Meschede. Tragisches Unglück im Zug, Proteste in Meschede gegen Mülldeponie, Pfarrer wird Vizekönig in Schmallenberg - die Woche vor 50 Jahren.
Über diese Themen berichtete diese Zeitung vor 50 Jahren, im Juni 1973, im Lokalteil in Meschede, Bestwig, Eslohe und Schmallenberg.
Auch Vikar geht auf Barrikaden
130 Autos ziehen von Heringhausen nach Meschede in einem Demonstrationszug und veranstalten ein Hupkonzert, 400 Menschen protestieren dann vor dem Kreishaus in Meschede. Ihr Protest richtet sich gegen die geplante zentrale Mülldeponie der Kreise Meschede und Brilon in Halbeswig. Zu dem Protest hat die Bürgeraktion Heringhausen aufgerufen. Sprecher Willi Bültmann sagt, man nehme die Sorgen der Menschen nicht ernst – etwa die vor Geruchsbelästigungen. Auch Pfarrvikar Finke steigt auf die Barrikaden: Er habe Zweifel an der Demokratie, wenn nicht die Minderheit geschützt werde.
Oberkreisdirektor Joachim Barbonus sagt, bisher seien lediglich Grundstücksverhandlungen geführt worden. Die Bedenken könnten im Planverfahren dann aufgegriffen werden. Halbeswig sei wegen seiner zentralen Lage ausgewählt worden. Aktuell gibt es 40 Müllkippen allein im Kreis Meschede.
Unglück vor Augen der Mutter
Ein entsetzliches Unglück trifft eine Familie aus Bödefeld bei ihrer Urlaubsfahrt in den Süden. Zwischen Stuttgart und Ulm stürzt ihr 13 Jahre alter Sohn aus dem D-Zug. Er hat zuvor das Abteil verlassen, in dem seine Eltern und seine Geschwister sitzen, um zur Toilette zu gehen. Vermutlich hat er dann die WC-Tür und die Waggon-Tür verwechselt.
Seine Mutter sieht im Abteil, dass jemand aus dem Zug stürzt, der Vater zieht sofort die Notbremse. Als die Passagiere zu dem Verunglückten laufen, erkennen sie, dass es der 13-Jährige ist. Er stirbt noch an der Unfallstelle.
Neues Hotel in Grafschaft
Die Bauarbeiten schreiten weit fort: Im Mai 1974 soll in Grafschaft das neue Hotel eröffnen, das Hubert Droste hier plant. Auf fünf Stockwerken wird eine Hotel-Pension mit Ferienwohnungen entstehen. Teil des Projektes sind auch vier Kegelbahnen, Sonnenterrassen, ein Schwimmbad und zwei Saunen. Baubeginn ist 1972 gewesen. Im Kellergeschoss ist bereits eine Gaststätte mit 100 Plätzen eröffnet worden.
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Größtes Luftschiff in Schüren
Eine Woche lang ist auf dem Flugplatz Schüren der „fliegende Musketier“ stationiert – das größte Luftschiff der Welt. Es macht über dem Sauerland Werbung für die Brauerei Wicküler in Wuppertal: Die Musketiere schmücken das Etikett bei Wicküler. Pilot und Copilot haben in dem Luftschiff Platz, außerdem sechs Fahrgäste. Das Luftschiff ist gerade aufwendig repariert worden: Durch die Luft wirbelnde Blechteile hatten im November 192 auf dem Flughafen Mülheim-Ruhr seine Außenhaut zerschnitten.
Zwei junge Zuhälter
Eine Jugendstrafe von unbestimmter Dauer wird vom Gericht über einen 19-Jährigen aus Meschede verhängt – er wird mindestens zwei, höchstens vier Jahre Gefängnis absitzen. Ein 18-Jähriger muss für 15 Monate in Haft.
Beide sind für eine ganze Serie an Straftaten in Meschede verantwortlich, weil sie Geld brauchten. Auf der Briloner Straße entrissen sie einer alten Frau die Handtasche, sie brachen bei ihrem Arbeitgeber ein und stahlen Kupfer, außerdem machten sie Einbrüche in Schulen, Autos, in eine Diskothek. In drei Fällen konnte ihnen Zuhälterei nachgewiesen werden: Sie hatten Gastarbeitern 16-jährige Mädchen angeboten.
Pfarrer wird neuer Vizekönig
In Schmallenberg ist das Schützenfest schon nach 114 Schüssen beendet, neuer König ist der 34-jährige Schachtmeister Willi Jungblut. Vizekönig wird mit dem 63. Schuss der katholische Pfarrer Rudolf Dalski – er wählt seine Haushälterin als Vizekönigin.
Ramsbecks neue Schützenhalle
Richtfest wird in Ramsbeck an der neuen Schützenhalle gefeiert. Im Obergeschoss wird künftig ein 200 Quadratmeter großer Speisesaal mit Küche sein, im Untergeschoss können bei Festen alle Ramsbecker Bürger Platz finden. 500.000 Mark soll die Halle kosten, 250.000 davon zahlt die Gemeinde, 30.000 der Kreis Meschede.
Großbrand auf Bauernhof
200.000 Mark Schaden entstehen beim Großbrand eines Bauernhofes in Werpe. Das Wirtschaftsgebäude brennt mit vielen Vorräten aus, auch ein Teil des Wohnhauses wird zerstört. 150 Hühner verbrennen in den Flammen. Das Feuer hatte sich nachmittags in Windeseile ausgebreitet, der Bauer war beim Heueinfahren.
Jüngste im DRK-Präsidium
Als jüngstes Mitglied der Nachkriegsgeschichte wird Barbara Rickert aus Harbecke bei Schmallenberg in das Präsidium des Deutschen Roten Kreuzes gewählt. Die 30-Jährige, die am Aufbaugymnasium Schmallenberg ihr Abitur gemacht hat, ist Dozentin für Sozialarbeit an der Fachhochschule Hagen. Für Aufsehen hatte sie gesorgt, als sie am Osdorfer Born in Hamburg, mit 22-stöckigen Wohnsilos, ein Sozialzentrum aufgebaut hatte. Sie war auch in der Jugendbehörde Hamburg in der Familienfürsorge und der sozialen Gruppenarbeit tätig.
Tödliche Folgen: Bremse verrostet
Acht Monate Haft auf Bewährung lautet das Urteil gegen einen 21 Jahre alten Jugoslawen wegen fahrlässiger Tötung. Im August 1971 war er auf der B7 zwischen Meschede und Heinrichsthal bei einem abgebrochenen Überholmanöver ins Schleudern geraten und gegen einen entgegenkommenden Pkw geprallt – darin starben zwei Insassen aus Witten.
Trotz durchgezogener Linie hatte der 21-Jährige versucht, zu überholen, wirft man ihm vor Gericht vor. Die Untersuchung seines Autos ergibt, dass eine Bremsbacke an einem Hinterrad komplett festgerostet war – was sich dann bei der Vollbremsung fatal auswirkte.
Wertvolle Pieta
Die Pfarrkirche in Dorlar bekommt ihre spätgotische Pieta zurück. 2800 Stunden waren nötig, um sie beim Landesamt für Denkmalpflege in Münster zu restaurieren. Bis 1969 war die Figur unbeachtet in der Kirche gewesen: Jetzt halten Fachleute sie für das bedeutendste Beispiel für ein Vesperbild im Sauerland, entstanden um 1500.
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