Meschede. Wie geht es mit dem Standort von Martinrea-Honsel in Meschede weiter? Dazu beginnen jetzt Gespräche. Das sind die Hintergründe.

Wie geht es bei Martinrea-Honsel weiter? Am Montag beginnen die Verhandlungen für einen neuen „Zukunftstarifvertrag“ für den Mescheder Standort. Rasche Ergebnisse sind dabei nicht zu erwarten.

Wie berichtet, gilt in Meschedes größtem Unternehmen seit Februar wieder die 35-Stunden-Woche. Abweichend vom IG-Metall-Tarifvertrag hatten die Beschäftigten zuvor fünf Jahre lang 40 Stunden gearbeitet: Die fünf Stunden unbezahlter Mehrarbeit pro Woche waren der Preis der Belegschaft für die Standortsicherung und für Investitionen in dieser Zeit. Eine übergangsweise Verlängerung der 40-Stunden-Woche bis zu einem neuen Vertrag, wie vom Arbeitgeber erhofft, lehnten die IG-Metall-Mitglieder mit 86,8 Prozent deutlich ab.

IG-Metall-Mitglieder erteilen Verhandlungsmandat

In der Zwischenzeit ist dem Betriebsrat und der Geschäftsführung der IG Metall die genaue wirtschaftliche Lage von Martinrea-Honsel vorgestellt worden, die die Gewerkschaft danach wiederum in sechs Veranstaltungen ihren Mitgliedern vermittelte – in der Schützenhalle St. Georg und in der Stadthalle, um zum Schutz vor Corona Abstände einhalten zu können. 72 Prozent der IG-Metall-Mitglieder, die zu diesen Veranstaltungen kamen, entschieden sich am Ende dafür, dass Carmen Schwarz ein Mandat bekommt, um mit dem Arbeitgeber über einen neuen Tarifvertrag verhandeln zu können. Carmen Schwarz ist Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Arnsberg. Kommt es zu einem neuen Tarifvertrag, gilt dieser dann für alle Beschäftigten bei Martinrea-Honsel.

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Muss man sich um Martinrea-Honsel aufgrund der wirtschaftlichen Lage Sorgen machen? „Nein, das wäre tatsächlich falsch“, sagt Carmen Schwarz, ohne öffentlich auf Details des Wirtschaftsberichtes eingehen zu dürfen: „Hier geht es um eine Zukunftsausrichtung gerade in Sachen Transformation hin zur Elektromobilität.“

Natürlich verraten beide Seiten nicht ihre Verhandlungslinie. Beide Seiten betonen den Aspekt der „Zukunft“. „Wir wollen ein Paket schnüren. Das ist die Absicht des Arbeitgebers, um den Standort zukunftssicher, zukunftsfest und vor allen Dingen wettbewerbsfähig zu machen“, sagt Dr. Volker Verch, Geschäftsführer des Unternehmensverbandes, der für die Arbeitgeberseite mitverhandelt. Er sagt, der Standort solle gesichert werden, es werde Investitionen geben. „Ziel ist ein Paket, wo Zukunft auch drinsteht – und nicht irgendein Verzicht. Das wird es mit mir nicht geben“, sagt auf der Gegenseite Carmen Schwarz: „Es wird ein Blumenstrauß an Maßnahmen sein, um den Standort Meschede zukunftssicher zu machen, um Arbeits- und Ausbildungsplätze abzusichern.“

Auch Unternehmenskultur soll Thema sein

Die IG Metall will Kündigungsschutz erreichen, verlässliche Investitionen, die Ausbildung „als strategische Personalplanung“ sicherstellen, so Schwarz. Sie will auch Details klären: „Was ist mit Älteren, die vielleicht nicht mehr so können: Können Regelungen für einen würdigen Ausstieg geschaffen werden? Das wird schon schwierig genug: Denn eigentlich wird ja jeder Mann und jede Frau gebraucht.“ Oder: „Wir müssen leider auch Themen besprechen, die eigentlich selbstverständlich sein müssten: Der Umgang, die Unternehmenskultur – solche Geschichten werde ich auch strapazieren müssen. Da liegt was im Argen. Das ist dem letzten Tarifvertrag geschuldet: Wenn ich samstags arbeiten kommen muss, ist das schon blöd genug. Wenn ich dann noch mit unsinnigen Aufgaben betraut werde, drückt das auf einen! Wir müssen besprechen, wie man mit Menschen umgeht.“

