Meschede/Berge. Zwei furchtbare Unfälle mit Radfahrern im Stadtgebiet von Meschede sind endlich vor Gericht entschieden - in einem Fall dauerte das 17 Jahre.
Diese tragischen Unglücke hatten damals betroffen gemacht: In beiden Fällen waren Radfahrer die Opfer gewesen. Und in beiden Fällen waren umstürzende Bäume oder herabfallende Äste die Unfallursachen gewesen. Jetzt sind endlich abschließend die Fragen des Schadensersatzes und Schmerzensgeldes geklärt worden – nach 6 bzw. sogar erst nach 17 Jahren.
Querschnittsgelähmt nach dem Unfall
Unfall 1: Am 3. August 2003 sind drei Radfahrer auf dem Weg zwischen der Birkenallee und Berghausen am Hennesee unterwegs.
Als verbotenerweise ein Milchtransportwagen kommt, weicht eine Radfahrerin auf das Bankett daneben aus. Beim Vorbeifahren bricht durch die Luftverwirbelung aus einer alten Buche, die rund zehn Meter vom Weg entfernt steht, ein dicker mächtiger Ast ab, der über den Weg bis in das benachbarte Feld ragt. Der Ast begräbt die Frau unter sich.
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Die junge Frau aus Meschede erleidet schwerste Verletzungen. Sie sitzt seitdem querschnittsgelähmt im Rollstuhl. In einem Gutachten wird vor Gericht deutlich, dass der Waldeigentümer die Gefahr eines Astbruchs hätte erkennen müssen: Der Baum ist geschädigt gewesen.
Tot unter einer Eiche entdeckt
Unfall 2: Am 22. Juli 2014 ist ein 66 Jahre alter Radfahrer aus Meschede-Berge auf dem Sauerland-Radring an der Wenne zwischen Wenholthausen und Berge unterwegs. Der Rentner ist begeisterter Radrennfahrer. Er wird tot unter einer Eiche auf dem Weg gefunden: War er mit hoher Geschwindigkeit gegen den bereits umgestürzten Baum gefahren – oder wurde er von dem umstürzenden Baum erschlagen, der zuvor nicht ordnungsgemäß kontrolliert worden war?
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In beiden Fällen hat Rechtsanwalt Bernhard Kraas (Oeventrop) die Familien der Betroffenen vertreten. Auf Anfrage bestätigt er, dass die zivilrechtlichen Fragen jetzt geklärt seien.
„Unheimlich belastend für die Familie“
Mit 17 Jahren, das hat sich Kraas am Landgericht Arnsberg bestätigen lassen, ist es im Fall der Meschederin das zeitlich längste und älteste Verfahren, das nun abgeschlossen wurde. Der Fall ist erst in Arnsberg, dann nach einer Berufung vor dem Oberlandesgericht Hamm verhandelt und danach bis vor den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe gegangen.
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Dort wurde der Fall wiederum ans Landgericht Arnsberg zurück verwiesen. Das Landgericht hatte zuletzt in einem Mediationsverfahren ein gütliches Einvernehmen angeregt – das scheiterte aber. „Die Gegenseite hat das Verfahren in die Länge gezogen“, sagt Anwalt Kraas: „Das war unheimlich belastend für die Familie.“
Unfallhergang nachgestellt
Die Gegenseite waren die Versicherungen des Waldeigentümers einerseits sowie die des Milchtransportwagens andererseits. Das Landgericht verurteilte jetzt beide zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz – als Gesamtschuldner. Wer davon wie viel zahlt, müssen die beiden Versicherungen nun untereinander klären: „Das ist jetzt eine interne Auseinandersetzung.“
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Kraas ist grundsätzlich froh, dass das Verfahren nun beendet ist. Aber schon vor zehn Jahren hätte das Landgericht der Frau den Anspruch ja grundsätzlich zugesprochen: „Vom Ergebnis her bin ich nicht glücklich“ – denn über die Jahre seien enorm hohe Prozess- und Gutachterkosten entstanden.
Landesbetrieb Straßen NRW stimmt Vergleich zu
Im Fall des getöteten 66 Jahre alten Mannes aus Berge wird den Hinterbliebenen ein Schadensersatz gezahlt. Dies kam durch einen Vergleich vor dem Oberlandesgericht Hamm zustande. Damit muss der Landesbetrieb Straßen NRW bezahlen. Nach dem Gutachten eines Sachverständigen steht fest, so Kraas, dass der Baum „ohne jeden Zweifel“ umgestürzt sei, als der Radfahrer daran vorbeifuhr und erschlagen worden.
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Das Unfallgeschehen war vom Gutachter nachgestellt worden. Dabei wurden Abrieb des Baumes am Helm, am Trikot und am Sattel des Radfahrers festgestellt, der erst durch das Fallen der Eiche entstanden sein konnte. Der Landesbetrieb hat die Verkehrssicherungspflicht für den Radweg.
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Rechtsanwalt Kraas hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass die routinemäßige Kontrolle (die so genannte Baumschau) nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei: Die Mitarbeiter hätten nur vom Auto aus kontrolliert, nicht aber persönlich nachgesehen. So wurde übersehen, dass die Eiche morsch war.
>>>HINTERGRUND<<<
Die Urteile in beiden Verfahren hatten bundesweit Bedeutung.
Denn hier rückten Fragen der Verkehrssicherungspflicht von Waldeigentümern und die Frage von Baumkontrollen in den Mittelpunkt.
Das OLG Hamm machte deutlich, auch an Straßen oder Wegen mit weniger Verkehr müssen Bäume sicher sein.
Für Bäume an Straßen wie für Wirtschaftswege gelten Maßstäbe der Straßenverkehrssicherungspflicht (und damit intensivere Kontrollen) - und nicht die Verkehrssicherungspflicht im Wald.