Siegen. Siegen prüft die Errichtung einer vierten Gesamtschule. Das wird Folgen für mehrere andere Schulen haben.

Es gebe "viel zu tun", sagte Schuldezernent André Schmidt dem neuen Schulausschuss, der in seiner ersten Sitzung gleich in die Schulentwicklungsplanung einsteigen musste. "Sehr großer Handlungsbedarf" bestehe bei den Grundschulen, vor allem wegen der "absolut positiven Kinderzahlenentwicklung". Bewegung kommt aber auch in die Landschaft der weiterführenden Schulen: Die Verwaltung setzt die Schließung eines der vier städtischen Gymnasien auf die Tagesordnung - unabhängig davon, ob die vierte Gesamtschule kommt, für die der Schulausschuss auf Antrag von CDU und SPD einstimmig einen "Prüfauftrag" verabschiedet hat.

Kommt die vierte Gesamtschule?

Die sei angesichts der alljährlichen Abweisungen von Kindern mangels ausreichender Plätze in den insgesamt 14 Eingangsklassen "möglich und auch sinnvoll", sagte Joachim Pfeifer (SPD), "das hätten wir gern sorgfältig geprüft." Schuldezernent André Schmidt verwies darauf, dass auch die neue Gesamtschule zum Start 100 Anmeldungen von Siegener Kindern braucht - unabhängig davon, dass später die Plätze von Umlandgemeinden in Anspruch genommen werden.

André Schmidt wiederholte die Forderung nach einer "regionalen Schulentwicklungsplanung". Sollte damit eine Einladung an die Stadt Netphen verbunden gewesen sein, die stets fast eine Klasse der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule füllt, so verhallte diese ungehört: Netphen ist nicht auf Gesamtschulkurs, sondern erweitert das Gymnasium um einen vierten Zug. Die Stadt Siegen habe nicht widersprochen, sagte André Schmidt: "Ich will mich nicht in die Netpher Schulpolitik einmischen."

Kevin Lee Hörnberger (FDP) beantragte, bei der vierten Gesamtschule auch über eine Sekundarschule - ohne eigene gymnasiale Oberstufe - zu sprechen. Das lehnte der Ausschuss ab. "Die Eltern wollen das nicht", erinnerte Eva Bialowons-Sting (CDU) an eine Befragung in Geisweid. Dr. Maria Vallana, Leiter der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule und Sprecher der NRW-Gesamtschulleitungen, winkte ab: Da, wo eine Gesamtschule erreichbar sei, habe die Sekundarschule generell schlechte Chancen.

Welche Auswirkungen hat das für die Siegener Schullandschaft?

"Das hat Auswirkungen auf alle Schulformen", sagte Dr. Mario Vallana voraus. Auf den ersten Blick vor allem auf die gymnasialen Oberstufen: Da habe Siegen schon jetzt mit sieben städtischen Oberstufen (zuzüglich Evau) ein "luxuriöses Angebot", stellte Rüdiger Käuser, Leiter des Fürst-Johann-Moritz-Gymnasiums fest. Mit der vierten Gesamtschule käme die achte Oberstufe dazu, für die eine ausreichende Schülerzahl für das erforderliche Kursangebot benötigt wird. "Zu viel", sagte André Schmidt.

Probleme gibt es aber auch in unteren Jahrgängen: Bis zu 50 Kinder verlassen Jahr für Jahr die Erprobungsstufen der Gymnasien Richtung Realschule. Am Peter-Paul-Rubens-Gymnasium führte das sogar schon zur Zusammenlegung von drei auf zwei 7. Klassen, während an den Realschulen Mehrklassen neu gebildet wurden. Diese Bewegung werde es mit einer vierten Gesamtschule nicht mehr geben, sagte Ulrich Schloos (Linke). Schon in diesem Corona-Jahr, in dem alle Schüler versetzt wurden, blieben die Schulwechsel aus, berichtete die städtische Schulentwicklungsplanerin Christina Uhr.

Was ist mit den Gymnasien?

