Büemke. Vom Pferd aus sollten die ausgebüxten Rinder bei Eslohe jetzt eingefangen werden. Dafür waren die „Rinderhirten“ aus Hagen im Einsatz.

Ein bisschen erinnerte es an Cowboy-Arbeit: Denn auf ungewöhnliche Weise ist versucht worden, die ausgebrochene Rinderherde bei Büemke wieder einzufangen: Mehrere darauf spezialisierte Reiter wollten die Tiere zusammentreiben. An einer Kleinigkeit scheiterte allerdings der erste Versuch.

Leidenschaftliche Reiter von Hagener Verein

Marco Hubricht hört die Bezeichnung Cowboy nicht so gerne – denn Cowboys erinnerten zu sehr an Wildwest-Filme, an Männer mit Schießeisen und Lassos, an Brandzeichen und an die riesige Prärie. Er bevorzugt stattdessen Ranchworker als Umschreibung für die Arbeit, die der Verein „Rinderhirten“ mit Sitz in Hagen leistet:

Die Rinderhirten aus Hagen im Einsatz bei Eslohe: Hier ist zu sehen, wie ein Reiter versucht, die Ausbrecherherde in die gewünschte Richtung zu lenken. Bis hierhin klappte auch noch alles nach Plan. Bis plötzlich unerwartet ein Lücke im Zaun auftaucht.
Die Rinderhirten aus Hagen im Einsatz bei Eslohe: Hier ist zu sehen, wie ein Reiter versucht, die Ausbrecherherde in die gewünschte Richtung zu lenken. Bis hierhin klappte auch noch alles nach Plan. Bis plötzlich unerwartet ein Lücke im Zaun auftaucht. © Privat

Es sind leidenschaftliche Reiter, die auch gerne draußen praktisch mit ihren Pferden arbeiten. Die Rinderherde hatten nach unseren Berichten in der vergangenen Woche von der ausgebüxten Herde bei Eslohe gehört und sich bei der Mescheder Polizei gemeldet. Die stellte wiederum den Kontakt zum Esloher Ordnungsamt her.

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Für Sonntag waren sie dann um Hilfe beim Einfangen der Rinder gebeten worden. Fünf Reiter, verstärkt um drei Mitglieder zu Fuß, kamen nach Büemke – die Mitglieder sind in ganz NRW anzutreffen, die Reiterin mit der weitesten Anreise kam extra aus Xanten. Die Rinderhirten sprechen sich per Telefon oder Chat ab, wer für einen Einsatz Zeit hat. Am Samstag waren sie bereits bei Iserlohn im Einsatz. Die Zeit am Sonntag war schon das Problem. Die Rinderhirten kamen am Nachmittag an, die Dämmerung würde nicht lange auf sich warten lassen: „Es war klar: Wir würden an diesem Tag nur einen Versuch haben, um die Herde einzufangen“, sagt Marco Hubricht, der selbst als Reiter dabei unterwegs war.

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Plötzlich erkennen die Ausbrecher eine Lücke

Anfangs gelang das auch, die Ausbrecher ließen sich wie erhofft zusammentreiben. Bis auf 20, 25 Meter kamen die Reiter an die Rinder heran. Das reichte auch, um die Rinder wie geplant – quasi begleitet seitlich von den Reitern – ruhig und unaufgeregt in eine bestimmte Richtung lenken zu können. Das war auch der Plan, das Kapitel hätte also enden können.

Dann aber passierte das Malheur: Den Rinderhirten war die Örtlichkeit nicht exakt genug beschrieben worden – sie mussten von einem durchgehenden Zaun ausgehen, der die Rinder zusätzlich in Schach gehalten hätte. Tatsächlich aber war der Zaun an einer Stelle löchrig. Und das nutzten die inzwischen offenbar gewieften Ausbrecher für eine erneute Flucht: Durch die Lücke im Zaun entkamen sie in einen angrenzenden Wald. Und der wiederum war so dicht, dass die Rinderhirten bei einsetzender Dämmerung hier ihren ersten Versuch einstellen mussten. 1:0 für die Ausbrecher.

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Die Rinderhirten würden sich aber gerne erneut für einen zweiten Versuch zum Einfangen zur Verfügung stellen, sagt Hubricht. Im Hintergrund wird darüber verhandelt.

Treiben und gleichzeitig lenken

„Rinder sind nicht blöd“, sagt er über die Tiere, schon ein wenig anerkennend, dass die diese plötzliche Fluchtchance genutzt haben. Festgestellt haben die Reiter des Hagener Vereins aber auch: Eine Gefahr geht ihrer Meinung nach nicht von den jeweils um die 700 Kilogramm schweren Rindern aus. „Die Rinder sind überhaupt nicht aggressiv, sie verhalten sich absolut normal“, sagt Marco Hubricht.

Einige der Tiere führten Kälber mit sich, selbst diese Tiere hätten nicht aggressiv gegenüber den Reitern reagiert. Die Rinderhirten sind es aber auch gewohnt, gefährliche Situationen zu vermeiden: „Da spielt unsere Erfahrung und unsere Ausbildung eine Rolle.“ Mit Formationen könnten Reiter eine Herde treiben und gleichzeitig lenken: „Das muss man natürlich erlernen.“

Ein „verrückter Haufen“

Hubricht beschreibt seine Mitstreiter als „verrückten Haufen“. Die Pferdeenthusiasten stehen inzwischen bei etlichen Polizeibehörden und Leitstellen bundesweit auf der Telefonliste, um notfalls gerufen zu werden, falls sich irgendwo Probleme mit freilaufenden Tieren ergeben. Dauert ein Einsatz länger und ist gerade kein Hotel in der Nähe – dann übernachten die Rinderhirten eben in ihrem Pferdehänger, ihr Pferd draußen angebunden neben sich.

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Mitglieder gibt es inzwischen auch zum Beispiel in Niedersachsen, Bayern, auch in Österreich. „Unser Ziel ist es, überall vertreten zu sein, um helfen zu können“, sagt Hubricht. Er berichtet auch schon von Anfragen, ob die Rinderhirten nicht beim Almauftrieb helfen könnten – nicht ohne Grund: „Man sieht immer die schönen Bilder von den Tieren, die vorne brav mitlaufen. Aber man sieht nie, dass hinten durchaus auch Kühe weglaufen.“

>>>HINTERGRUND<<<

Das Wissen mit dem Umgang von freilebenden Rindern sei in Deutschland fast verloren gegangen, sagen die Rinderhirten in Hagen. In dem Verein haben sich Reiter zusammengeschlossen, die an der Rinderarbeit interessiert sind. Die Vereinsmitglieder haben mehrmals im Jahr die Möglichkeit, im Team zu trainieren und ihr Können zu verfeinern.

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Vorbilder für sie sind die spanischen berittenen Rinderhirten (die Vaquero) und die Rinderzüchter dort. Der Vaquero reitet einhändig, mit aufrechtem Sitz und fast nur im Schritt und kurzen Galopp; der unbequeme Trab wird gemieden.

Um dort auch häufig aggressive Rinder treiben, trennen, einzuholen oder abzudrängen müssen die Reiter ein gut ausgebildetes und ausdauerndes Pferd nutzen.

Infos unter Rinderhirten.de