Netphen. Netphen soll einen Beigeordneten bekommen, fordert die Politik. Und holt zum Rundumschlag gegen Bürgermeister Paul Wagener aus. Der wehrt sich.

Der Ton wird schärfer: In der Auseinandersetzung darüber, wie die Nachfolge von Baudezernent Erwin Rahrbach als Vertreter des Bürgermeisters geregelt werden soll, stellen sich vier Ratsfraktionen gegen Bürgermeister Paul Wagener.

Der hatte deutlich gemacht, dass er keinen Beigeordneten wählen lassen will. Nun bricht der Machtkampf darüber aus, wer im Rathaus das Sagen haben soll: CDU, SPD, Grüne und FDP betonen in ebenso deutlichen Worten: Der Rat, und nicht der Bürgermeister, entscheide diese Frage.

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Der Streit: Allgemeiner Vertreter vs. gewählter Beigeordneter

Erwin Rahrbach geht am 1. Mai 2020 in den Ruhestand, seine Nachfolge als allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters soll in einer Sondersitzung des Rates am 29. Oktober geregelt werden – indem ein Nachfolger Rahrbachs als allgemeiner Vertreter bestimmt wird oder indem der Rat einen Beigeordneten für acht Jahre wählt.

Mit einem solchen Ansinnen war die CDU bereits 2014 gescheitert, als es um einen Nachfolger von Kämmerer Hein-Joachim Hengstenberg ging. Anders als in vielen kommunalen Räten, wo sich der Bürgermeister auf eine Mehrheit stützen kann, verläuft in Netphen häufig die Streitlinie zwischen Bürgermeister und Rat. Die Politik erhofft sich mit einem Beigeordneten eine machtvolle Gegenposition zum Bürgermeister, mit dessen Politik sie oft nicht einverstanden ist.

Die Politik: Kritik an Amtsführung und Stil Paul Wageners

„Dass der Bürgermeister dies anders sieht, ist seine Meinung, nicht sein Recht“, schreiben die Fraktionsvorsitzenden in einer gemeinsamen Presseerklärung zum favorisierten Beigeordneten. Man erhoffe sich von einem Wahlbeamten frischen Wind für die Verwaltung. Damit Netphen im Wettbewerb mit anderen Kommunen nicht ins Hintertreffen gerate, müsse eine veränderte Sicht auf die künftige Stadtentwicklung her – das könne ein nicht weisungsgebundener Beigeordneter liefern.

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Die Politiker – Alexandra Wunderlich (CDU), Manfred Heinz (SPD), Helga Rock (Grüne) und Klaus Kopetzki (FDP) – kritisieren vor allem Amtsführung und persönlichen Stil von Bürgermeister Wagener, wünschen sich „eine von Anstand und gegenseitigem Respekt geprägte fachliche und demokratisch geprägte Umgangsweise“. Eine weitere „Verrohung der Sprache“ lehne man ab, es dürfe nicht sein, dass der Bürgermeister Ratsmitglieder verächtlich mache, „in einem Fall sogar mit einem schweren Krankheitsbegriff.“

„Wir erwarten sachliche Zusammenarbeit“

Auch die Diskriminierung von Frauen im Rat müsse ein Ende haben. „Wir wünschen uns eine größere Akzeptanz der demokratischen Parteien und weniger Populismus beim Bürgermeister. Von ihm erwarten wir eine sachliche Zusammenarbeit in Projekten, die Netphen nach vorne bringen können.“ Netphen könne nur erfolgreich sein, wenn Rat und Verwaltung zusammenarbeiten. Beschlüsse des Rates müssten von der Verwaltung umgesetzt und nicht bekämpft werden.

Wageners Noch-Stellvertreter Erwin Rahrbach, dessen Eintritt in den Ruhestand der Auslöser für den offenen Zwist ist, wird gelobt. Er habe sich als ausgewiesener Verwaltungsfachmann mit unermüdlicher Bereitschaft und großer fachlicher Kompetenz und Erfahrung dem Rat und den Ausschüssen als Berater und Unterstützer zur Verfügung gestellt, loben die Fraktionschefs.

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Und kritisieren in diesem Zuge den Verwaltungschef erneut: Mit persönlichem Anstand und in freundschaftlicher Umgangsweise habe er dafür gesorgt, dass die Verwaltung „trotz starkem personellen Aderlass und der breit angelegten repräsentativen und öffentlichkeitswirksamen Tätigkeit des Bürgermeisters“ leistungsfähig geblieben sei.

Der Bürgermeister: „Die Bürger müssen einen Beigeordneten bezahlen“

Harte Worte in Richtung Paul Wageners. Der untermauert seine Argumente gegen einen Beigeordneten: Mit der Wahl eines Spitzenbeamten von außen würden leitende Kräfte innerhalb des Rathauses Aufstiegschancen verbaut. Aber vor allem sei der Wahlbeamte teurer: „Die Bürger müssen diesen Beigeordneten bezahlen“, sagt Wagener – mit Besoldungsstufe A15 plus Aufwandsentschädigungen. Er erinnert daran, dass Kreuztal vor einiger Zeit drei Beigeordnete abgewählt habe und die finanzielle Belastung trotzdem tragen müsse.

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Die Vorwürfe zu Stil und Umgangsformen kann Wagener nicht nachvollziehen. „Ich habe niemanden verächtlich gemacht“, sagt er. Er arbeite in verschiedensten kommunalen und anderen Gremien vertrauensvoll mit allen Fraktionen, auch den Vorsitzenden zusammen, „mein Beruf besteht zu mindestens 80 Prozent aus Kommunikation“, so Wagener.

„Pointiert formuliert, aber niemanden beleidigt“

Wenn sich jemand auf den Schlips getreten fühle, solle er Ross und Reiter nennen, statt vage Angaben zu machen. Sicher habe er auch mal „pointiert formuliert, aber niemals jemanden beleidigt.“ Er sei vielmehr überrascht von der Empfindlichkeit von Personen, „die selber sehr gut austeilen können.“

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Der Verwaltung „Ideenlosigkeit“ zu unterstellen, halte er für einen „Schlag ins Gesicht“ der städtischen Mitarbeiter. Denn auch wenn er als Bürgermeister die Verantwortung trage: Fördermittel beantragen und bekommen, Prozesse wie IKEK, ISEK, LEADER anstoßen und begleiten – das hätten die Mitarbeiter umgesetzt. „Auch die Trampolinhalle war keine Idee der Politik.“

„Offenbar geht es um persönliche Befindlichkeiten“

Offenbar gehe es in dieser Sache um persönliche Befindlichkeiten, denn gegen die in der Vorlage dargelegten Gründe gegen einen Beigeordneten würden die vier Fraktionsvorsitzenden keine Sachargumente vorbringen. „Man will offenbar mehr Geld ausgeben, die Verwaltung politisieren und hausinternen Bewerbern den Weg versperren“, so Wagener.

SPD-Chef Manfred Heinz habe selbst von einer „politischen Opposition innerhalb der Verwaltung gegen den Bürgermeister“ gesprochen, was „strukturell auf Konflikte im Verwaltungsvorstand“ angelegt sei. Diese „180-Grad-Wende“ als „wetterwendisch“ zu bezeichnen sei da durchaus legitim.

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