Siegen. „Ich wollte niemanden in die Pfanne hauen“, sagt der Ex-Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts der früheren Flüchtlingsunterkunft im Burbach-Prozess.

Es ist ein Ausspruch, der besonders in Erinnerung bleibt am Mittwoch, 5. August, im Burbach-Prozess. „Die sind rumgelaufen wie im Krieg“, hat ein früherer Wachmann über seine Kollegen gesagt und dabei auch zwei Namen von Angeklagten genannt. Allerdings fiel diese Bemerkung nicht in der Hauptverhandlung, sondern in einer polizeilichen Vernehmung vor einigen Jahren. Nun wird sie von einem verärgerten Oberstaatsanwalt vorgelesen, nachdem der Zeuge praktisch das komplette Gegenteil ausgesagt hat.

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Christian Kuhli findet das gar nicht lustig. Sechs ehemalige Sicherheitsmitarbeiter werden an diesem Tag vernommen; Männer die nur sehr kurz in der Flüchtlingsaufnahme gearbeitet haben. Verfahren gegen sie wurden eingestellt. Bis auf einen sind alle recht jung, die sich weitgehend gut verkaufen im Zeugenstand. Außer jenem, der sich bei einer offensichtlichen Unwahrheit erwischen lässt.

Staatsanwalt droht mit Konsequenzen einer Falschaussage

Mancher Kollege habe Handschellen bei sich gehabt, Pfefferspray, Teleskopschlagstöcke und dazu noch eine Art Nervenklemme, hat er Mann ausgesagt. Jetzt will er sich nicht nur nicht mehr daran erinnern, sondern bewusst nie so etwas gesehen haben. Bis Anklagevertreter Kuhli das Zitat vorhält und den 28-Jährigen auf mögliche strafrechtliche Folgen von Falschaussagen aufmerksam macht. Da kommt die Erinnerung dann doch wieder. „Dann haben Sie die Frau Vorsitzende also gerade angelogen“, so Kuhli. Der Zeuge bejaht und erklärt: „Ich wollte niemanden in die Pfanne hauen, indem ich etwas andichte.“ Mit „andichten“ könne die Wiedergabe realer Beobachtungen ja kaum etwas zu tun haben, betont der Oberstaatsanwalt.

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Sie selbst haben alle nur Handschuhe getragen, sagen die Zeugen übereinstimmend. Einer hatte noch eine Stichweste dabei. Ein anderer berichtet, „immer eine Dose Pfefferspray“ bei sich zu tragen. Für seine zwei Springereinsätze in Burbach habe er zudem einen Schlagstock im Auto gehabt, zur Sicherheit. Der Mann arbeitete damals hauptsächlich in einer anderen Flüchtlingseinrichtung in Hacheney und wollte kein Risiko eingehen.

„Problemzimmer“ ursprünglich Ausweichunterkunft für betrunkene Randalierer

Vom berüchtigten „Problemzimmer“ hatte keiner der Männer nach jeweiliger Aussage viel mitbekommen. Einer von ihnen, der recht spät 2014 eingesetzt war, erinnert den Raum überwiegend als Friseurzimmer. Ein anderer, der sehr früh in Burbach arbeitete, von Oktober 2013 bis Januar 2014, bestätigt frühere Angaben, dass der ursprüngliche Zweck des „PZ“ eine Ausweichunterkunft für betrunkene Randalierer gewesen war.

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Dieser Zeuge (27), der inzwischen in einem völlig anderen Beruf arbeitet, ist letztlich der Einzige, der sachlich interessante Angaben macht, die Fragen der Vorsitzenden mit mehr als drei Silben beantwortet. Er beschreibt einen schwierigen Dienst, bei dem jeder Fehler automatisch der Security angelastet worden sei, „selbst dann, wenn wir uns an die Anweisungen der Sozialbetreuer oder sogar der Polizei gehalten haben“. Zu seiner Zeit waren maximal drei Wachleute in einer Schicht, „einer immer im Container an der Pforte“, der kurz vor Weihnachten aufgestellt worden sei. „Wenn Sie mit drei Leuten mit einer Massenschlägerei von 70 konfrontiert werden, wenn Stühle fliegen, dann wird Ihnen schon anders“, beschreibt der Zeuge und sorgt für Stille im Raum.

Früherer Bewohner zu Unrecht brutal im „Problemzimmer“ eingesperrt

Zu Beginn des Verhandlungstages ist noch ein früherer Bewohner zu Wort gekommen, der zweimal im Problemzimmer war. Einmal sei er verwechselt und nach vier Stunden wieder entlassen worden. Das erste Mal seien vier Wachleute über ihn gekommen, die wohl fälschlich einen Streit zwischen ihm und seiner Frau angenommen hätten. „Wir Araber reden laut“, sagt er. Das sei auch bei jenem Gespräch mit seiner Frau so gewesen, die damals schwanger war: „Wenn eine Frau schwanger ist, dann hat sie ihre schlechten Momente“, stellt er unter allgemeinem Gelächter fest. Er habe die Nacht eingesperrt verbracht und nichts zu essen bekommen. Allerdings auch nicht selbst gefragt, sondern nur seine Frau darum gebeten. „Ich wurde im Zimmer nicht geschlagen“, sagt er weiter.

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Bei der Festnahme sei er allerdings auf den Boden gedrückt worden, habe einen Fuß ins Gesicht und Handschellen angelegt bekommen. Wer ihn mit dem Fuß niederhielt habe er nicht gesehen. Das wundert Verteidiger Daniel Walker. Weil der Zeuge seinerzeit seinen Mandanten identifiziert hatte. Der Verantwortliche sei ihm von seiner Frau beschrieben und gezeigt worden, erklärt der Zeuge. Wobei das Foto falsch zugeordnet worden sei, fügt Richterin Elfriede Dreisbach an. Es sei also nicht um dem Mandanten gegangen. Der Anwalt ist beruhigt.

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