Meschede. Herzlichen Glückwunsch! Der Hennesee bei Meschede wird 65 Jahre alt. Wussten Sie zum Beispiel, dass der Damm der Talsperre unkaputtbar ist?

Es gibt diese seltsamen Zufälle der Geschichte. In den nächsten Tagen enden die Bauarbeiten am Damm des Hennesees. Dann können Fußgänger wieder darüber gehen, der See wird wieder angestaut. Exakt an diesem Tag vor 65 Jahren ist die Talsperre eingeweiht worden – durch den damaligen Landwirtschaftsminister Johannes Peters am 25. November 1955, um 11.34 Uhr.

Die Zahlen

210 Hektar Land sind ab dem 25. November 1955 dafür überflutet worden.

Die Baustelle der Hennetalsperre in den 50er-Jahren: Hier entsteht der neue Damm. Gestein dafür wurde direkt vor Ort abgebaut - zum Beispiel in dem Steinbruch in der Bildmitte. Die Abbruchkante ist noch heute am Fußweg zwischen dem Damm und der Schiffsanlegestelle zu sehen.
Die Baustelle der Hennetalsperre in den 50er-Jahren: Hier entsteht der neue Damm. Gestein dafür wurde direkt vor Ort abgebaut - zum Beispiel in dem Steinbruch in der Bildmitte. Die Abbruchkante ist noch heute am Fußweg zwischen dem Damm und der Schiffsanlegestelle zu sehen. © Archiv

38,4 Millionen Kubikmeter Wasser fasst der heutige See. 470 Menschen mit 31 Bauernhöfen wurden dafür umgesiedelt. Zeitweise war der Bau der Henne-Talsperre die größte Baustelle in Deutschland. 7535 Lastwagen fuhren die Baustoffe vom Mescheder Bahnhof hinauf.

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Hinzu kam das Gestein, das direkt am See gebrochen wurde – zum Beispiel in dem Steinbruch, den man heute noch zwischen Damm und Schiffsanlegestelle sieht. 5300 Menschen arbeiteten daran, die meisten waren Arbeitslose, viele davon aus Schlesien. Penibel genau wurde ausgerechnet: 650.000 Arbeitsstunden leisteten sie dafür. Fünf Männer starben während der Bauarbeiten.

Die zweite Talsperre

Der jetzige Hennesee ist bereits die zweite Talsperre hier. Die erste war von 1901 bis 1905 gebaut worden, ab 1949 wurde sie zurückgebaut. Die erste Talsperre ragte viel weiter als heute in das Tal nach Meschede hinein. Sie fasste nur 11 Millionen Kubikmeter Wasser, gehalten von einer so genannten „Schwergewichtstaumauer“ – die durch ihr eigenes Gewicht dem Wasserdruck standhielt. Mehr ging aus technischen Gründen damals nicht.

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Mauer oder Damm?

Die 38 Meter hohe Schwergewichtsstaumauer wurde abgebaut, ihre Steine in der Baustelle mit verarbeitet. Anstelle der Staumauer entstand der heutige 60 Meter hohe Steinschüttdamm mit 1,3 Millionen Kubikmeter an Steinmaterial – nur ein Damm kann so hoch und breit angelegt werden. Und der ist richtig dicht.

Die „Schlucklöcher“

Denn das war der Grund für den Neubau: Die erste Talsperre war undicht, weil der Untergrund durchlässig war. Ihre Mauer wurde war unterläufig, weil sie keine Drainage hatte – „das war schlicht und einfach das Nicht-Wissen jener Zeit“, sagt Christof Sommer, Betriebsleiter der Talsperre.

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Es war ein Konstruktionsfehler von Beginn an. Im Untergrund sind Kalk und weicher Tuff, beides wurde nach und nach ausgespült:

Der Zeitungsbericht zur Einweihung der Hennetalsperre am 25. November 1955. Ab 1949 war die erste Talsperre zurückgebaut worden - sie war ständig undicht.
Der Zeitungsbericht zur Einweihung der Hennetalsperre am 25. November 1955. Ab 1949 war die erste Talsperre zurückgebaut worden - sie war ständig undicht. © Jürgen Kortmann

In den 40er-Jahren, sagt Sommer, wurden zwei Meter hohe Lücken im Untergrund entdeckt, so genannte „Schlucklöcher“. Das war auch der Grund, warum der Hennesee im Krieg nicht bombardiert, nicht einmal beschädigt wurde: Hier hätten die Alliierten keine solche verheerende, katastrophale Flutwelle wie am Möhnesee auslösen können – denn der Hennesee war wegen seiner Undichtigkeit schlichtweg leer.

