Ferndorf. In der ÖDP findet Jörn Krause ein politisches Zuhause. Obwohl er erst seit Beginn des Jahres Mitglied ist, zieht er direkt in den Wahlkampf.
Einen Acker haben sie gerade dazugekauft. Das Pferd vor den Pflug gespannt. Gemüse will Jörn Krause anbauen. Nicht nur im Garten, wo im Gewächshaus und drumherum alles wächst, was ein Drei-Generationen-Haus für den eigenen Bedarf braucht. „Wir wollen zur regionalen Versorgung selbst etwas beitragen“, sagt Jörn Krause. Anlass, die schon länger gehegte Idee umzusetzen, bot der neue, monatliche „Hofladen Biomarkt“ der Stadt auf dem Roten Platz. Auf der Wiese stehen 40 Obstbäume. Jörn Krause kandidiert für die ÖDP.
Der Einstieg
Er ist Neuling, zu Beginn dieses Jahres der kleinen Partei beigetreten – da, wo die Personaldecke dünn ist, ist der Weg zu Amt und Kandidatur naturgemäß kurz. „Politisch interessiert war ich schon immer“, sagt der 44-jährige Familienvater, „es war an der Zeit, selbst ein bisschen aktiv zu werden.“ Die ÖDP? Kontakte habe er schon früher gehabt. Die Themen haben halt gepasst: Wirtschaft regional organisieren. Fluchtursachen bekämpfen, indem man die Herkunftsländer der Flüchtenden nicht länger ausbeutet. Motorisierten Individualverkehr verringern. Weniger Energie verbrauchen. Krause erzählt, wie er dem Gletscher des Dachsteins bei den Urlauben in Österreich beim Zusammenschmelzen zusieht: „Einfach weitermachen ist keine Option.“
Die ÖDP ist in der Zeit entstanden, als die ökologischen Bewegungen sich neu sortierten. 1978 verließ Herbert Gruhl die CDU und gründete die „Grüne Aktion Zukunft“, aus der 1982 die „Ökologisch-demokratische Partei“ hervorging. Während die Grünen in die Parlamente und Regierungen einzogen, blieb die ÖDP klein: 0,3 Prozent der Wählerstimmen sind ihr bundesweites Potenzial.
Die Politik
Man kann das Faltblatt lesen, das Jörn Krause bereithält für die politischen Gespräche, die er im Wahlkampf führen wird. „Mensch vor Profit“, hat die ÖDP ihr Programm überschrieben. Man kann aber auch einfach über den Alltag reden. Am Holztisch in der kleinen Küche des Hauses an der Schlehdornstraße, das der Urgroßvater 1914 gebaut hat: Wie Krauses selbst Energie sparen, indem sie im Winter den Herd auch als Heizofen und zum Brotbacken nutzen. Wie sie Wege, wenn es geht, mit dem Fahrrad zurücklegen. Auch nach Siegen. „Für den Einkauf auch mit Hängerchen dran.“ Wie sie Unterhaltungselektronik und elektrische Haushaltsgeräte auf den Kern reduzieren. „Wir können nicht ganz Deutschland mit Windrädern zustellen.“ Abgesehen davon: Auch der Strom für Elektroautos ist mit CO2-Emissionen bezahlt worden, auch die Herstellung von Solarzellen kostet Energie.
Auch interessant
Der Kaffee kommt nicht aus dem Vollautomaten, sondern wird im Filter über der Porzellankanne aufgebrüht. Schmeckt sowieso besser. Wir plaudern über Smartphones, Kinder und Computer. Die Krauses werden dieses Werben für Maßhalten spätestens gegen die Schule verlieren. Jörn Krause bleibt dabei: Ob intakte Schulgebäude und genügend Lehrkräfte nicht doch wichtiger seien als Tablets und WLAN?
Das Handwerk
Das überrascht nicht: Jörn Krause ist für besseren öffentlichen Nahverkehr und bessere Radwege. Zu den Gegnern der Kreuztaler Südumgehung hat er sich von Anfang an dazugesellt. Leben gegen den Strich? Die Weste, die Krause trägt, ist selbst geschneidert und aus selbst gewebtem Stoff. Denn Jörn Krause ist Handwebermeister. Gelernt hat er das Handwerk an der Webschule am Fischbacherberg.
Die Arbeit als Angestellter war keine Alternative: Männer sind in den Werkstätten einfach nicht gern gesehen. „Da habe ich mich selbstständig gemacht.“ Der eigene, gebraucht gekaufte Webstuhl ist im Keller aufgebaut, an der Wand hängt der gerahmte Meisterbrief, mit einem Datum aus dem Jahr 1998.
Mit Bekleidungs-, Tisch- und Dekorationsstoffen ist Jörn Krause über die Märkte gezogen. Und musste irgendwann erkennen, dass er mit Leinen, Wolle und Baumwolle gegen den Wunsch nach billigen, leichten und pflegeleichten Stoffen nicht standhalten konnte. Die Landwirtschaft wird das neue Standbein des eigenen Wirtschaftens. Ohne Pestizide, auf rein mechanisch bearbeitetem Boden. Krause gibt auch Sensenkurse. „Vielleicht noch einmal einen im September.“
Fürs Foto müssen wir vor die Tür, es regnet in Strömen. Kein Wetter für Krauses gute Stoffe? Die Jacke aus dicker Bergschafwolle, sagt er, ist fast wasserdicht. Nass werden die anderen.
Der Wahlkampf
Im Keller stehen die Wahlplakate, die noch ans Licht gebracht werden müssen. Die kleine Partei kann ihm dafür kein großes Unterstützerteam stellen. „Das ist schon noch mit viel Arbeit verbunden.“ Ob sich das lohnt? Jörn Krause wird das in den kommenden Wochen erleben, wenn er in Gesprächen andere für sein politisches Projekt zu interessieren versucht. Ein bisschen skeptisch ist er schon: „Ich habe das Gefühl, dass die Menschen sich gar nicht so viele Gedanken machen wollen.“
Draußen in der Zufahrt steht ein alter Pflug. Rostig, mit Resten von Farbe und trotzdem unheimlich schön anzusehen. Wahrscheinlich ist das Gerät in einer Ferndorfer Schmiede entstanden, vielleicht schon im vorvorigen Jahrhundert. Jörn Krause wird ihn restaurieren und dann auf dem eigenen Acker einsetzen. Das nächste Projekt.
- Die Lokalredaktion Siegen ist auch auf Facebook.