Siegen. Das Museum für Gegenwartskunst Siegen präsentiert seine Sammlungen neu arrangiert. Selbst für regelmäßige Besucher ergeben sich neue Perspektiven.

Mit Kunstsammlungen ist es wie mit Menschen: Man denkt vielleicht, man kennt längst alles – und dann entdeckt man doch ganz neue Seiten und Nuancen. Im Museum für Gegenwartskunst Siegen ist es Teil von Ines Rüttingers Job, dem Publikum genau solche Erlebnisse zu bieten. In der Ausstellung „Von Erde schöner. Die Sammlungen des MGK Siegen“ gelingt das ganz wunderbar.

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„Die Idee ist, dass beide Sammlungen zueinanderfinden“, sagt die Kuratorin. „Die Verzahnung ist immer wieder spannend.“ Der Fundus sind die Sammlung Lambrecht-Schadeberg mit Werken der Rubens-Preisträger und die Sammlung Gegenwartskunst. Bereits zur Eröffnung der Ausstellung „Unsere Gegenwart“ im Frühjahr 2020 präsentierte das Team eine neue Hängung der Sammlungen – eines der ersten Projekte des neuen Chefs Thomas Thiel.

Siegen: Museum für Gegenwartskunst eröffnet mit „Von Erde schöner“ neue Blickwinkel

Damals wie heute macht die Präsentation klar: Ein Museum ist eben kein Ort, an dem einfach irgendwelche Bilder irgendwie an irgendwelche Wände gehängt werden. Ein gutes Museum zeichnet aus, dass jedes Werk aus gutem Grund an einem ganz bestimmten Platz im Zusammenspiel mit ganz bestimmten anderen Arbeiten zu sehen ist. „Dialog der Sammlungen“ nennt das MGK es in diesem Fall – und das völlig zu Recht. Denn auch, wenn Kunstwerke jeweils für sich alleine wirken, so treten sie doch immer in Verbindung zu anderen Werken in ihrer Umgebung.

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Das kann klappen, muss aber nicht. Aufgabe von Kuratorin Ines Rüttinger ist es, Lösungen zu finden. Sie hat Ideen, dann geht es um „probieren, verfeinern und schauen: funktioniert das in echt?“, beschreibt sie den Prozess. Jeder Raum muss in sich stimmig sein, gleichzeitig aber auch stimmig in den Rundgang passen. Für jedes Stück der Ausstellung, das gerade regelmäßigen Besuchern des Hauses bereits bekannt sein wird, wolle sie „neue Bezugspunkte aufmachen. Das finde ich das Wichtige.“

Siegen: „Strand“ von Sigmar Polke trifft auf „Grube San Fernando“ der Bechers

Ausgangspunkt für „Von Erde schöner“ ist eine gleichnamig Fotoserie von Peter Piller. Der Rubensförderpreisträger von 2004 stellt aus Archivbildern Serien zusammen, sortiert also vorgefundenes Material. Hier sind es Luftbildaufnahmen von Einfamilienhäusern, fünf an der Zahl, denen trotz des sehr sachlichen Blicks jeweils etwas Überraschendes innewohnt; nackte Erde anstelle eines Gartens oder ein Raum ohne Dach zum Beispiel. Dazu stellt das MGK Gemälde von Lucian Freud, die wenig schmucke Hinterhöfe zeigen.

Neues Format

Mit dem „Studiolo“ hat das MGK einen eigenen Raum innerhalb der Sammlung geschaffen, in dem ausgewählte Arbeiten gezeigt werden.

Aktuell sind es neu erworbene Zeichnungen von Maria Lassnig. Das Studiolo soll in kürzerem Rhythmus als die übrigen Ausstellungen neu bespielt werden.

Der nächste Raum kombiniert „Strand“ von Sigmar Polke – eine Strandszene, die aufgrund der Malweise mittels Rasterung umso besser zu erkennen ist, je weiter der Betrachter entfernt ist – mit einer großformatigen Fotografie von Armin Linke. Sein Strandidyll trügt, denn was aussieht wie das weite Meer ist in Wahrheit der Smog-verhangene Himmel über Kairo. Dazu gesellen sich Fotos von Bernd und Hilla Becher, „Industrielle Landschaft, Grube San Fernando, Herdorf“, deren Erdwälle in diesem Kontext wie Dünen erscheinen.

Museum für Gegenwartskunst Siegen: Bacon und Tápies, Hartung und Twombly

„Raum“ ist ein zentrales Moment, dass sich durch die Ausstellung zieht. Das schließt Körper im Raum ein. Francis Bacons Darstellung von Körperlichkeit – verdreht, verzogen, verstörend – trifft auf Antoni Tápies’ reliefartige, dunkle Bilder mit ihren plastischen Strukturen und die plastische Darstellung eines am Boden zusammengekrümmten Körpers. Und es gibt Raum als quasi implizite Dimension; als den Raum der Bewegung, mit der Hans Hartung seine getröpfelten und gespritzten Bilder schuf. Ihnen sind Arbeiten von Cy Twombly gegenübergestellt, ebenfalls entstanden aus energischer Bewegung, aber ungleich roher. Der perfekte Gegenpol dazu: Ein Wandbild vonNiele Toroni, dessen akkurat gesetzte Pinselabdrücke perfekte Ordnung vermitteln.

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Zu sehen ist „Von Erde schöner“ bis zum 13. Februar 2022. Derzeit ist keine Anmeldung vor dem Besuch erforderlich – allerdings gelten die jeweils bestehenden Corona-Regeln.

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