollte das zusätzliche Baugebiet erst dann planen lassen, wenn es eine Lösung für die Verkehrssituation in Dreis-Tiefenbach gibt. „Dies ist bis zum heutigen Tage nicht der Fall und auch nicht absehbar.“ Schwierig sei auch die Erschließung der Kuppe über eine 200 Meter lange Straße mit bis zu zehn Prozent Steigung. Dies bestreitet Erhard Braas: es gebe zwei Zufahrten, die Steigung sei geringer als die zur Alten Burg. Zu Wort gemeldet hat sich aber auch der Landwirt, der wegen des Straßenbaus in den 1960er Jahren aus Dreis-Tiefenbach ausgesiedelt worden ist. Er brauche die hofnahen Flächen auf dem Hainschuss zur Bewirtschaftung, zumal schon durch den Bau der Breitenrath-Siedlung in den 1980er Jahren große Flächen verloren gegangen seien.

Alternative: Auf der Hardt

Als weitere Alternative ist der Bereich Auf der Hardt in der Dreis-Tiefenbacher Debatte, die direkt an die K 5 angebunden werden könnte — ähnlich wie der Bürbacher Giersberg auf Siegener Gebiet. Die Lage sei attraktiv, die Siegener Oberstadt über den Giersberg zu erreichen, sodass für Dreis-Tiefenbach keine zusätzliche Verkehrsbelastung entstünde. Die Verwaltung weist den Vorschlag zurück: Der Bereich, der dem Reichspfad auf der anderen Seite der K 5 gegenüberliegt, habe keinerlei Anbindung an das Dreis-Tiefenbacher Siedlungsgebiet, es entstünde eine nicht gewünschte „solitäre Wohninsel“.

Schrumpfen nach Plan 

Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Naturschutzbund (Nabu) kritisieren die aus ihrer Sicht unzureichende Rücknahme von Siedlungsflächen. „In überaus fragwürdiger Weise“ halte die Stadt an Reserveflächen für die Wohnbebauung fest — konkret richtet sich der Widerspruch gegen das Burggraben-Baugebiet.

Die Nachbarstadt Siegen freut sich, dass Netphen nicht, wie erst geplant, 7,1 Hektar Wohnbauflächen zusätzlich, sondern 18,7 Hektar weniger ausweist. Dennoch sei „nicht nachvollziehbar“, ob der bisherige Überhang „auf ein verträgliches Maß reduziert“ sei. Eine solche Beurteilung durch die Siegener Stadtverwaltung, so die Antwort aus Netphen, „wird als nicht erforderlich angesehen“.

Die IHK bedauert, dass der neue Flächennutzungsplan 20 Hektar weniger Gewerbeflächen ausweist als der aktuelle Plan und begrüßt „nachdrücklich“ Überlegungen für ein interkommunales Hilchenbach-Netphener Gewerbegebiet auf der Oberbach zwischen Herzhausen und Allenbach, das an die Route 57 angebunden würde.

Reserven für jeden Ortsteil

Für „nicht nachvollziehbar“ hält die Bezirksregierung den von der Stadt angemeldeten Bedarf, jedes Jahr 0,5 Prozent mehr Wohnbaufläche auszuweisen. Die Stadt will sich nicht festlegen lassen, nachdem sie bereits große Siedlungsflächen zurückgenommen hat: Jeder Ortsteil benötige zumindest eine Reservefläche „zur bedarfsgerechten Weiterentwicklung“.

Im neuen Flächennutzungsplan passt die Stadt sich den Vorgaben des Regionalplans an: Die Wohnbauflächen werden um 13,8 Hektar auf nun 560 Hektar verringert, die Gewerbeflächen um 26 Hektar auf nun 202 Hektar. Fast 89 Prozent des Stadtgebiets sind land- und forstwirtschaftliche Flächen, über neun Prozent sind Siedlungs- und Verkehrsflächen.

Kampf um den Bauplatz 

Eine Reihe von Einwendungen betrifft private Belange. Häufig geht es darum, dass Wohnbauflächen in Flächen für die Landwirtschaft umgewandelt werden. Konkret weist einer der Einwänder auf „erheblichen finanziellen und wirtschaftlichen Schaden“ durch den Wertverlust des nun nicht mehr bebaubaren Grundstücks hin, das er Kindern und Enkelkindern als Bauplatz hinterlassen wollte. Die Verwaltung verweist in der Regel darauf, dass die für den jeweiligen Ortsteil ausgewiesene Wohnbaufläche ausreicht.

Aus demselben Grund beißt auch die Waldgenossenschaft Eschenbach auf Granit, die ein Waldstück zur Umwandlung in Wohnbaufläche anbietet, „um dem Dorf Entwicklungsspielraum zu geben“. In Eckmannshausen weist die Stadt Baugrundstücke auf der Pfarrwiese aus und stößt dabei auf den Widerspruch des Kapellenvereins: Das Josefsheim hat zu wenig Parkplätze und braucht eine Reservefläche.

Einwänder aus Irmgarteichen verteidigen das Baugebiet In den Haincher Eichen, das im neuen Flächennutzungsplan teilweise wieder der Landwirtschaft überlassen werden soll: Das Gebiet liege auf der attraktiven Sonnenseite und sei einfach zu erschließen. Die Verwaltung entgegnet, dass im verbleibenden Gebiet noch genügend Reservefläche zur Bebauung vorhanden seien.

Windenergie ist kein Thema

Ins Leere laufen Widersprüche gegen die auf dem Hellerkopf geplanten bis zu zwölf Windräder. „Was dort über unsere Region hineinzubrechen droht, sprengt den Rahmen des Gemeinverträglichen.“ Der Flächennutzungsplan enthält überhaupt keine Windkraft-Vorrangzonen mehr, auch nicht die mit den Standorten in Salchendorf, wo sich bisher drei Windräder drehen. Die Stadt will einen eigenen Teil-Flächennutzungsplan für die Windenergienutzung zeitgleich mit dem allgemeinen Plan in Kraft setzen.