Siegen. Weil sie eine Nachbarin mit einer Sackkarre angriff, verurteilt das Amtsgericht Siegen eine 44- Jährige. Es ist nur eine von zwölf Anklagen.
Es ist eine schwierige Angelegenheit, mit der sich Amtsrichterin Jennifer Hennrichs beschäftigen muss. Nach einer guten Stunde sind alle Beteiligten sichtlich erleichtert, dass die Sache vom Tisch ist. Zumindest für den Moment. Ohne völlig von der Tragik der Umstände unberührt zu bleiben.
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Es sind gleich zwölf Anklagen, die der Staatsanwalt gegen die 44-jährige S. verlesen muss. Beleidigungen, immer wieder Hausfriedensbruch, Nachstellungen. Sie ist auf das Grundstück ihres Ex-Mannes gekommen, hat Drohungen gegen dessen jetzige Ehefrau ausgestoßen. „Diese Frau ist tot“, soll sie unter anderem ihm und auch seiner Mutter gegenüber erklärt haben. All das spielte sich in den Jahren 2018 und 2019 ab, mehrfach soll die Angeklagte auch den Arbeitsplatz ihres Ex aufgesucht haben, wo ein Hausverbot bestand, wie schon für das Privatgelände.
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Amtsgericht Siegen: Gutachterin geht überwiegend von Schuldunfähigkeit aus
Die Gutachterin Dr. Edda Heimel hat für elf der Fälle eine Schuldunfähigkeit der Frau angenommen. In einem aber nicht, den sie dem „Gesamtproblem“ nicht völlig zuordnen kann. Da hat S. eine ihr fremde Frau beschimpft, deren Baby schrie. Die Mutter vernachlässige das Kind, das vielleicht nicht einmal ihres sei, soll sie der Frau vorgeworfen und diese dann noch mit einem Teppichmesser bedroht haben. Trotz gewisser Sorgen um das Kind kann die Sachverständige das nicht in die allgemeine Familienproblematik einordnen.
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Die Vorsitzende möchte mit Blick auf die zweite Anklage einstellen, der Staatsanwalt lieber warten. Also wird dieser Fall unterbrochen und der weitere Vorwurf verlesen. Da geht es um einen Nachbarschaftsstreit vom 23. Mai 2019. Die Angeklagte hatte mit einer Sackkarre Sperrmüll vor ihr Appartement transportiert, der ihrer Nachbarin (70) im Weg lag, die mit ihrem Wagen nicht aus der Garage kam, „zu einem wichtigen Termin“. Als die Frau versuchte, sich Platz zu schaffen, „hob sie die Sackkarre und schlug sie mir zweimal auf den Fuß“, berichtet die Zeugin.
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Siegen: Rentnerin am Fuß verletzt
Die Polizei fotografierte später eine enorme Schwellung auf dem Fuß, mit der die Rentnerin „vier Wochen lang“ zu tun hatte. S. behauptet, die Zeugin habe die Sackkarre gegen ihre Tür geknallt, sie einfach zurück. Ohne Absicht. Während S. versichert, der Platz vor dem Appartement sei ihr vertraglich als Parkplatz zugesagt, ist die Nachbarin anderer Meinung: „Ach was. Die hat gar nix!“ Und die Angeklagte habe ihr „schon so viel angetan“, klagt sie unter Tränen, während S. die Frau der Einmischung in persönliche Angelegenheiten vorwirft.
An dieser Stelle kommt noch einmal die Gutachterin zu Wort, die sich auch hier weigert, diesen Fall unter jene mit ausgeschalteter Schuldunfähigkeit zu packen. Nach ihrer Überzeugung sei S. sehr wohl in der Lage, zu erkennen, dass es falsch sei, „einer alten Frau einen solchen Gegenstand auf den Fuß zu schlagen“. Wobei Heimel nun doch nicht darum herumkommt, die ganze Geschichte der S. zu erzählen.
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Mit falschen Vorstellungen nach Siegen umgezogen
Diese lebte in der Ukraine, war dort gut situiert und in der höheren Verwaltung tätig, mit vielen Kontakten zu Ausländern. Auf diese Weise habe sie auch ihren deutschen Ehemann getroffen, der sie mit ins Siegerland nahm, wo S. eine ziemliche Enttäuschung erlebt habe. Statt des versprochenen großen Eigenheims habe sie eine kleine Wohnung in einem Haus vorgefunden, dass sie mit ihrer Schwiegermutter, einer Oma und weiteren Verwandten teilen musste. Immerhin sei das Paar nach der Geburt des gemeinsamen Kindes in eine andere Wohnung gezogen. Dann suchte sich der Ehemann eine neue Partnerin, blieb mit dieser in der Wohnung, während S. im gleichen Haus in das jetzige Appartement zog.
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„Das ging einigermaßen gut, bis die neue Partnerin ebenfalls ein Kind bekam“, trägt Heimel vor. Das Paar sei schließlich wieder ins alte Familienheim zurückgezogen, S. erkenne die neue Ehe nicht an, fühle sich nach wie vor als Gattin und akzeptiere daher auch keine Entscheidungen von Gerichten, die ihr den Aufenthalt in jenem Haus verböten, das ihr Man ihr einst bei der Eheschließung als künftiges Geschenk versprochen habe. Dieser Sachverhalt bleibt ansonsten aber außen vor.
Für die gefährliche Körperverletzung der Nachbarin beantragt der Anklagevertreter neun Monate auf Bewährung, die andere Sache wird eingestellt. Für die Fälle mit ausgeschlossener Schuldfähigkeit fordert er Freispruch. Richterin Hennrichs erkennt – hörbar genervt – auf sieben Monate „mit“ und schickt die Beteiligten nach Hause.
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