Die neue Technik

Um den Fehler der ersten Talsperre zu vermeiden, wurde bei der zweiten eine neue Technik verwendet – erstmals bei einem Bau dieser Größenordnung wurde eine Abdichtung durch eine Asphaltschicht genutzt. Hier schließt sich der Kreis zur aktuellen Baustelle: Diese Schicht und die darüber liegende Mastix-Schutzschicht muss, wie jetzt eben, in großen Abständen erneuert werden, weil sie durch Sonnenstrahlen, Wellen und Eis spröde wird.

Lösung für Mescheder Problem

Für die Mescheder hat der Talsperren-Neubau bedeutende Folgen gehabt – die Innenstadt sollte danach nicht wieder volllaufen: „Das Hochwasserproblem ist durch das höhere Stauvolumen grundsätzlich erledigt“, sagt Christof Sommer. Im Winter muss ein Freiraum für 7 Millionen Kubikmeter Wasser vorgehalten werden, die einlaufen könnten – als Reserve für den Hochwasserschutz.

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Den Überlauf an der einen Seite des Damms wird man wohl nie in Aktion sehen: Er ist ausgerichtet auf ein Hochwasser, das alle 10.000 Jahre auftreten könnte!

Der Schutz

Mitverbaut am Damm sind Kontrollgänge von Hangseite zu Hangseite, Kalkeinschlüsse sind mit Zement gefüllt worden, der Untergrund ist komplett abgedichtet worden.

Christof Sommer, Betriebsleiter am Hennesee, hat noch die Bau-Tagebücher aus den 50er-Jahren. Reiner Zufall: Genau in diesen Tagen endet auch die aktuelle Baustelle am Damm des Sees.
Christof Sommer, Betriebsleiter am Hennesee, hat noch die Bau-Tagebücher aus den 50er-Jahren. Reiner Zufall: Genau in diesen Tagen endet auch die aktuelle Baustelle am Damm des Sees. © Jürgen Kortmann

Christof Sommer kann deshalb sagen: „Seit 65 Jahren ist da kaum ein Tropfen Wasser durchgesickert. Die Sickerwassermengen im Untergrund sind sehr gering.“ Deshalb wird zum Beispiel auch das Gras auf dem Damm so kurz gehalten: Es kann so besser wurzeln, und bildet eine zusätzliche Schutzschicht gegen Erosion der Oberfläche zur Stadt hin.

Die Sicherheit

„Eine Talsperre ist eine Hochsicherheitszone“, sagt Christof Sommer. Ja, theoretisch könnte er die beiden Grundablässe betätigen und so für den Ablauf von mehr als 50 Kubikmeter Wasser pro Sekunde sorgen. Es würde aber sofort Alarm ausgelöst und die Ablässe würden geschlossen. Überhaupt ist hier alles alarmgesichert.

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Vor der Fußball-WM 2006 untersuchten Anti-Terror-Spezialisten die Talsperre: Sie fanden keine Schwachstelle. Sprengen kann man den Damm auch nicht: Er stammt schließlich aus der Zeit des Kalten Krieges, als Bombenangriffe denkbar waren. Deshalb sind, unsichtbar von außen, im Damm 12 Meter hohe und 25 Meter lange Stahlbetonteile über die ganze Breite verbaut worden. Der Damm ist unkaputtbar.

>>>HINTERGRUND<<<

In dieser Woche enden für den Ruhrverband als Träger der Hennetalsperre die Bauarbeiten. Dann ist die Stadt Meschede am Zuge, um die Geländer zur Sicherheit der Fußgänger wieder anzubringen. Das ist Sache der Stadt: Der Ruhrverband hat schließlich die Freizeitnutzung am Hennesee nur erlaubt.

Wie lange es dauern wird , um den See nach der Baustelle wieder zu füllen? „Zwei regenreiche Monate würden dafür reichen“, sagt Christof Sommer.

So, wie zuletzt im Dezember 2018 und Januar 2019 , als im Durchschnitt 150 beziehungsweise 162 Liter pro Quadratmeter fielen.