Siegerland. Friseure dürfen wieder öffnen, aber Perspektiven für Gastronomie, Handwerk und Handel in Siegen-Wittgenstein fehlen: Viele Betriebe brauchen Geld

Die Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März stellt Siegen-Wittgenstein vor immer größere Herausforderungen. Gerade in der Wirtschaft regt sich Kritik.

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Gastronomie: Neue Maßnahmen „planloses Rumgeeier der Politik“

„Es kam, wie wir es befürchtet haben: Es sind keine Öffnungsszenarien für die Gastronomie vorgesehen“, sagt Lars Martin, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Westfalen. „Es handelt sich wieder um ein planloses Rumgeeier der Politik.“

Seit dreieinhalb Monaten befinde sich die Branche im Lockdown, „ohne jegliche Perspektiven werden wir immer vertröstet“, sagt er. „Viele Gastronomen sind am Ende. Ich weiß von vielen Betrieben, deren Inhaber die Altersversorgung aufgekündigt haben, um liquide zu bleiben.“ Auch Immobilien, eigentlich gedacht als Altersvorsorge, würden mitunter belastet, die Rücklagen seien aufgebraucht.

Dehoga fürchtet für Gastronomie in Siegen-Wittgenstein verheerende Folgen

Die Betriebe hätten ihre Kosten bereits auf ein Minimum heruntergefahren, gewisse Fixkosten blieben aber nun einmal und müssten bezahlt werden. „Wir sehen die Überbrückungshilfe III als frommen Wunsch und hoffen auf das Beste“, sagt Lars Martin. Die Erfahrungen in diesem Bereich seien bisher nicht positiv. Etwa ein Viertel der November-/Dezemberhilfen seien noch nicht ausgezahlt, so der Verbands-Vertreter. Die Inhaber müssten deshalb, ähnlich wie beim Kurzarbeitergeld, in Vorleistung gehen. Dazu müsse aber Geld verfügbar sein.

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Der Verband fürchtet langfristig verheerende Folgen für die Branche . „Wir sind ja mal von einem großen Knall ausgegangen, von einer großen Pleitewelle“, erläutert Lars Martin. „Aber es wird wohl eher ein schleichender Prozess – wenn die Betriebe wieder hochfahren und Verbindlichkeiten zurückzahlen müssen.“ Zunächst werde das Geschäft in jedem Fall in abgespeckter Form anlaufen, „wir werden auf lange Sicht nicht kostendeckend arbeiten können. Es ist eine Katastrophe. Und dabei haben unsere Betriebe nach dem ersten Lockdown über Monate gezeigt, dass sie gute Hygienekonzepte haben und umsetzen.“

Handwerkskammer bedauert: Keine Perspektiven für Kosmetik- und Nagelstudios

„Den berechtigten Forderungen des Handwerks wurde zumindest in Teilen nachgekommen“: Handwerkskammer und Friseur-Innung Westfalen-Süd begrüßen die Öffnung der Friseursalons ab 1. März. Dies werde mit allen gebotenen Maßnahmen zum Infektionsschutz umgesetzt – entsprechende Hygienekonzepte seien längst ausgearbeitet –, nehme Betrieben und Beschäftigten ein Stück Existenzangst und helfe „tausendfachen Arbeitsplatzverlust in letzter Sekunde abzuwenden“, so die Kammer.

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Unerlässlich allerdings blieben wirtschaftliche Hilfen, auch angesichts bereits erlittener Verluste und hohen Aufwands für Prävention. Zudem sei es sehr bedauerlich, dass Kosmetik- und Nagelstudios keine Perspektiven hätten. Deren endgültiges Aus werde sich allenfalls noch verhindern lassen, wenn die Überbrückungshilfen nun auch schnell ausgezahlt werden. Auch Nahrungsmittelhandwerke warteten weiter auf Lockerungen der Beschränkungen. Bäcker, Konditoren, Fleischer generierten erheblichen Umsatz durch Vor-Ort-Verzehr. „Der muss zügig wieder möglich gemacht werden.“

IHK Siegen fürchtet Verödung der Innenstädte

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen schließt sich der Forderung nach schneller und unbürokratischer Hilfe an. Die erwartete Öffnungsperspektive sei nicht da, das könne man gesundheitspolitisch diskutieren, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. Aber: „Von den Förderprogrammen ist nach monatelangen Ankündigungen recht wenig angekommen.“ Davon gebe es überdies zu viele und zu unterschiedliche, die Parameter würden im laufenden Verfahren verändert – ein Dschungel, den kaum einer mehr durchblicke.

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Zur Überbrückungshilfe III: „Die Botschaft höre ich wohl, allein: Mir fehlt der Glaube, dass es jetzt schneller geht“, verweist Gräbener auf rund 4000 von rund 5000 Betrieben im Kammerbezirk, die am Ende des nun verlängerten Lockdowns drei Monate geschlossen haben werden. Beim Kurzarbeitergeld habe es kaum Klagen gegeben, weil das über bestehende Verwaltungsstrukturen abgewickelt wurde. Für die Überbrückungshilfen sei eine neue Förderbürokratie installiert worden – mit entsprechenden Konsequenzen. „Der Frust ist jetzt schon groß und er wird nicht kleiner werden.“ Je länger der Lockdown dauere, als desto größer sei die Gefahr, dass „die Innenstädte, wie wir sie kennen, nicht mehr existieren werden.“

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