Menden. Ukrainisches Ehepaar unterstützt die Integration an der städtischen Gesamtschule. Wie sie ihre Arbeit sehen – und wie die Schule profitiert.
Dass Andrii Mostovyi und seine Frau Maryna in Menden gelandet sind, ist eigentlich nur Zufall. Und doch entpuppen sich die beiden als regelrechter Glücksgriff für die städtische Gesamtschule. Das ukrainische Ehepaar unterstützt Sozialarbeiter und Lehrer bei der Integration von ukrainischen Kindern in der Schule. Sie vermitteln, übersetzen und fördern die Kinder sportlich.
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Eine klare Aufgabe
Seit mittlerweile einem Jahr sind Andrii Mostovyi und seine Frau Maryna inzwischen in der Hönnestadt – und lernen fleißig deutsch. Doch statt sich hinter Büchern und in Deutschkursen zu verkriechen, wollen sie etwas zurückgeben, sich einfach wieder nützlich für die Gesellschaft fühlen. Seit einigen Wochen hilft das Ehepaar in der Gesamtschule aus, jeweils mit einer halben Stelle, die über Landesmittel gefördert werden. Über das Elterncafé der Schule haben die beiden Anschluss gefunden – und schnell die Wünsche ukrainischer Familien aufgegriffen. „Sie sind jetzt das Bindeglied zwischen Schule, Familien und den Kindern“, erklärt Schulleiter Ralf Goldschmidt.
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Angefangen hat alles mit ein paar Übersetzungen als unbürokratische Hilfe zur Verständigung. Und das war laut Goldschmidt dringend notwendig. Manches geflüchtete Kind komme besser mit der Situation klar als andere. Während der Aufenthalt in Menden für einige Kinder nur ein etwas längerer Urlaub ist, sind sich andere nicht so sicher, ob es für sie wieder zurück in die Ukraine gehen kann.
Eine Flucht kann Traumata hinterlassen. Und das führe irgendwann zu Konflikten: mit Eltern, Mitschülern oder den Lehrern. Und genau in solchen Situationen vermittelt Maryna Mostova. Die 31-Jährige war früher Restaurantmanagerin – nun ist sie Ansprechpartnerin, Übersetzerin, Vermittlerin. Und die Arbeit macht ihr sichtlich Spaß. „Für mich ist es wichtig, dass ich gebraucht werde“, sagt sie.
28 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine sind mittlerweile an der Mendener Gesamtschule untergekommen. Einige von ihnen kommen für eine Stunde in den multiprofessionellen Raum, der sonst von der Schulsozialarbeit genutzt wird. Lesen steht auf dem Programm – dafür hat Maryna Mostova direkt einen Klassiker der Literaturgeschichte aus der Bücherei herausgekramt: Der kleine Prinz. Reihum lesen die Kinder immer wieder kleine Passagen vor, zwischendurch hilft Maryna Mostova mit einer Übersetzung. Denn: Die Kinder sollen nicht bloß vorlesen, sondern auch verstehen, was dort geschrieben steht. Sie haben sichtlich Spaß, ein Unterricht der etwas anderen Art. Unterm Strich ist es eine regelrechte Win-Win-Situation. Während die Kinder Ansprechpartner haben, die ihr Schicksal nicht nur verstehen, sondern auch nachempfinden können, können Maryna Mostova und ihr Mann sich einbringen in die Gesellschaft.
Klare Prioritäten
Der 35-Jährige ist dabei auch so etwas wie eine Vaterfigur für die Jungen. Sie blicken zu ihm auf. Als Profi hat er in der ersten Fußballliga seines Landes gekickt. Jeden Freitagnachmittag organisiert und trainiert er nun eine Fußballgruppe an der Gesamtschule, bei der auch einige Lehrkräfte mitspielen. Sie wollen sich etwas von ihm abschauen.
Der Fußball ist es ohnehin, der den 35-Jährigen vor dem Krieg regelrecht bewahrt hat. Als die ersten Panzer über die Grenze rollten, war er mit seinem Team in einem Trainingslager in der Türkei; das Haus das Ehepaares nördlich von Kiew sei mittlerweile zerstört, erzählt er.
Ob die beiden mit ihren Kindern später überhaupt einmal in die Ukraine zurückkehren, wissen sie nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es allerdings nicht vorstellbar. „Ich muss Deutsch lernen, das hat für mich jetzt oberste Priorität“, sagt Maryna Mostova. Und die Arbeit in der Gesamtschule helfe ihr dabei unheimlich.
Ob die beiden halben Stellen über das Ende des Jahres hinaus durch Landesmittel gefördert werden, steht noch nicht fest. Schulleiter Ralf Goldschmidt, so wirkt es, wird wohl alle Hebel in Bewegung setzen, damit beide weiter an der Gesamtschule arbeiten können. „Das erleichtert die Integration enorm.“