Meschede/Hagen. Es gibt einen verurteilten Angeklagten - und Zweifel: Deshalb wird der Prozess um den Toten im Maisfeld bei Meschede neu verhandelt.

Für die Richter am Arnsberger Landgericht gab es bei der Urteilsbegründung „keinerlei Zweifel“ an der Schuld dieses Angeklagten: Sie schickten im März 2021 einen Mann für siebeneinhalb Jahre ins Gefängnis, weil der heute 31-Jährige für den Toten im Maisfeld bei Schüren im Stadtgebiet Meschede verantwortlich sein soll. Doch jetzt wird der gesamte Fall noch einmal aufgerollt. Deutschlands oberstes Strafgericht, der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, hat durchaus Zweifel am Urteil aus Arnsberg. Der Justizkrimi geht ab Mittwoch weiter.

Baufirma aus Wuppertal

Der Tote im Maisfeld, das ist ein 45 Jahre alter Arbeiter aus der Ukraine. Im August 2019 war er einer der osteuropäischen Bauarbeiter, die eine Wuppertaler Baufirma in einer Unterkunft im Mescheder Ortsteil Voßwinkel einquartiert hatte. Von Voßwinkel aus wurden die Osteuropäer zu Baustellen in NRW gefahren. Der Ukrainer stirbt in der Unterkunft am 24. August. Seine Leiche wird am 1. September zufällig in dem Maisfeld bei Schüren entdeckt. Der Mann ist erschlagen worden.

Hier in dieser Unterkunft war es zu der blutigen Tag gekommen.
Hier in dieser Unterkunft war es zu der blutigen Tag gekommen. © Jürgen Kortmann

Was ist passiert an jenem Abend, in jener Unterkunft? Der Täter muss einer der Männer dort gewesen sein. In einem ersten Prozess kommt vor dem Landgericht Arnsberg ein 39 Jahre alter Pole aus Mangel aus Beweisen frei. Er belastet wiederum im zweiten Prozess den 31-Jährigen, ebenfalls ein Pole.

In der Unterkunft sei es, nach etlichem Wodka, zu einem Streit gekommen, der dann ausartete – und so schrecklich eskalierte: Der 39-Jährige will dabei vom Ukrainer bewusstlos geschlagen worden sein, als er aufwachte, will er den 31-Jährigen gesehen haben, wie der auf den Ukrainer einschlug.

Im Maisfeld abgelegt

Der 31-Jährige soll dann den Unterkunftschef geholt haben, einen 45 Jahre alten Polen, der auch zugeschlagen haben soll. „Leg dich nicht mit den Polen an“, soll bei der Auseinandersetzung gesagt worden sein. Gemeinsam versteckte man die Leiche zunächst und „entsorgte“ sie dann im Maisfeld. Das Landgericht glaubte dem 39-Jährigen.

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Der Tatort ist klar. Aber das Motiv des Streits? Völlig unbekannt. Die Tatwaffe? Angeblich ein Axtstiel, der nach Angaben des 39-Jährigen dann verbrannt worden sein soll. Es gibt keine Spuren von dem Stiel. Im ersten Prozess war aufwendig kriminologisch zu beweisen versucht worden, dass die Tatwaffe dagegen ein Vorschlaghammer gewesen sein soll, den die Polizei mit dem Blut des Opfers gefunden hatte: Daran wiederum hatten sich auch Spuren des 39-Jährigen gefunden.

Anwalt legt Revision ein

„Das, was vom Landgericht festgestellt wurde, kann so nicht gewesen sein“, davon ist Otto Entrup weiterhin überzeugt, sagt er auf Anfrage. Der Mescheder Rechtsanwalt verteidigt den 31-Jährigen wieder. Erstmals überhaupt legte Entrup Revision beim Bundesgerichtshof ein – und war, nach seinen Ausführungen und nach der Anhörung des Generalbundesanwaltes, erfolgreich am 4. Strafsenat in Karlsruhe. Ein seltener Erfolg für einen Anwalt – und eine herbe Niederlage für das Landgericht: Nur in etwa 15 Prozent der Fälle werden einmal gefällte Urteile tatsächlich aus Karlsruhe zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen: „Der Bundesgerichtshof geht mit mir einher: Es ist nicht hinreichend logisch, wie das Urteil in Arnsberg begründet wurde.“

Der Fundort der Leiche: dieses Maisfeld bei Schüren.
Der Fundort der Leiche: dieses Maisfeld bei Schüren. © Brigitta Bongard

Verhandelt wird der dritte Prozess jetzt nicht mehr in Arnsberg: Damit muss sich ein ganz anderes Gericht beschäftigen, das neutral ist. Der BGH hat den dritten Maisfeld-Prozess deshalb an eine Strafkammer des Landgerichtes Hagen verwiesen. Die Anklage lautet erneut auf Totschlag. An sechs Verhandlungstagen wird alles neu aufgerollt, beginnend am Mittwoch, 11. Mai: Alle Zeugen sind wieder vorgeladen (die schon bei den ersten beiden Prozessen Erinnerungslücken hatten), alle Gutachten werden wieder vorgestellt. Kommen die Zeugen überhaupt, teils aus Polen? Der 31-Jährige sitzt in Hagen in Untersuchungshaft: Weil er in der Vergangenheit schon einmal nicht zum ersten Prozess gekommen war (wegen Corona in Polen) wird Fluchtgefahr bei ihm gesehen.

Doch der Vorschlaghammer?

Der Bundesgerichtshof spricht von „durchgreifenden rechtlichen Bedenken“ beim Arnsberger Urteil. Es hat auch vorgegeben, was genauer geprüft werden soll: „Eingehender als bisher“ müsse der Vorschlaghammer als mögliches Tatwerkzeug betrachtet werden. Das Landgericht habe auch nicht ausreichend untersucht, warum sich (der bisher überhaupt nicht verfolgte) 45-jährige Hauschef nicht an der Tötung beteiligt haben sollte. Auch ein Detail fehlt den Karlsruher Richtern: Was hat der 39-Jährige eigentlich exakt gesehen bei der angeblichen Tatausführung, als der Ukrainer getötet wurde? Wie der Mescheder Anwalt, sieht auch der Bundesgerichtshof „ein erhebliches Eigeninteresse“ daran, dass der 39-Jährige den 31-Jährigen belastete, um sich möglicherweise selbst zu entlasten.