Menden. Die Gesamtschule Menden bereitet sich auf sechs ukrainische Kinder vor. Wie das geht – und was heimische Kinder beim Gedanken an den Krieg bewegt.
Nach den Osterferien erwartet die Gesamtschule Menden sechs kleine Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine. Ein Junge, der elfjährige Mykola, ist schon seit einigen Tagen da. Wie kümmert sich eine Schule um Kinder aus einem Kriegsgebiet? Was ist zu tun, was ist zu beachten? Die WP sprach darüber mit Rektor Ralf Goldschmidt und zwei Lehrerinnen, die an der Gesamtschule auch das Fach „Deutsch als Zweitsprache“ geben, kurz DaZ genannt. Deutlich wird: Für Katharina Oppel und Dr. Ricarda Trapp ist der Umgang mit Flüchtlingskindern kein Neuland. Zum einen kennen auch die Mendener Schulen die grundsätzliche Problematik spätestens seit 2015. Doch es gibt Unterschiede – nicht nur von Kind zu Kind, sondern auch zur Fluchtbewegung aus Syrien oder dem Irak. So schafft der Exodus aus der leidgeprüften Ukraine auch an der Gesamtschule Menden wieder ganz neue Aufgaben.
Viele ukrainische Kinder brauchen offenbar keine Alphabetisierung mehr
„Wir müssen wieder die Ärmel aufkrempeln“, gibt Rektor Goldschmidt die Richtung vor. Ricarda Trapp sagt: „Die ukrainischen Kinder sind in ihren Klassen Seiteneinsteiger, das ist tatsächlich erst einmal nichts Besonderes“. Und was es einfacher mache, sei die Tatsache, dass diese Kinder aus einem Land kommen, in den schulische Bildung sehr hochgehalten wird. So könne der Elfjährige neben Ukrainisch mir kyrillischem Alphabet auch das lateinische ABC, weil in der Ukraine sehr frühzeitig Englisch gelernt wird. „Das erspart uns anders als bei den Menschen aus dem arabischen Raum weitgehend die Alphabetisierung“, sagt Trapp.
Kinder lernen Deutsch in Kursen – aber nebenher auch in Sport oder Kunst
Sie ist noch gar nicht lange hier, seit einem Jahr istKatharina Oppelma die Studienrätin, die auch an der Uni lehrt, zuständig für das „Lernen nach Corona“. Und nicht erst dank erster Erfahrungen mit dem kleinen Mykola weiß sie: „Für die neuen Kinder ist das Dabeisein in ihrer Klasse extrem wichtig, sozial sowieso, aber auch fürs Lernen nebenbei.“ So werde etwa in Fächern wie Sport oder Kunst quasi auf Zuruf auch rasant Deutsch gelernt, ohne dass die Kinder es bewusst angingen, weiß die Klassenlehrerin der 5.3.
Umgang mit Traumata: Noch gibt es hier Unsicherheiten
Noch etwas unsicher ist man indes in der Frage, wie mit traumatisierten Kindern umzugehen ist. Denn anders als frühzeitig geflüchtete Menschen sind inzwischen auch Ukrainer in Menden angekommen, die schreckliche Szenen hautnah erlebt oder mitangesehen haben. „Hier setzen wir zum einen voll auf unsere tolle Schulsozialarbeit“, sagt Katharina Oppel. Und: In den DaZ-Lehrwerken gehe es sehr häufig um die Familie – Kapitel, die sie hier auslassen wollen, wenn nicht klar ist, ob der Vater oder die Großeltern eines Kindes überhaupt noch leben.
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Gastfreundliches Ambiente in der Schule auch von den Kindern geschaffen
Ein freundliches Ambiente in der ganzen Schule soll ebenfalls dazu beitragen, dass sich die Kinder aus dem Krieg wieder geborgen fühlen – „und dafür haben auch unsere Schülerinnen und Schüler hier gesorgt“, zeigt Katharina Oppel stolz auf Ukrainisch bemalte Willkommensplakate in Blau-Gelb. Oder die 100 Friedenstauben in den Fenstern des Raums „Deutsch als Zweitsprache“.
Bewegende Wunschzettel an der Mendener „Klagemauer“
Der Krieg im Unterricht
Ausdrücklich hat Schulleiter Ralf Goldschmidt mit Beginn des Krieges die Lehrkräfte der Gesamtschule gebeten, auf Fragen und Ängste der Kinder auch im Schulunterricht einzugehen und die Fachstunden notfalls dafür auch zu opfern. „Gerade am Anfang waren die Kinder sehr verängstigt“, berichtet Dr. Ricarda Trapp. So habe ein Mädchen gesagt, das ihre Mutter ihr erklärt habe, dass sie auf NATO-Gebiet sicher sei. „Doch sie wollte wissen, wie sicher. Und ob der Krieg nicht doch hierherkommt.“
Welche großen Ängste auch die deutschen Kinder vor dem Krieg haben, wird an der „Klagemauer“ deutlich, an die sie auf gelben Zetteln ihre Gedanken geklebt haben. Der Wunsch nach dem Kriegsende ist mehr als deutlich abzulesen, auch das große Mitleid mit den Kindern aus dem Krieg. Auf einem Zettel steht in Rot: „Es ist nicht fair. Kinder bekommen es mit und das ist nicht gut. Die armen Kinder!“
Als der Krieg ausbrach, bildeten sie rund um die Gesamtschule eine Menschenkette, mit dem Peace-Zeichen auf dem Schulhof.