Lendringsen. Junge Leute geraten immer wieder ins Visier. Sie sorgen für Müll und Lärm, nehmen Drogen. Streetworker Jan Lukas Gawlik hat eine andere Sicht.

Er kennt Lendringsen wie seine Westentasche – und das gilt nicht nur für die mehr oder weniger versteckten Orte, sondern auch für die jungen Menschen, die dort leben. Jan Lukas Gawlik (28) ist seit dem Mai dieses Jahres als Streetworker für das Netzwerk „Lendringsen hilft“ tätig. Möglich machen das Mittel aus dem „Stärkungspakt NRW – gemeinsam gegen Armut“. Der Streetworker-Einsatz von Jan Lukas Gawlik ist eines von vielen Projekten, das über die Stadt Menden gefördert wird.

Und sein Einsatz ist wertvoll, wie der evangelische Pfarrer Dr. Björn Corzilius betont: „Jan leistet hier eine unglaublich gute Arbeit und hat schon so viele Menschen erreicht. Das brauchen wir hier.“ Das Netzwerk macht weit mehr, doch mit dem Streetworking erreicht „Lendringsen hilft“ genau die Menschen, um die andere gerne einen Bogen machen und die sie vielleicht lieber gar nicht sehen wollen. „Jan hat eine wirklich tolle Ansprache, das haben wir auch bei seinen Kontakten zur Obdachlosenunterkunft gesehen“, weiß Corzilius.

Formen der aufsuchenden Arbeit

Das Streetworking von Jan Lukas Gawlik ist nur eine Form der aufsuchenden Arbeit, die im Netzwerk „Lendringsen hilft“ mit Leben gefüllt wird.

Während der 28-Jährige vor allem den Kontakt zu jungen Leuten auf der Straße sucht, sind Menschen wie Silvia Hoth, Monika Kraus und Barbara Pössel auf den Spuren älterer Menschen unterwegs. Sie wollen denen Unterstützung bieten, die einsam oder arm sind. Dabei wollen auch sie ihre Netzwerke nutzen, um mögliche Probleme anzugehen.

Streetworker gewinnt Vertrauen

Eine gute Ansprache braucht es auch, damit junge Menschen, die von der Gesellschaft als Außenseiter wahrgenommen werden, überhaupt Vertrauen fassen. Dieses Vertrauen hat Jan Lukas Gawlik inzwischen an vielen Stellen gewonnen. „Da haben manche gesagt: Hey! Toll, dass mal jemand mit uns spricht und sich für uns interessiert“, erinnert sich der 28-Jährige. Zu seinen Kontakten zählen vor allem junge Leute ab 14 Jahre bis etwa Mitte 20. Für sie will der Streetworker ein Ansprechpartner sein, mehr aber auch nicht. „Man muss das trennen. Das darf keine Freundschaft sein“, weiß Gawlik aus seiner langjährigen Arbeit in der Kinder- und Jugendarbeit bei der Stadt Menden. Er war früher auch als Streetworker für die Stadt in der Mendener Innenstadt unterwegs. Eine Erfahrung, die er da ebenso gemacht hat wie jetzt in Lendringsen: Die jungen Leute sind oft unerwünscht.

Wenn über Gruppen am Lendringser Platz gesprochen wird und über den schwunghaften Drogenkonsum dort, dann geraten schnell auch junge Menschen in den Fokus, die damit nichts zu tun haben oder die auch unverschuldet in eine schwierige Lebenssituation geraten sind. „Jugendliche brauchen einen Platz“, sagt der Streetworker und denkt dabei etwa an Spielplätze, von denen sie gerne vertrieben werden.

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Jan Lukas Gawlik übernimmt so etwas wie eine Vermittlerrolle. Er wirbt bei Anwohnern für Verständnis, dass die Menschen, die einen Großteil ihrer Zeit auf der Straße verbringen, oft keinen anderen Rückzugsort haben. „Ich spreche aber auch mit den Jugendlichen und den jungen Erwachsenen. Ich sage ihnen: Wenn ihr hier bleiben wollt, dann müsst ihr euch an Regeln halten. Räumt den Müll weg und seid spätabends nicht unnötig laut“, erklärt der 28-Jährige. Er stößt durchaus auf offene Ohren, doch im Eifer des Gefechts und möglicherweise auch mit zunehmendem Alkoholkonsum werden diese Regeln auch wieder vergessen.

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Keine Frage, es ist eine schwierige Gemenge-Lage, in der Gawlik Orientierung bieten will. Er möchte sein Netzwerk nutzen, die jungen Leute mit Tipps auf einen guten Weg bringen. Wenn die Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen strukturierteren Tagesablauf haben, dann kann das helfen, dass sie sich selbst nicht aus dem Blick verlieren.

Immer wieder auf der Suche

Das Beispiel Lendringser Platz zeigt, wie herausfordernd die Arbeit des Streetworkers ist. Taucht dort wegen einer Drogenrazzia Polizei auf, suchen sich die jungen Menschen andere Orte. „Das Problem wird nicht behoben, es findet immer nur eine Verlagerung statt“, sagt Gawlik. Leute, die er sonst regelmäßig am Lendringser Platz getroffen hat, sind dann woanders. Der Streetworker ist immer wieder auf der Suche nach ihnen – und es sind nicht nur die klassischen Treffpunkte, wo er sie finden kann.

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Eine Vision hat Jan Lukas Gawlik: Er möchte den Garten Eden, den wettergeschützten Unterstand an der Christuskirche in Lendringsen, gerne mit seinen männlichen wie weiblichen Schützlingen aufmöbeln. „Sie werden diesen Ort schätzen lernen“, glaubt der 28-Jährige. Unterdessen ist im Netzwerk „Lendringsen hilft“ die Hoffnung groß, dass der Streetworker seine engagierte Arbeit auch nach dem Projekt fortsetzen kann. Das ist eine Frage der Finanzierung.