Meschede/Hochsauerlandkreis. 417 abgelehnte Asylbewerber müssten den Hochsauerlandkreis verlassen, so die Ausländerbehörde in Meschede. Die Hintergründe, warum das scheitert.

Mit dem Beginn der Corona-Krise hat es auch keine Abschiebungen mehr im Hochsauerlandkreis gegeben. Im März hatte es die letzten Versuche gegeben, danach war sowohl Stillstand in der Justiz als auch im internationalen Flugverkehr.

Finanzielle Anreize ohne Wirkung

Die Zahl der Abschiebungen von abgelehnten, ausreisepflichtigen Asylbewerbern hatte zuletzt weiter nachgelassen. 2019 sind 80 Abschiebungen aus dem Hochsauerlandkreis erfolgt, nach 115 im Vorjahr, was den bundesweiten Zahlen entspricht. Das teilt die Kreisverwaltung in Meschede auf Anfrage mit.

Insgesamt 417 abgelehnte Asylbewerber aus dem HSK müssten Deutschland wieder verlassen: Haupthindernis für ihre Abschiebung sind aber fast immer fehlende Papiere aus den Herkunftsländern.

80 Abschiebungen sind 2019 aus dem Hochsauerlandkreis erfolgt, 417 Asylbewerber müssten noch folgen. Die Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises in Meschede weist auf viele Probleme hin, warum Abschiebungen immer schwerer werden.
80 Abschiebungen sind 2019 aus dem Hochsauerlandkreis erfolgt, 417 Asylbewerber müssten noch folgen. Die Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises in Meschede weist auf viele Probleme hin, warum Abschiebungen immer schwerer werden. © Jürgen Kortmann

Ohne Papiere kann niemand aus Deutschland abgeschoben werden. „Die Zahlen werden weniger, aber der Aufwand für eine Abschiebung wird mehr“, sagt Kreissprecher Martin Reuther.

Vor einer Abschiebung als letztem Mittel stehen auch noch die Versuche der Ausländerbehörde, die Betroffenen mit finanziellen Anreizen zur freiwilligen Ausreise zu überzeugen: Auch das gelingt immer seltener – im Jahr 2019 in 45 Fällen, davor in 64. Martin Reuther sagt: „Der Anreiz, weiter in Deutschland zu leben, ist größer als der Vorteil einer finanziell geförderten freiwilligen Ausreise.“

Wer freiwillig ausreist, wird auch nicht mit einer Wiedereinreisesperre nach Deutschland belegt. Die wird ohnehin zur Farce, nach Erfahrung der Ausländerbehörde: Sie hat den Fall eines Mannes aus Somalia, der bereits fünfmal nach Belgien abgeschoben wurde (wo er erstmals in die Europäische Union eingereist ist) – und der immer wieder nach Deutschland zurückgekehrt ist. Die Lösung dieses Falls: Unbekannt.

Guinea führt gerade die Liste an

Versucht worden sind 2019 insgesamt 122 Abschiebungen: In 80 Fällen gelang das, 42 scheiterten (55 im Jahr 2018) – unter anderem durch Flucht, Stellen eines neuen Asylantrages oder weil sich die Betroffenen noch am Flughafen wehrten und deshalb von den Flugzeugbesatzungen nicht an Bord genommen wurden.

Zuletzt berichtete diese Zeitung über den Fall eines Kurden aus Meschede, der sich damit erfolgreich seiner Abschiebung widersetzte – und weiteren Widerstand angekündigt hatte. Dazu kommt: Die Termine für anstehende Sammelcharter-Flüge für Abschiebungen sprechen sich im Voraus in der Szene herum – dann tauchen abgelehnte Asylbewerber auch ab.

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Die meisten der potenziell Abzuschiebenden im HSK kommen aus dem afrikanischen Staat Guinea. Dort werden momentan überhaupt keine für die Rückreise erforderlichen Papiere ausgestellt – das gilt auch für viele weitere afrikanische Staaten wie Somalia oder Mali. Aus dem Libanon gibt es aktuell überhaupt keine Reaktionen auf die Bemühungen der Ausländerbehörde. Der Iran verlangt Erklärungen seiner Staatsangehörigen, dass sie freiwillig in den Iran zurückkehren möchten – diese Erklärung ist von Iranern, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, natürlich nicht zu erhalten.

Kirchenasyl: Iranerin will nicht nach Österreich

Inzwischen ist auch bekannt geworden: Es gibt den neuen Fall eines Kirchenasyls im Hochsauerlandkreis: Eine Iranerin versucht gemeinsam mit ihrem Kind, damit ihre Abschiebung zu verhindern – sie sollen von Deutschland aus nach Österreich abgeschoben werden. Das Kirchenasyl wird von der Evangelischen Gemeinde in Marsberg gewährt.

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Weit oben in der Nationen-Statistik der 420 Ausreisepflichtigen aus dem HSK steht Afghanistan: Tatsächlich abgeschoben werden dürfen aber nur in Deutschland straffällig gewordene, allein stehende Männer. Alle anderen ausreisepflichtigen Afghanen werden langfristig geduldet.

Fortbildung in Selbstverteidigung

Zumindest gewalttätige Auseinandersetzungen haben sich 2019 bei den Abschiebungen nicht abgespielt. Rangeleien und Beleidigungen gehören aber dazu. Die Mitarbeiter der Ausländerbehörde, die bei Abschiebungen zum Einsatz kommen, werden inzwischen in Selbstverteidigung fortgebildet: „Die Eigensicherung steht über allem“, so Kreissprecher Martin Reuther. Subtile Drohungen würden immer wieder ausgesprochen: „Ich weiß, wo du wohnst“ und „Ich komme wieder“ sind dabei durchaus gängig, so Reuther.

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>>>HINTERGRUND<<<

Von Januar bis Ende März 2020 sind noch zehn Abschiebungen durch die Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises erfolgt - dann stoppte alles durch die Corona-Krise.

Zwölf weitere Versuche von Abschiebungen sind gescheitert.

Zehn abgelehnte Asylbewerber sind freiwillig ausgereist.