Wyk/Meschede. Meschedes Ex-Bürgermeister Uli Hess lebt auf der Insel Föhr. Dort ist die Corona-Situation eine ganz besondere.
Er würde gern auch wieder Besucher aus Meschede auf seiner Insel begrüßen. Das geht aber gerade nicht: Föhr darf in der Corona-Krise nicht betreten werden. Meschedes ehemaliger Bürgermeister Uli Hess ist inzwischen Bürgermeister der Inselhauptstadt Wyk. Im Interview spricht er über die außergewöhnlichen Tage und die Sorgen auf Föhr, seine Quarantäne und die Zukunft.
Man bekommt hier kaum etwas mit von dieser besonderen Lage in Norddeutschland. Wie erleben Sie die?
Uli Hess Wir sind in der vierten Woche, in der wir ein Betretungsverbot der Inseln für Nicht-Insulaner haben. Das Verbot ist auf unsere medizinische Versorgung zurückzuführen: Zu Anfang der Corona-Krise gab es die Sorge, dass die nicht ausreichen würde, wenn auch noch Urlauber auf den Inseln sind. Unser kleines Krankenhaus auf Föhr zum Beispiel verfügt über kein Intensivbett. Wir haben auch nur maximal drei Beatmungsgeräte.
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Und dann waren die Urlauber weg?
Ja, das Land Schleswig-Holstein hat gesagt: Die Insulaner auf ihre Inseln – aber bitte keine Fremden mehr! Das hat erst zu immensen Irritationen geführt. Einige wollten ja ihre Zweitwohnungen oder ihre Zweithäuser herrichten, oder ein verlängertes Wochenende machen, und die mussten dann die Inseln wieder verlassen. Dafür hatten sie zwei, drei Tage Zeit. Das war unglücklich vom Land kommuniziert: Wer bis zu einem bestimmten Zeitpunkt schon auf den Inseln war, der durfte bleiben – und die anderen mussten wieder fahren. Das war nicht angenehm, auch nicht hier auf Föhr! Das sind schließlich unsere Gäste, die wir wiedersehen möchten. Es wurde dann auch kontrolliert, man hat sich Nummernschilder angeschaut. Ich fand das nicht gut, das muss ich offen sagen.
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Jetzt sind die Insulaner unter sich?
Mehr oder weniger. Ausnahmen sind Handwerker, die vom Festland kommen. Hier ist jetzt eine rege Bautätigkeit, was man ja sonst in der Saison normalerweise nicht gerne hat: Die Gelegenheit wird genutzt, weil eben keine Gäste hier sind. Es gibt auch Ausnahmen für Leute vom Festland, wenn ihre Eltern auf den Inseln zu pflegen sind. Ostern wäre eigentlich der Beginn der durchgehenden Saison bis zum Oktober gewesen. Das war schon sehr skurril: Es war kein Mensch am Strand!
Wie lange ist das durchzuhalten?
Der überwiegende Teil der Insulaner lebt vom Tourismus. Einigen ist angst und bange: Da geht es an die Existenz! Ich fürchte, trotz aller Förderprogramme wird es manche nicht vor der Insolvenz retten. Kleinere Geschäfte leben nun einmal nur in der Saison. Mit dem Wandel der Mode wird man die aus 2020 nicht zwingend in 2021 verkaufen können. Das wird verramscht werden – und davon kann keiner leben. Wir bemühen uns um Lockerungen: Ab 4. Mai dürfen sollen Zweitwohnungsbesitzer wieder auf die Insel kommen dürfen.
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Wie sehr ist Ihre Insel denn vom Coronavirus betroffen?
