Menden. Wie sollen Geflüchtete in Menden untergebracht werden? Das beschäftigt Politik und Verwaltung. Warum nun ein früheres Bordell eine Option ist.
Wie sollen Geflüchtete in Menden künftig untergebracht werden – und welche Maßnahmen sind an den bestehenden Unterkünften notwendig, um sie zukunftstauglich zu machen? Diese Fragen beschäftigen Politik und Verwaltung seit Monaten. Eine Übersicht samt Maßnahmen bleibt die Stadt bislang schuldig – ganz zum Ärger des Sozialausschusses. Mit ungewohnt deutlichen Worten kritisiert Vorsitzende Tina Reers (Grüne) nun Bürgermeister Dr. Roland Schröder. Gleichwohl: Eine städtische Unterkunft ist mittlerweile freigezogen – und es gibt einen überraschenden Ausweichstandort.
Zustände in städtischen Unterkünften untragbar
Der Sozialausschuss unter der Woche ist bestens besucht. Kein Wunder, ist es doch eine gemeinsame Sitzung von Sozialpolitikern und Integrationsrat. Ganz oben auf der Agenda dabei: die Unterbringung Geflüchteter in Menden. Doch so weit kommt es erst gar nicht. Denn direkt zu Beginn der Sitzung streicht das Gremium den Tagesordnungspunkt einstimmig. „Das ist mir auch unangenehm“, gibt Tina Reers zu. Denn eigentlich habe man den Integrationsrat hauptsächlich aufgrund der Unterbringungssituation eingeladen. Ratlose Gesichter in den hinteren Reihen des Ausschusses.
Warum das Thema in der gemeinsamen Sitzung nicht zur Sprache kommt, macht Reers als Vorsitzende dann auch deutlich: Die Arbeit der Verwaltung in der Sache ist unzureichend. „Im September gab es zwei Beschlüsse im Rahmen der Flüchtlingsunterbringung, zu der wir heute eigentlich den Integrationsrat eingeladen haben.“ Doch eben diese Beschlüsse seien nicht wirklich umgesetzt worden. „Es fehlen die geforderten Strategien, unter anderem Containerstandorte, konzeptionelle Rahmung, ein eventueller Ersatz des Bieberkamp sowie mittel- und langfristige Maßnahmen, die in vorherigen Vorlagen angekündigt wurden“, erklärt Tina Reers.
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Bereits im April dieses Jahres hatten die Grüne die Zustände in städtischen Unterkünften kritisiert. Gerade die bestehenden Flüchtlingsunterkünfte in Lendringsen seien „in einem miserablen Zustand“, wie aus einer Anfrage an die Verwaltung seinerzeit hervorging. „Die Ehrenamtler haben die Schnauze voll“, betonte Annette Schrick damals im Integrationsrat. Viel zu lange habe sich aus ihrer Sicht nichts getan – vor allem am Steinhauser Weg. Bauliche Mängel seien inzwischen jahrelang nicht behoben worden. „Es sollte nicht sein, dass dort Schimmel durch die Küche wandert. Es muss dringend etwas passieren“, kritisierte Schrick. Ähnlich stelle sich das Bild am Bieberkamp dar. Das Dilemma der Stadt: Für eine grundlegende Sanierung müsste der Steinhauser Kamp – wie auch die Unterkünfte an der Bischof-Henninghaus-Straße – zeitweise leer gezogen werden. Dafür fehlen aktuell allerdings Ausweichmöglichkeiten. Vor allem angesichts der Räumung der früheren Hauptschule am Bieberberg.
Ausschussvorsitzende fassungslos über Vorgehen
Doch seither hat sich – zumindest für Tina Reers – nicht wirklich viel getan, obwohl Bürgermeister Dr. Roland Schröder das Thema nach dem gescheiterten Modulbau an der Leibnizstraße zur Chefsache erklärt hatte. „Seit Mai habe ich als Ausschussvorsitzende darauf hingewiesen, dass wir als Fachgremium diese Vorlagen dringend benötigen“, so die Grünen-Politikerin. Mehrmals habe sie dazu auch in der Verwaltungsspitze nachgefragt. „Eine Antwort bekomme ich seit September vom Bürgermeister nicht mehr. Diesen Umgang kritisiere ich deutlich“, sagt Reers in der gemeinsamen Sitzung. Und holt dann weiter zur Schelte gegen die Verwaltung aus: Vorlagen würden der Politik erst verspätet und nicht im geforderten Umfang vorgelegt. „Das Vorgehen lässt mich als Vorsitzende fassungslos zurück. Nichts von den Beschlüssen der letzten Sitzung spiegelt sich hier wider. Nichts von dem, wofür wir den Integrationsrat eingeladen haben, wird aufgeführt.“
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Eine Antwort auf das Vorgehen gibt es vonseiten der Verwaltung oder Bürgermeister Roland Schröder dazu nicht. „Dazu laufen im Hintergrund derzeit noch Abstimmungen“, erklärt Stadtsprecherin Vanessa Wittenburg auf WP-Anfrage und verweist auf eine Entscheidung zum Thema am 22. November – im nächsten Sozialausschuss.
Verwaltung prüft mehrere Optionen
Doch nach WP-Informationen ist die Unterkunft am Bieberkamp mittlerweile freigezogen. Offizielle Begründung: brandschutztechnische Mängel. Die Bewohner sind in den übrigen Unterkünften und in privatem Wohnraum untergekommen. „Dass die Bedingungen nicht optimal sind, wissen wir auch“, erklärt die Erste Beigeordnete Henni Krabbe dazu auf WP-Anfrage. Wann und ob eine Sanierung am Bieberkamp durchgeführt wird, hänge vor allem vom Eigentümer ab. Der Mietvertrag der Stadt für den Bieberkamp läuft bis 31. Dezember 2024. Im nicht-öffentlichen Teil der Sozialausschusssitzung hat sich das Gremium einstimmig dafür ausgesprochen, den Mietvertrag auslaufen zu lassen und die Unterkunft mittelfristig nicht mehr an diesem Standort zu betreiben.
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Um für weitere Zuweisungen von Geflüchteten in den kommenden Monaten gerüstet zu sein, brauche die Stadt nun jedoch „einen Plan B“, so Krabbe. Und der sieht laut WP-Informationen möglicherweise auch die Anmietung eines weiteren Gebäudes an der Fröndenberger Straße 139 vor. Ein Gebäude, das früher als Bordell genutzt wurde, in dem mittlerweile aber kein Rotlichtgewerbe mehr angemeldet ist. „Auch hier müsste der Eigentümer ein Invest vornehmen. Die Stadt würde das Objekt nur mieten“, sagt Krabbe. Auch an der Fröndenberger Straße gebe es demnach Brandschutzmängel, die zunächst beseitigt werden müssten. In Stein gemeißelt ist das Vorhaben demnach noch nicht, doch angesichts der anstehenden Sanierung der Unterkunft an der Bischof-Henninghaus-Straße im kommenden Jahr zumindest eine Option.