Meschede. Ein 28-Jähriger dealte, hatte reichlich Waffen in seiner Wohnung, klaute bei den Karnevalisten - und er ist der Reifenstecher von Meschede.

Ein Drogendealer und Dieb vom Siedler-Karneval ist auch der Reifenstecher von Meschede gewesen. Das wurde überraschend am Freitag bei seinem Prozess am Landgericht Arnsberg bekannt.

Vater und Tochter verfolgen den Dieb

Karnevalspräsident Roland Mellios und seine Tochter Malina berichteten als Zeugen, was am Ende der SGH-Prunksitzung am frühen 9. Februar geschehen ist.

Roland und Malina Mellios sagten als Zeugen aus: Vater und Tochter verfolgten den Mann, der sie bei ihrer Prunksitzung in Meschede bestehlen wollte.
Roland und Malina Mellios sagten als Zeugen aus: Vater und Tochter verfolgten den Mann, der sie bei ihrer Prunksitzung in Meschede bestehlen wollte. © Jürgen Kortmann

Die Narren waren da zu ihrer After-Prunksitzung-Party übergegangen, als ein 28 Jahre alter Mescheder mit einem anderen Mann in die Stadthalle kam. Der 20-jährigen Malina Mellios kam das gleich komisch vor: „Irgendwann kennt man die Leute, die da sind“ - und das hier waren zwei völlig Unbekannte.

Der 28-Jährige ging in den Saal, kam kurz darauf wieder und beide Männer hatten es dann eilig, wegzukommen: „Das war sehr auffällig.“ Sie sagte schnell ihrem Vater Bescheid. „Ich habe überhaupt nicht überlegt und bin sofort hinterher“: Und Roland Mellios (52) stellte beide auf der Treppe. Unter einer Jacke hatte der 28-Jährige etwas verborgen, was dann bei einem Gerangel herunterfiel: Ein 2500 Euro teurer CD-Spieler von der Bühnentechnik. Der andere Mann konnte flüchten (gegen ihn läuft noch ein Verfahren), den 28-Jährigen hielt Mellios fest, bis die Polizei kam. Der CD-Spieler wurde beim Fallen beschädigt, der Verein musste den Schaden bezahlen.

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Waffen lagen griffbereit verteilt

Der Mann sagte vor Gericht aus, beide hätten Musik aus der Stadthalle gehört, seien dann hineingegangen, um nachzuschauen - der Diebstahl sei dann spontan gewesen. Dieser Diebstahl gab dem psychiatrischen Gutachter Dr. Josef Leßmann (Warstein) Rätsel auf: Denn er passt eigentlich nicht ins kriminelle Muster des kasachischen Staatsangehörigen. Möglicherweise sollte der CD-Spieler nachher verkauft werden, um wieder Geld für Drogen zu bekommen.

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Das war nämlich die Hauptanklage: Bewaffneter Handel mit Rauschgift. Im Juni 2017 waren in seiner Wohnung an der Le-Puy-Straße Marihuana, Amphetamine, Kokain und Ecstasy-Tabletten gefunden worden – dazu auf dem Wohnzimmertisch ein Elektroschocker, außerdem zwei ungeladene Pistolen, ein Schlagstock, ein Wurfstern, Kampfmesser: „Das war typisch für eine Dealerwohnung. Die Waffen lagen griffbereit verteilt, falls er abgezockt würde“, sagte ein Polizist aus.

Drogen in Wohnung verkauft

Der Kasache räumte alles ein: Drogen habe er meistens aus seiner Wohnung heraus verkauft. Im Herbst bei einer zweiten Durchsuchung fanden sich wieder Macheten, ein Spürhund fand Drogen in einer Lautsprecherbox. Die gefundenen Mengen waren allerdings so gering, dass es juristisch nur ein minderschwerer Fall des Handels war. Der Mann wurde zu einer zweijährigen Strafe im Maßregelvollzug verurteilt, ausgesetzt zur Bewährung.

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Mit 13, 14 Jahren habe er mit dem Rauschgiftkonsum begonnen, sagte er: Erst Marihuana, dann kamen Amphetamine. Und der lange Konsum zeigt jetzt Folgen. Das haben Autofahrer in Meschede zu spüren bekommen. Angeklagt war das hier nicht, aber es wurde in dem Prozess bekannt. Denn er ist der Mann, der im Oktober/November 2019 für rund 30 Beschädigungen an Autos in der Innenstadt verantwortlich ist - meistens zerstach er mit einem Cuttermesser die Reifen.

Die Wahnvorstellungen des Reifenstechers

Hier wird es irre. Denn der Mann hatte Wahnvorstellungen entwickelt: Er könne Schall sehen, böse Menschen würden Druck auf ihn ausüben und sein Gehirn stören, und diese Menschen würden in Autos mit fremden Kennzeichen in Meschede herumfahren. Bevor er zustach, machte er mit dem Handy Fotos der Kennzeichen – die sollten ihm als Beweisfotos dienen, um nachvollziehen zu können, wer ihn manipulieren wollte.

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„Eindeutig wahnhaft“, meinten die Ärzte in der Klinik Marsberg, in die er nach seiner Festnahme eingewiesen wurde. Gutachter Leßmann hatte die Erklärung dafür: „Aus heiterem Himmel können Wahnvorstellungen kommen“ – bedingt eben durch ständigen Amphetamin-Konsum, dazu Cannabis. Medikamente helfen dagegen. Das Wahnhafte hat allerdings Folgen für die geschädigten Autobesitzer: Er ist deswegen schuldunfähig, einen Prozess wird es dafür nicht geben.

Corona ist schuld, dass der Mann noch nicht in Behandlung ist – obwohl er sich selbst schon darum bemüht hat: Die Psychiatrie hat Aufnahmestopp für neue Patienten. Die Behandlung muss er auch antreten. Bis die Psychiatrie wieder funktioniert, muss der Mann zunächst in eine ambulante Suchttherapie und regelmäßig zum Drogentest.

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>>>HINTERGRUND<<<

Zwei der 24 Monate Bewährungsstrafe gelten bei dem Mann als verbüßt: Das ist eine Kompensation.

Denn die 6. Große Strafkammer gab dem Staatsanwalt Daniel Stevie recht: Er sah eine „rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung“ durch das Landgericht Arnsberg.

Denn drei Jahre von dem Drogen- und Waffenfund in Meschede dauerte es bis zum Prozess jetzt - obwohl der Fall eigentlich juristisch sonnenklar gewesen ist.

Das Verfahren war immer wieder verschoben worden, weil andere Haftsachen vorrangig erledigt werden mussten.