Wir haben nur ganz wenige Infizierte. Ich kann nicht einmal die genaue Zahl nennen, weil wir uns auf Kreisebene verständigt haben, dies allgemeiner zu formulieren – wir sprechen hier nur von „Infizierten auf den Inseln“. Denn sonst könnte man relativ schnell herausbekommen, wer krank ist. So gering ist die Zahl. Wir hatten einen Corona-Fall, der ist nach Flensburg verlegt worden – auch er hatte eine gesundheitliche Vorbelastung. Ich sage auch: Wir können uns nicht abschotten. Eine gewisse Durchseuchung muss diese Insel verkraften können. Denn wenn dies die erste Welle der Pandemie war, dann kommt eine zweite und womöglich eine dritte Welle: Und die käme zeitversetzt um ein Jahr – und die würde uns dann zur gleichen Jahreszeit wieder treffen. Das würden wir nicht durchstehen! Man muss das also in Relation sehen: Die, die rufen, wir brauchen wieder wirtschaftliche Aktivität, müssen sich sagen lassen: Ja, aber in geordneten Bahnen, damit wir kein Infektionsgeschehen wiederbekommen, das wir dann nicht beherrschen können.
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Wird man denn schnell wieder auf Ihre Insel kommen können?
Wir brauchen eine gewisse Öffnung: Dafür setze ich mich ein – aber die muss geordnet und kontrolliert sein. Das Land hat uns zugesagt: Erst kommen die Zweitwohnungsbesitzer, dann die Mieter von Ferienwohnungen –und ganz zum Schluss kommen eines Tages die Tagestouristen. In diesem Jahr werden wir keinen gewohnten Tourismus erleben. Es wird nur einen Tourismus light geben.
Da sind viele praktische Fragen zu lösen…
Ja, denken Sie allein an die hygienischen Regeln: Zwei Meter Abstand in Lokalen. Die Betriebe, die wir haben, besitzen aber gar keine Riesensäle – auch die müssen Lösungen entwickeln. Oder: Wie werden Tische aufgestellt? Wie kann man eine Küche wirtschaftlich betreiben? Muss man mit Reservierungen arbeiten? Das ist schon verdammt schwer! Und wie wird ein Hotel organisiert, wenn man nur 50 Prozent der Betten vermieten darf – wie will man das kontrollieren?
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Sie waren auch selbst in Quarantäne?
Ja, meine Frau und ich waren vorher in Südtirol gewesen. Wir sind dann vorsorglich in Quarantäne gegangen, hatten aber keine Symptome. Die 14 Tage in Quarantäne waren eine echte Lebenserfahrung: Wir haben endlich all das zuhause gemacht, was wir schon immer machen wollten. Wir haben jetzt jede Schublade aufgeräumt (lacht)! Mit dem Ende der Quarantäne sind wir zum Bäcker und danach mit frischen Brötchen und Kaffee zum Strand gegangen: Wir haben es richtig genossen, uns wieder frei bewegen zu dürfen.
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Auf dem Festland bewegte die Menschen die Frage nach der Versorgung mit Toilettenpapier. Gibt es denn genug Klopapier auf Ihrer Insel?
(lacht) Diese Diskussion war so seltsam! Die Urlauber, die die Insel binnen drei Tagen verlassen mussten, sind vorher noch einmal in unsere Märkte gefahren. Die haben ihre Kofferräume mit Lebensmitteln und insbesondere mit Klopapier vollgepackt! Bei uns hat es nie Engpässe gegeben: Bei uns konnte man immer Mehl und Hefe bekommen – und insbesondere Toilettenpapier! Palettenweise! Soll ich Ihnen eine Rolle schicken (lacht wieder)? Ich habe keine Erklärung für dieses Phänomen. Für mich ist das unergründlich!
- Uli Hess war, bis 2015, 16 Jahre lang Bürgermeister in Meschede.
- 2016 hatte der heute 65-Jährige seinen Wohnsitz nach Wyk verlegt: Er hatte dort früher schon seine Urlaube verbracht.
- 2018 wurde CDU-Mitglied Hess zum ehrenamtlichen Bürgermeister in Wyk gewählt.
- Er gehört auch dem Kreistag Nordfriesland in Husum an und ist erster stellvertretender Landrat