Bestwig. Franz Josef Hegener sagt, wie sein Reisebüro in Bestwig die Corona-Krise bewältigt - und gegen das Internet besteht. Er rät, wieder zu buchen.
Es sind keine leichten Zeiten für die Reisebranche. Da macht das Reisebüro Hegener in Bestwig keine Ausnahme. Aber Inhaber Franz Josef Hegener hat auch in der Krise sein Lächeln und seinen Optimismus nicht verloren. Er gibt sich kämpferisch und hat der Situation sogar etwas Positives abgewinnen können.
Wie sehr hat Sie die Corona-Krise getroffen?
Franz Josef Hegener: Die Situation ist schon hart - bei uns Reisebüros und auch bei den Veranstaltern. Da muss man gar nicht drumherumreden. Es ist ja zum Glück auch viel über die dramatische Lage der Reisebranche berichtet worden. Was viele aber gar nicht wissen: Es geht dabei nicht nur um Rückabwicklungen und einen Einbruch bei den Reisebuchungen. Die Bankkonten der Reisebüros sind im Moment quasi offen. Die Veranstalter holen sich nach und nach die Provisionen zurück, weil die Reisen nicht stattgefunden haben. Mit dem Geld haben wir gewirtschaftet. Miete, Löhne, Versicherung usw. wurden davon bezahlt.
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„Die Touristik hält zusammen“
Welche Möglichkeiten zu Sparen gibt es denn in einem Reisebüro?
Unsere Angestellten sind aktuell in Kurzarbeit. Das ist bei Auszubildenden zwar nicht möglich, aber die IHK hat mit der Bundesagentur für Arbeit ein neues Programm aufgelegt, damit die Azubis ihre Ausbildung beenden können. Unsere Auszubildende arbeitet also weiterhin in Vollzeit. Die Touristik hält zusammen. Unsere Partner sind uns mit den monatlichen Betriebskosten entgegen gekommen.
Ärgern Sie sich über die Corona-Politik?
Ich habe den Eindruck, dass einige Politiker, das Konzept mit den Reisebüroprovisionen zunächst nicht verstanden haben und gar nicht wussten, dass wir nicht nur weniger Einnahmen haben, sondern auch noch größere Summen an Provisionsrückzahlungen stemmen müssen. Es hat einfach zu lange gedauert, bis dieses Problem erkannt worden ist - das hat für einige Reisebüros leider schon das Aus bedeutet. Den Kollegen ist wegen der finanziellen Not nichts anderes übrig geblieben, als aufzugeben. Hier kam die Hilfe zu spät. Da hätte ich mir ein schnelleres Handeln seitens der Politik gewünscht Aktuell gibt es immerhin eine Überbrückungshilfe, auf die wir hoffen.
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„Corona ist ja nicht die erste Krise“
Also gibt das Reisebüro Hegener nicht auf?
Nein, auf gar keinen Fall. Aufgeben ist aktuell definitiv keine Option. Corona ist ja nicht die erste Krise, die die Reisebranche trifft und die wir als Reisebüro bewältigen mussten. Wir haben schon die Thomas-Cook-Pleite überstanden, die Wirtschaftskrise, die Aschewolke nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull und die Folgen des 11. September. Danach haben wir auch gedacht, dass sich nie wieder jemand in einen Flieger setzt. Wir wollen optimistisch nach vorn blicken.
Warum soll ich meine Reise im Reisebüro buchen?
Weil Reisebüros, wie wir, für unsere Kunden jederzeit zu erreichen sind. Viele schätzen sehr, dass sie einen persönlichen Ansprechpartner haben. Gerade jetzt, in der Krise, und mit den sich immer wieder verändernden Bedingungen, ist das viel wert. Die Reisebüros vor Ort sind für ihre Kunden immer ansprechbar.
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Ganz im Gegenteil zu den Hotlines der Buchungsplattformen im Internet. Dort im Moment jemanden telefonisch zu erreichen, ist fast unmöglich. Wenn man aus der Not heraus versucht, per Mail schriftlich Hilfe zu bekommen, wartet man mehrere Wochen auf die Antwort. So darf man aus meiner Sicht mit Kunden einfach nicht umgehen, auch dann nicht, wenn wegen Kurzarbeit nur Teile der Belegschaft im Einsatz sind. Teilweise melden sich verunsicherte Menschen, die im Internet gebucht haben, inzwischen sogar bei den Reisebüros vor Ort, um nun Hilfe zu bekommen.
Kaum Preisunterschiede
Das heißt, wer über das Internet bucht, spart am falschen Ende?