Die Lage sei "nicht wirklich befriedigend", stellte Schuldezernent André Schmidt fest: Die Anmeldungen sind zu unterschiedlich verteilt, die Klassengrößen bewegen sich zwischen 24 am Peter-Paul-Rubens-Gymnasium und 31 auf der Morgenröthe und am Löhrtor, wo Kinder abgewiesen werden müssen. "Gleichmäßig ausgelastete und stabile, möglichst mindestens drei Züge umfassende Schulsysteme" wünscht sich die Verwaltung in ihrer Vorlage, "unter Umständen durch Schließung eines der Gymnasien". In der Sitzung wurde der Schuldezernent noch deutlicher: "Es gibt Gymnasien, die sehr schwach sind." Und: Die Entscheidung drängt, "wir würden das Tempo gern beibehalten."

Wo käme die Gesamtschule hin?

So einfach, dass ein Gymnasium schließt und dort eine Gesamtschule einzieht, wird es nicht, kündigte André Schmidt an und nannte das Beispiel der Schießberg-Gesamtschule, für die eine Haupt- und eine Realschule gewichen sind. Über Standorte darf nun spekuliert werden, bis die Verwaltung im Sommer ihren Vorschlag vorlegt. Anzunehmen ist aber, dass die Entscheidung für die Stadtmitte fällt und dass das Peter-Paul-Rubens-Gymnasium auf dem Rosterberg mit der schwächsten Schülerzahlen-Prognose geopfert wird. In einem zweiten Schritt wird dann nach einem Dependancen-Standort zu suchen sein, an den Ober- oder Unterstufe ausgelagert werden können. Der Blick würde wohl dann nach Achenbach (Hauptschule) und aufs Obere Schloss (Realschule) gerichtet werden. Auch das Gymnasium Am Löhrtor spielt eine Rolle: Die überfüllte Schule hat keinen Platz für einen Anbau. Auch sie könnte eine Dependance gebrauchen, wenn sie keine Schüler mehr auf den Rosterberg umlenken kann.

Was passiert bei den Grundschulen in Geisweid?

Allein in Geisweid wächst die Zahl der Schulkinder um 20 Prozent. Der Schulausschuss ist dem Vorschlag der Verwaltung gefolgt, auf den Ausbau der Albert-Schweitzer-Grundschule zu setzen. Sie wird mindestens einen dritten Zug bekommen, im nächsten Schuljahr in einem Provisorium, für die nächsten drei bis fünf Jahre in einem Behelfsbau, danach in einem neuen Anbau. Früher wird das nichts, weil vorher auch noch der Ausbau der ehemaligen Realschule Am Häusling für die Spandauer Grundschule zu stemmen ist. In Geisweid will die Verwaltung auch den ehemaligen Standort der Albert-Schweitzer-Schule am Rüsterweg mit berücksichtigen - die Grundschule ist vor einigen Jahren in das Gebäude der aufgelösten Förderschule umgezogen.

Eine weitere zusätzliche dritte Eingangsklasse soll an der Geisweider Schule eingerichtet werden. In Birlenbach bleibt es bei zwei Klassen. Dort werden elf Kinder abgewiesen werden müssen. Monika Becker, Leiterin der Birlenbacher Schule, fragte nach einer Lösung mit Neubauten an zwei Standorten: "Das ist der Wunsch aller Geisweider Schulen." Den zu erfüllen, erwiderte Schuldezernent André Schmidt mit Blick auf Finanzen und Bauzeiten, sei "einfach nicht realistisch".

Wie sieht es bei den anderen Grundschulen aus?

Für die Erweiterung der Diesterwegschule gibt es grünes Licht, die Entscheidung über den Umzug der Spandauer Schule auf den Häusling wurde auf den Sommer vertagt. Die Einführung des offenen Ganztags geht weiter: Nach der Jung-Stilling-Schule kommt in diesem Jahr die Grundschule Auf dem Hubenfeld, im nächsten Jahr die Friedrich-Flender-Schule an die Reihe. Umzuwandeln bleiben dann noch die Glückaufschule und die Hammerhütter Schule. Handlungsbedarf sah Kevin Lee Hörnberger in Eiserfeld: Die Grundschule sei immer noch auf drei Standorte verteilt, neben Eisern wird auch auf dem Hengsberg, wo die Gesamtschule eingezogen ist, noch eine Klasse betrieben. Die Stadt müsse "den Umzug endlich vollziehen".

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