Siegen. Das Museum für Gegenwartskunst Siegen präsentiert eine begehbare Installation von Michael Beutler. Sie ist Kunstwerk – und sozialer Treffpunkt.

Ironischerweise hat Wind einen Anteil daran, dass der „fliegende Markt“ erst mit Verspätung fertig wurde. Das Aprilwetter der vergangenen Mai-Tage spielte dem Bildhauer Michael Beutler und der mit ihm zusammenarbeiteten Schreinerei auf dem Schlossplatz definitiv nicht in die Karten. Und als am Freitagmorgen die letzten Elemente an der begehbaren Installation angebracht werden sollten, kam noch eine Runde Schneeregen.

Auch interessant

Obwohl „eine heftige Aufbauwoche“ zu verkraften war, wie Thomas Thiel, Leiter des Museums für Gegenwartskunst (MGK), sagt, ist zum offiziellen Starttermin am Samstag – nun ja, eben doch noch alles in trockenen Tüchern. Bis zum 10. Oktober wird die Installation, die Teil des MGK-Ausstellungsprogramms ist, bleiben. Sie steht dabei nicht einfach rum und ist nett anzuschauen – sie soll den Menschen Nutzen bieten als „eigenständige Skulptur und gesellschaftlicher Treffpunkt zugleich“, wie das Museum schreibt.

Siegen: Installation „Fliegender Markt“ auf dem Schlossplatz als Treffpunkt in der Stadt

Fraglos bietet die weitgehend hölzerne Installation dafür beste Voraussetzungen. Sie ist zusammengesetzt aus einer Art Marktständen, die so arrangiert sind, dass sich im Inneren eine Freifläche ergibt: Ein Platz auf dem (Schloss)Platz. Jeder Stand hat einen Baldachin aus schwarzem Stoff, diese Gestaltung wiederholt sich auf einer zweiten, nicht begehbaren Ebene. Über die Markt-Optik hinaus greift dieser Aufbau den Eindruck innerstädtischer Dachlandschaften auf. Das Beutler-Werk korrespondiert mit seiner historischen Umgebung, hat dabei aber dank des Rückgriffs auf die sehr traditionelle Formensprache etwas Zeitloses. Und genau das spiegelt sich auch in seinem Zweck.

Auch interessant

Für gewöhnlich stellt sich bei Kunst die Frage nach unmittelbar alltags-praktischem Nutzen maximal am Rande. Bei diesem Werk ist es ganz anders, weil die Nutzbarkeit Teil des Konzepts ist. Das MGK, sagt Thomas Thiel, wolle sich mit diesem Beitrag als „offenes Museum“ präsentieren, in den Außenraum gehen. Menschen sollen sich in der Installation treffen, ihre Mittagspause dort verbringen. Der fliegende Markt sei „eine Einladung, zu performen, zu tanzen, Musik zu machen“, ergänzt Michael Beutler. Das MGK wird diese Installation für eigenes Programm und Veranstaltungen nutzen, andere Institutionen und Gruppen können das aber genauso tun. Und die Passantinnen und Passanten sowieso. Diese Art von kultureller Steilvorlage mitten in der Stadt, im öffentlichen Raum, „ist im Moment genau das richtige Statement“, betont Thomas Thiel.

Museum für Gegenwartskunst Siegen: „Fliegender Markt“ als Ausstellung im Freien

Es versteht sich von selbst, dass alle Coronaregeln dabei einzuhalten sind. Bei der Open-Air-Installation sollte das aber kein Problem sein. Sie ist dabei so praxisnah konzipiert, dass sich ihre Module sogar verändern lassen. „Banktische“, beschreibt Michael Beutler die Lösung, die es dem MGK möglich macht, Sitzflächen zu Tischplatten umzuarrangieren – und umgekehrt. Auch hier zeigt sich der Anspruch, den Menschen nicht nur ein Kunstwerk zu geben, an dem sie Teil haben können, sondern ihnen diesen Schritt durch die Alltagstauglichkeit schmackhaft zu machen.

Um ein Jahr verschoben

Michael Beutler, 1976 in Oldenburg geboren, ist Bildhauer und Installationskünstler. Er lebt und arbeitet in Berlin.

„Der fliegende Markt“ auf dem Schlossplatz war für 2020 geplant, wurde aber wegen der Pandemie verschoben. Je nachdem, wie gut die Installation die Zeit in Siegen übersteht, könnte sie noch einmal andernorts aufgebaut werden.

Nun ist es bei aller praktischen Nutzbarbarkeit aber keineswegs so, dass Michael Beutlers Arbeit nicht trotzdem als Kunstobjekt funktionieren würde. Balkenkonstruktion, Linienführung, Sichtachsen, Farbspektrum sind durchkomponiert; je nachdem, wo der Betrachter sitzt, steht oder vielleicht liegt (wieso auch nicht?) ergeben sich räumlich gestaffelte Eindrücke innerhalb des Werkes und in Verbindung mit der Umgebung. „Es wird interessant zu sehen, wie die Installation angenommen wird“, sagt Thomas Thiel. Tipp zum Auftakt: Sie wird einige Fans finden.

„Der fliegende Markt“ wird gefördert von der Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank West und dem Freundeskreis des MGK Siegen.