Wer im Internet bucht, spart meistens sowieso nicht viel oder sogar gar nichts. Wer die Preise vergleicht, wird sehr schnell feststellen, dass es zwischen einer Internetbuchung und der Buchung im Reisebüro kaum Preisunterschiede gibt. Das haben, Gott sei dank, viele unserer Kunden erfahren. Lediglich für Zusatzleistungen, wie Sitzplatzreservierung, Sondergepäck Anmeldung, Online Check, erheben die Reisebüros eine Servicegebühr. Gerade in solchen Zeiten, haben die Kunden mit einem stationären Reisebüro einen klaren Vorteil gegenüber dem Internet. Das Reisebüro kümmert sich!
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Haben Sie mal ein konkretes Beispiel für eine solche Problembewältigung?
Wir hatten zum Beispiel Kunden, die zu Beginn der Corona-Krise in Vietnam festgesessen haben, weil die Fluggesellschaft den Rückflug gecancelt hat. Die Fluggesellschaft hat die Kunden nicht umgebucht oder eine Alternative angeboten.
So standen sie hilflos am Flughafen und bekamen dort am Check-in-Schalter nur zu hören „Ohne gültiges Ticket nehmen wir euch nicht mit“. Alle anderen Schalter waren dicht. Per WhatsApp traten die Kunden mit mir in Verbindung und baten um Hilfe. Daraufhin bin ich am Sonntagmorgen um 5 Uhr ins Büro gegangen, habe von hier ein Ticket über unsere Kreditkarte gebucht. Das Ticket habe ich digital nach Vietnam geschickt und die beiden konnten fliegen - während viele andere ohne Ticket entsetzt am Flughafen standen und zuschauen mussten, wie die fast leere Maschine ohne sie abhebt.
Die Menschen buchen wieder
Wie ist denn die Buchungssituation im Moment?
Während wir zuletzt immer noch viel mit Rückabwicklungen zu tun hatten, kommen inzwischen immerhin wieder Menschen, die einfach mal ein paar Tage raus wollen und kurzfristig einen Deuschland-Trip, eine Reise nach Österreich oder eine Reise in die Schweiz buchen. Sichere Ziele wie Sardinien, Zypern, Griechenland und Portugal sind im Moment ebenfalls zu buchen und werden auch wieder gebucht. Nicht nur für die Herbstferien, sondern auch darüber hinaus.
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Kann man denn im Moment überhaupt guten Gewissens buchen, ohne Angst haben zu müssen, am Ende mehr Ärger als Erholung zu haben?
Ja, das kann man durchaus. Die meisten Reiseveranstalter haben inzwischen reagiert und bieten Leistungspakete wie „Covid Protect“ an. Dabei werden etwa Kosten für einen möglichen Test vor Ort übernommen, und auch Hotelkosten, wenn Corona einen längeren Aufenthalt erforderlich machen sollte. Zusätzlich zur kostenlosen Stornierungsmöglichkeit, bieten viele inzwischen außerdem eine kurzfristige kostenlose Umbuchung am.
Man kann also durchaus guten Gewissens sogar schon an den Sommer-Urlaub für 2021 denken, weil die Veranstalter hier sehr viel Flexibilität anbieten. Hier sind im Moment gute Angebote zu buchen. Und was hinzu kommt: In den Zielorten werden die Touristen hofiert. Man ist dort ja froh über jeden Gast der kommt. Das haben uns viele unserer Kunden zuletzt so berichtet. Erst gestern hat mir eine Kundin erzählt, dass der Kapitän eines Kreuzfahrtschiffes beim Auslaufen eine sehr emotionale Rede gehalten hat und die Besatzung vor Freude geweint hat, weil endlich wieder so etwas wie Alltag eingekehrt ist.
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Können Sie der Krise möglicherweise auch etwas Positives abgewinnen?
Definitiv! Die Reisebüros sind zusammengewachsen und arbeiten jetzt enger zusammen. Mit Konkurrenzdenken kommt man in der Situation nicht weiter. Schließlich sitzen wir alle im selben Boot. Wir haben uns darauf geeinigt, eine einheitliche Linie zu fahren, was die Höhe und die Erhebung gewisser Service-Gebühren angeht. Positiv habe ich damals bereits den Zusammenhalt bei der Demo in Paderborn am Flughafen empfunden, in dem die Reisebranche auf die existenzbedrohenden Corona-Einschränkungen hingewiesen hat. Das hat uns näher gebracht.
>>>HINTERGRUND<<<
Franz Josef Hegener ist 44 Jahre alt und verheiratet.
Er machte von 1994 bis 1997 seine Ausbildung im Reisestudio Schwerte. Ab dem Jahr 2000 war er Büroleiter im Reisestudio Schwerte/Holzwickede.
Im Mai 2004 wechselte Hegener in den elterlichen Betrieb, im Januar 2014 übernahm er das Büro von seiner Mutter Brigitte Hegener.