Freienohl. Nach dem Tod eines sechs Jahren alten Jungen aus Freienohl gibt es kein Strafverfahren gegen Ärzte. Der Anwalt der Familie versteht das nicht.

Der Tod eines sechs Jahre alten Jungen aus Freienohl wird juristisch keine Folgen haben. Zivilrechtlich ist jetzt eine Einigung gefunden worden. Strafrechtlich ist das Ermittlungsverfahren eingestellt worden. Im Blickpunkt möglicher Verfehlungen bei der Behandlung des Jungen stand das Klinikum Hochsauerland.

Todesbescheinigung: „Ungeklärte Ursache“

Das Kind war im Mai 2019 zuhause in Freienohl gestürzt und auf den Kopf gefallen. In der Notaufnahme des Klinikums in Hüsten war eine Hirnblutung festgestellt worden. Das Kind wurde danach nach Arnsberg, von dort in eine Klinik nach Dortmund verlegt und notoperiert. Sechs Tage später ist der Junge dort gestorben. Ermittelt wurde, weil die Ärzte in Dortmund eine „ungeklärte Ursache“ auf der Todesbescheinigung ankreuzten: Sie sollen empört gewesen sein, dass nicht sofort eine erforderliche Behandlung im Hochsauerlandkreis durchgeführt wurde.

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Öffentliches Bekanntwerden

Die Familie des Jungen vertritt Rechtsanwalt Bernhard Kraas (Oeventrop). Auf Anfrage bestätigt er: „Es gibt eine abschließende Einigung.“ Der Vergleich sei bereits rechtskräftig. Demnach zahlt die Versicherung des Klinikums Hochsauerland den Hinterbliebenen jetzt doch ein Schmerzensgeld und die Beerdigungskosten. Möglicherweise spielt das öffentliche Bekanntwerden des tragischen Falls dabei eine Rolle.

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Gerade die Weigerung, nicht einmal die Beerdigungskosten zu übernehmen, waren für Kraas Auslöser für Klagen gegen die Verantwortlichen gewesen: Für ihn waren das drei Ärzte aus dem Karolinen-Hospital in Hüsten und im Marienhospital Arnsberg. Bei der Staatsanwaltschaft in Arnsberg war dieses Ermittlungsverfahren wegen einer möglichen fahrlässigen Tötung gegen Unbekannt geführt worden.

Keine ausreichende Sicherheit für Anklage

Ein Strafverfahren wird jetzt nicht daraus, teilt Staatsanwalt Klaus Neulken auf Anfrage mit. Im Vorfeld war an der Universitätsklinik Göttingen ein medizinisches Gutachten erstellt worden. Daraus wiederum hatten sich für Neulken Zusatzfragen ergeben, die der Sachverständige in einem Ergänzungsgutachten beantworten musste. Die Antworten liegen jetzt vor: „Das reicht nicht für eine Anklage“, so der Staatsanwalt. Denn der Gutachter kann nicht mit absoluter Sicherheit sagen, dass ärztliche Fehler den Tod des Kindes verursacht haben.

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Diese Einstellung des Verfahrens ist wiederum für Anwalt Bernd Kraas nicht nachvollziehbar. Die Frage einer möglichen Beschwerde gegen die Einstellung bei der Generalstaatsanwaltschaft ist noch offen. Kraas bleibt nach dem Gutachten dabei: „Es sind mehrere Kardinalfehler begangen worden.“ Bei der Behandlung des Kindes sei zu lange gewartet worden, ein MRT-Gerät sei gar nicht erst eingeschaltet gewesen, Personal hätte erst noch geholt werden müssen. So hatte die Mutter des Jungen erst mit einem Assistenzarzt zu tun, der dann einen Oberarzt anrufen musste, der gar nicht im Krankenhaus war.

Zeit bei Behandlung verloren

Empörend für den Anwalt: Als dann bei dem Sechsjährigen eine Gehirnblutung festgestellt wurde, weigerte man sich, die erforderliche Operation in Hüsten durchzuführen und verwies auf die Chirurgie in Arnsberg. Die Operation hätte darin bestanden, ein Loch im Kopf zu bohren. Das klingt für den Laien fürchterlich, ist aber normale medizinische Praxis: „Selbst die Menschen in der Steinzeit wussten, dass man dafür ein Loch im Kopf machen muss.“ Statt der Operation in Arnsberg wurde das Kind dann mit dem Rettungswagen nach Dortmund verlegt – wo die OP dann durchgeführt wurde. Wieder sei Zeit verloren worden.

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>>>HINTERGRUND<<<

Das Klinikum Hochsauerland hat bei der Aufarbeitung des Todesfalls mit der Arnsberger Staatsanwaltschaft zusammen gearbeitet.

Klinikum-Sprecher Richard Bornkeßel hatte betont: „Wir sind tief betroffen über den Tod des Kindes, unser Mitgefühl gilt den Eltern und der Familie.“

„Uns ist eine detaillierte Aufarbeitung des nach unserer Einschätzung schicksalhaften Behandlungsverlaufs extrem wichtig, deshalb arbeiten wir in aller Offenheit und in vollständiger Wahrnehmung unserer Verantwortung mit den Ermittlungsbehörden zusammen“, hieß es in einer Stellungnahme.

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