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Beide Seiten sehen schwierige Verhandlungen voraus. Carmen Schwarz sagt: „Das wird ein heißer Ritt werden. Einfach wird das nicht.“ Volker Verch auf Arbeitgeberseite sieht „herausfordernde Verhandlungen“ kommen: „Wir brauchen ein bestimmtes Paket. Hintergrund sind die Wettbewerbsfähigkeit, der Wettbewerb innerhalb der Gruppe, zunehmende Material- und Energiepreise. Viele Konkurrenten haben andere Arbeitszeiten, auch andere Standorte in der Gruppe.“

Was macht der Mutterkonzern in Kanada?

Arbeitszeit wird vermutlich wieder das Schlüsselwort sein: Verch betont, das Unternehmen benötige Sicherheit für seine geplanten Investitionen. Die IG Metall will dabei den Arbeitnehmerbeitrag so gering wie möglich halten: „Arbeitszeit ist ein ganz sensibles Thema“, sagt Carmen Schwarz: „Die Leute wollen nicht länger arbeiten, die wollen die 35-Stunden-Woche halten. Umsonst arbeiten möchte keiner mehr.“

Wie wird die Rolle des kanadischen Mutterkonzerns in den Verhandlungen sein? „Ich kenne noch nicht die Mannschaftsaufstellung der anderen Seite“, sagt Carmen Schwarz: „Es wird spannend, wie der Entscheidungsspielraum hier vor Ort ist – und was Kanada entscheidet. Klar ist, die gucken nur nach den Zahlen, was am Ende des Tages herauskommt. Das kann die Gespräche erschweren.“ Es gebe eine starke Autonomie des Standortes, weiß Volker Verch: „Aber machen wir uns nichts vor: Die Gesellschafter werden zum Schluss ein Wörtchen mitreden. Die Entscheidung über einen Standort liegt immer in den Händen der Gesellschafter. Und die sitzen nicht in Meschede.“

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Völlig offen ist für die Gewerkschaft, wie sich die veränderte Weltlage auf Martinrea-Honsel auswirken wird: „Wir wissen noch nicht bei Martinrea, an welchem Punkt der Zulieferkette man ist. Es gibt andere Betriebe, da geht es schwieriger zu. Ich habe noch keine negativen Signale bekommen.“ Materialengpässe zum Beispiel habe es auch in der Vergangenheit schon gegeben.

Volker Verch deutet aber schon an, dass genau diese Weltlage Auswirkungen auch auf den Standort in Meschede habe: „Die Kostensituation ändert sich gerade dramatisch in den Unternehmen: Da greifen mehrere Dinge ineinander – der Ukrainekrieg, die angespannte Halbleiter-Situation, die Schiffe, die in China festliegen, Materialien, die nicht zu bekommen sind, Lieferketten-Probleme und Energiepreise, die sich zum Teil vervierfacht haben. Das sind große Herausforderungen, die die Unternehmen alle nicht zu verantworten haben, aber mit denen sie fertig werden müssen.“

>>> HINTERGRUND <<<

Für den Formenbau von Martinrea-Honsel im Werk Nuttlar gelten die beginnenden Tarifverhandlungen nicht: „Dort laufen alte Regelungen weiter“, sagt Carmen Schwarz von der IG Metall. Komme die Frage des Formenbaus aber in den Verhandlungen auf, kündigt sie an, werde sie über Nuttlar auch sprechen wollen.