Netphen. . Zielstrebig mit Visionen. Und ein Zählkandidat wider Willen: Hürde in den Bundestag ist hoch.
Simon Rock fährt mit einem grasgrünen Kleinwagen vor. Der Anzug ist so was wie Berufskleidung: Der Fraktionsvorsitzende der Kreistags-Grünen ist Banker in Düsseldorf, gerade kommt er aus dem Kreishaus. In 30 Jahren, wird er am Ende des kleinen Spaziergangs an der Obernautalsperre vorhersagen, wird niemand mehr ein Auto besitzen. Noch nicht einmal einen Führerschein machen.Den Treffpunkt hat Simon Rock vorgeschlagen. „Mir gefällt’s hier einfach.“ Sogar Spazierengehen mache ihm jetzt Spaß. Mit 29. Früher habe er das gehasst.
Der Einstieg
Für Politik, sagt Rock, habe er sich schon früh interessiert. Und wie so viele seiner Mitbewerber in anderen Parteien nennt er einen Krieg als Auslöser für das Engagement: Irak, 2003. Außenminister Joschka Fischers legendäre Absage an die USA, „I’m not convinced“. „Für mich war klar, dass das von Anfang an Unrecht war.“ 2004 steigt Simon Rock beim Kreisverband der Grünen ein, lernt auf Landesebene die Jungen Grünen kennen, wird 2009 Kandidat für den Netphener Rat. „Es ergab sich einfach so“, erklärt Simon Rock, wie seine fünfjährige Laufbahn als Stadtverordneter begann.
Fraktionsvorsitzende Helga Rock ist Simon Rocks Mutter. Dass sie mit ihm schwanger war, als sie von 1987 bis 1990 erste und bisher einzige Siegen-Wittgensteiner Bundestagsabgeordnete der Grünen war, möchte er in diesem Text eigentlich nicht lesen. Dabei gehört das doch zu der Geschichte dazu.
Bis heute
Im Rat machte sich Simon Rock von Anfang an unbeliebt. Statt in Demut vor den Alten zu schweigen und sich allenfalls zu jugendspezifischen Fragen zu äußern, präsentierte sich der Rats-Benjamin als Geschäftsordnungs-Fuchs. „Ausschussbesetzungen sind auch Rechnerei.“ Und die „Rechnerei“ ist nun mal sein Ding. Als sachkundiger Bürger in der Kreistagsfraktion wählte er gleich 2009 den Personal- und Finanzausschuss. Ein wichtiger und keineswegs langweiliger Stoff, betont Rock – „wenn man weiß, dass der Haushalt in Zahlen gegossene Politik ist.“ Andere brauchen für diese Erkenntnis ein paar Jahre mehr.
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Eine sportliche Laufbahn: Simon Rock absolviert sein Volkswirtschaftsstudium, wird wissenschaftlicher Mitarbeiter der Grünen-Landtagsfraktion und kümmert sich dort um Kommunalfinanzen, Gemeindewirtschaft und den West-LB-Untersuchungsausschuss. Kreistagsmitglied wird er 2014, Fraktionsvorsitzender 2017. Es gab Themen, die er bewegen wollte, erklärt er den Umstieg von der Stadt- in die Kreispolitik: Flughafen, RWE-Aktien. „Ich hätte nicht gedacht, dass die Rahmenbedingungen so günstig sein würden.“ Sprich: Dass die Führung der Kreisverwaltung 2014 an SPD-Mann Andreas Müller fällt.
Ein Radfahrer nach dem nächsten dreht seine Runde um die Obernau, über der die Sonne gerade untergeht. Man kommt ins Plaudern. Da vergisst man schon mal zu fragen: Lieber Rot-Grün, lieber Jamaika? Er sei für Rot-Grün, liefert Simon Rock die Antwort per Messenger nach.
Die Zukunft
In diesem Jahr entscheidet er sich für ein berufliches Standbein außerhalb der Politik und heuert bei der NRW-Bank an, wo die Investitionsförderung sein Thema ist. Und jetzt in den Bundestag? Nein, als Zählkandidat — von denen vor allem die kleinen Parteien naturgemäß viele brauchen — sei er nicht ins Rennen gegangen. Der 22. Platz auf der NRW-Landesliste sei auch nicht der, den er angestrebt habe. Aber nun einmal Ergebnis einer Abstimmungsniederlage. „Der würde bei 14 bis 15 Prozent für die Grünen ziehen.“ Zuletzt reichten 8,4 Prozent für 13 NRW-Abgeordnete. Das kann im September anders aussehen, je nach dem, wie groß das Parlament wird. Auch das: Alles eine Frage der Rechnerei.
Worum geht’s? „Wir müssen es schaffen, auch durch technologische Reformen die richtigen Weichen zu stellen.“ Simon Rock nennt die Schlagworte Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit: „Jeder, der hart arbeitet, hat auch Wohlstand verdient.“ Simon Rock wünscht sich, dass Menschen sich nicht mehr in die Fänge der Populisten treiben lassen, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen. Dass mehr Strom aus Gezeiten-, Wind-, Wasser-, Wellen- oder Solarkraftwerken kommt. „Wir haben in ganz Netphen drei Windräder. Die Landschaft wäre nicht verspargelt, wenn drei oder vier dazukämen.“
Und wenn er mal, sagen wir, 30 Jahre vorausschaut? Simon Rock hat davon eine sehr konkrete Vorstellung: Maschinen und Roboter haben den Menschen sehr viel Arbeit abgenommen — zu beantworten sein wird die Frage, wie auch die am neu geschaffenen Wohlstand teilhaben, deren Arbeitsplätze auf diesem Weg wegrationalisiert wurden. „Eine Chance und ein Problem.“ Und wie war das mit den Autos? Die gibt’s dann auch noch. Fahren, aber autonom und wie der Bus für alle. Natürlich mit Strom.
Das sei ja jetzt fast schon philosophisch, merkt Simon Rock auf den letzten Metern unseres Spaziergangs mit etwas skeptischem Unterton an. Na und?
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