Schmallenberg/Bad Berleburg. Ein Zaun um die Wisentherde auf Schmallenberger Stadtgebiet sollte eine Kompromisslösung sein. Jetzt gibt es Neuigkeiten. Das denkt ein Waldbauer

Die Nachricht kommt überraschend: Es wird keinen Zaun um die freilebende Wisentherde im Rothaargebirge geben. Das große Gatter ist vom Tisch. Was die Öffentlichkeit jetzt am Rande der Ratssitzung in Schmallenberg erfährt, hat eine Vorgeschichte. Und es ist auch kein finaler Sieg für die Wisentbefürworter.

In einem Schreiben an die beteiligten Kreise und Kommunen hat NRW-Umweltministerin Ursula Heinen Esser die Idee zu den Akten gelegt: „Mittlerweile ist deutlich geworden, dass sich die geplante Zaunlösung selbst für einen auf drei bis fünf Jahre begrenzten Zeitraum nicht im regionalen Konsens realisieren lassen wird. Vor diesem Hintergrund wurde sich darauf verständigt, die vorgeschlagene Zaunlösung nicht weiter zu verfolgen“.

Entscheidendes Gutachten folgt

Im Entwurf eines Gutachtes zum Wisentprojekt, das diese Zeitung veröffentlicht hat, war der Zaun eine von vier Lösungen. Das 5000 Hektar große Gatter hätte für drei Jahre insgesamt mindestens 2,6 Millionen Euro gekostet. Günstiger wären eine Umsiedlung oder sogar eine Tötung der Tiere. Aber auch die Entlassung in die Herrenlosigkeit ist ein mögliches Szenario.

Die Wisente am Rothaarsteig: Wo sie bislang schon gesehen wurden.
Die Wisente am Rothaarsteig: Wo sie bislang schon gesehen wurden. © funkegrafik nrw | Anda Sinn

„Eine abschließende Entscheidung über die Zukunft der Tiere steht noch aus“, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Grundlage ist die gemeinsame Auswertung des Gesamtgutachtens der Tierärztlichen Hochschule Hannover, das vom Kreis Siegen-Wittgenstein in Auftrag gegebenen worden ist. Die ist noch nicht abgeschlossen. Eine öffentliche Vorstellung der Ergebnisse des Gutachtens sei für den Spätherbst des laufenden Jahres vorgesehen. „Die Entscheidung müssen am Ende die Verantwortlichen vor Ort treffen“, so das Ministerium.

Stimmen zum Aus für den Zaun

„Die Entscheidung gegen den Zaun ist bereits am 3. September in der Koordinierungsgruppe des Wisentprojektes gefallen“, berichtet Siegen-Wittgensteins Landrat Andreas Müller. Er ist der Vorsitzende und findet die Entscheidung „konsequent“.

Wir hatten dem Zaun als Übergangslösung zugestimmt“, sagt Bernd Fuhrmann. Bad Berleburgs Bürgermeister ist zugleich Vorsitzender des Wisent-Trägervereins.

Ganz anders hört sich das von Seiten der Wisentgegner an: „Ich habe schon lange den Glauben an die Demokratie verloren. Schon als die Zaunlösung vorgestellt wurde, war mir klar, dass das eine Totgeburt werden würde“, sagt ein von Schälschäden betroffener Waldbauer aus Schmallenberg, der nicht namentlich genant werden will. Auch wenn er ein Kritiker des Projektes ist, hatte er sich gegen den Zaun ausgesprochen: „Das hat doch dann nichts mehr mit Wildleben zu tun.“ Er habe die Hoffnung auf eine schnelle Lösung ohnehin schon aufgegeben, ein Ende der Debatte sei nicht in Sicht: „Für mich wäre eine Umsiedlung der Tiere die richtige Lösung. Es gibt genug Orte und Herden, wo die Wisente angesiedelt werden könnten.“

Das sagt Ulrich Lutter aus Latrop

Freude herrscht bei Ulrich Lutter, dem Vorsitzender der Dorfgemeinschaft Latrop, dem Dorf, das neben Schanze am nächste an dem Zaun gelegen hätte. „Das ist die einzig richtige und konsequente Entscheidung. Es hat sich aber schon nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm abgezeichnet, dass der Zaun nicht kommen wird. Es ist aber absolut richtig, dass wir keinen Zaun hier auf unsere Seite kriegen. Für die Tiere muss eine andere Lösung gefunden werden. Ich finde eine Umsiedlung gut. Aber jetzt heißt es erstmal wieder abwarten, was die Gerichte entscheiden“, sagt Lutter.

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Im Juli diesen Jahres gab das Gericht zwei Schmallenberger Waldbauern recht, dass die Wisente nachhaltige Schäden an den Buchenbeständen hinterlassen und der Wisent-Verein aus Bad Berleburg verhindern müsse, dass die Tiere die Bäume der Schmallenberger beschädigen. Der Verein legte Revision ein und zieht nun erneut vor den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe.

Wisentverein muss Herdenmanagement verändern

Wenn die Wisente nicht durch einen Zaun gelenkt werden können, wird es schwierig die Waldbauern zu schützen. „Wir werden alles rechtlich Mögliche tun, um die Tiere von den Grundstücken der Kläger fernzuhalten“, sichert Bernd Fuhrmann zu.

Konkret heißt das aber auch, dass der Trägerverein und die Wisentranger auf Lenkungsfütterungen verzichten müssen. Mit diesem Mittel wären die Wildrinder sehr wahrscheinlich in ihrem Streifgebiet in Wittgenstein zu halten. Das Landesjagdgesetz lässt eine Fütterung von Wildtieren – und als diese gelten Wisente – aber nur in den Wintermonaten zu.

Daran scheitert das Gatter rechtlich

Im März 2019 war der Zaun als Kompromisslösung erstmalig Thema. Er sollte den seit Jahren schwelende Streit um die Wildrinder zu befrieden. Ein Projektgruppe hatte die Zaunlösung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, erläutert Landrat Andreas Müller. Der behördliche Aspekt ist der Bau eines Zaunes auf Flächen im Staatswald und der Familie Sayn-Wittgenstein-Berleburg. Das wäre nur mit einem artenschutzrechtlichen Gutachten möglich, weil das Gebiet ein streng geschütztes FFH-Gebiet ist.

„Die negativen Auswirkungen auf die Flächen wären zu groß“, berichtet Andreas Müller. Außerdem widerspreche ein Zaun der Idee eines Artenschutzprojektes mit einer freien Herde. Der zweite Blickwinkel ist die Befriedung des Streits. Und die ist nicht in Sicht, wie schon die Ministerin bekräftigt.